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07.12.2011, 19:59

Euro-Krise

Schon das 3. Jahr der Euro-Krise, und noch immer kein eigener Thread? Ich wollte den Thread der Finanzkrise nicht wieder ausgraben und denke, die Euro-Krise wird und noch ein paar Jährchen begleiten...
Es gibt aktuell einen Artikel in der FAZ, der fast genau meine aktuelle Sichtweise auf die Euro-Krise wieder gibt.

Zitat

FAZ: 16 Wege aus der Krise - Sorge um Deutschland und Europa
Deutschland war nicht der Gewinner des Euro, wie manche Politiker behaupten, sondern profitiert vom Freihandel. Der riesige Kapitalexport aus Deutschland in die Defizitländer, den der Euro mit sich brachte, ist eine wesentliche Ursache dafür, dass Deutschland lange Zeit die niedrigste Nettoinvestitionsquote aller OECD-Länder hatte, beim Wachstum die rote Laterne trug und eine Massenarbeitslosigkeit durchlebte, die die Regierung Schröder zu schmerzlichen Sozialreformen zwang. Vom Beginn der Zinskonvergenz, die schon im Jahr 1995 durch die Ankündigung des Euro eingeleitet wurde, bis zum Jahr 2007, dem letzten Jahr vor der Krise, war Deutschland vom dritten auf den elften Platz beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der EU-Länder zurückgefallen. Die These, dass Deutschland in besonderer Weise vom Euro profitiert habe, ist angesichts dieser Fakten nicht haltbar.
...
Die Finanzierungshilfen der EZB sind in ihrem Kern nicht geld-, sondern fiskalpolitischer Natur. Zum einen werden ja die Effekte auf die Geldmenge, wie die EZB selbst immer wieder betont, sterilisiert. Zum anderen verlagern diese Hilfen in riesigem Umfang Kapital und damit einhergehend Vermögensrisiken zwischen den Staaten der Eurozone. Sie hätten der Kontrolle der Parlamente bedurft.
...
Deutschland sitzt mit seinen Target-Forderungen in der Falle und käme aus dem Euro auch dann nicht mehr ungeschoren heraus, wenn es das wollte, denn geht der Euro zu Bruch, stehen etwa 500 Milliarden Euro an Forderungen gegen eine Institution im Raum, die es nicht mehr gibt. Unser Land ist durch den freien Zugang zur Notenpresse, den der EZB-Rat den überschuldeten Ländern verschafft hat, erpressbar geworden.
...
Die Übernahme der Haftung in solch riesigem Ausmaß wird Unfrieden in Europa erzeugen. Sie wird eine Transferunion erzwingen, die eine schleichende Enteignung der deutschen Sparer bedeutet und das Vertrauen in die staatliche Ordnung unterminiert.
Wir befürchten, dass das, was wir sehen, erst der Anfang ist. Die Staatsschulden der Krisenländer (Griechenland, Irland, Italien, Portugal, Spanien) liegen derzeit bei 3,35 Billionen Euro. Systeme zu etablieren, die den Weg in die Ausweitung der Haftung möglich machen, halten wir für unverantwortlich. Dem darf die Bundesregierung nicht zustimmen.
...
Zum anderen könnte die Notenbank ihr eigentliches Mandat, Geldwertstabilität zu sichern, nicht mehr erfüllen, weil die Anreize, in Zukunft tragfähige öffentliche Haushalte vorzulegen, noch weiter geschwächt werden. Die wachsenden Schuldenlasten würden im Verein mit den heute schon riesigen Target-Schulden einen immer stärkeren politischen Druck zur Flucht in die Inflation hervorrufen, dem sich die Notenbank im Endeffekt nicht wird widersetzen können.
Geldwertstabilität ist aber eine Grundvoraussetzung für den inneren Frieden einer Gesellschaft und auch für die Zukunft der Währungsunion.
...
Die Politik bewegt sich derzeit in die Richtung immer größerer Rettungssummen und glaubt, sie könne sich vor einem Missbrauch schützen, indem sie den Nehmerländern Auflagen macht, die den Entscheidungsspielraum der dortigen politischen Instanzen verringern. Das schafft Unfrieden, weil unpopuläre Maßnahmen dem Helfer zugerechnet werden und nicht den eigenen Fehlern. Deutschland und Europa geraten immer mehr in eine Rolle des Sündenbocks und werden die Zielscheibe von demagogischen Attacken.
Besser als Verhaltensvorschriften zu machen, ist es, die Rettungsmittel zu begrenzen. Nur dann kann man den Mittelweg glaubhaft beschreiten. Man muss in diesem Fall aber zulassen, dass Länder, denen die nur begrenzt zur Verfügung stehenden Hilfsmittel nicht reichen und die zur Erlangung ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu großen Preissenkungen ausgesetzt wären, aus der Währungsunion austreten.
...
Die Politik hofft, dass sich Schuldendisziplin auch im Falle einer gemeinschaftlichen Haftung für die Schulden durch politische Schuldenschranken im Zuge einer Fiskalunion erreichen lässt. Nach den Erfahrungen mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt halten wir diese Hoffnung für verfehlt. Politische Schuldenschranken sind zwar nicht schädlich. Doch ist die Zeit, als es darum ging, übermütige Gläubiger und Schuldner zu bändigen, lange vorbei. Die Kapitalmärkte sind heute ohnehin nicht mehr bereit, alle Finanzierungswünsche der Krisenländer zu erfüllen, und deshalb kommt der ausländische Kredit im Wesentlichen über die Instrumente der Gemeinschaftsfinanzierung zustande.

Der Verweis auf die Hyper-Inflation hätte imho unterbleiben können, aber dies ist nur ein kleiner Kritikpunkt in einem wirklich informativen Text.
Das geschriebene zu den TARGET2-Salden ist vielleicht für Laien etwas schwer zu verstehen, eine gute Erklärung findet man bspw. hier:
FAZ: "Target-Kredite" - Die riskante Kreditersatzpolitik der EZB

Ein neuerer Artikel zu den Auswirkungen ist hier zu finden: FAZ: Deutsche Bundesbank - 465 Milliarden Euro Risiken

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07.12.2011, 20:17

ist es denn gut, wenn D so einen riesigen Export überschuss hat? Also für uns in D ja wahrscheinlich schon. Aber für die Gemeinschaft? "Ideal" wäre es ja, wenn alle Länder +/- 0 hätten oder sehe ich das falsch? Wenn jemand Überschuss hat, bedeutet das doch immer, dass jemand anders ein negatives Saldo hat, richtig? Liegt nicht auch da eine Crux?

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07.12.2011, 21:38

Ein Exportüberschuss ist für sich weder gut noch schlecht. Es ist einfach eine Seite der Medaille, die andere sind Kapitalimporte. Es sagt ja auch niemand, Deutschland sei Kapitalimporteur und dies ist so schlecht.

Ich persönlich denke auch nicht, dass es "ideal" wäre, wenn alle Länder +/- Null haben.
Wenn man, wie Deutschland, eher Maschinen und sehr kapitalintensive und hochtechnologische Güter herstellt, ist eigentlich nicht weiter verwunderlich, dass man einen hohen Exportüberschuss hat.
Außerdem hat Deutschland zwar im Euroraum einen Exportüberschuss, der Euroraum als Ganzes zu China oder den USA nicht.

Länder mit negativen Exportüberschüssen, d.h. mit Importüberschüssen bzw. Kapitalexporten können ja wettbewerbsfähiger werden, wenn sie eine zeitlang Reallohnzurückhaltung an den Tag legen und so wieder relativ billiger werden, und sich auf der anderen Seite auch weniger Importe leisten können.
Genau dies hatte Deutschland mit den Hartz-Reformen mühehaft gemacht und erntet jetzt die Früchte für diese Entbehrung in Form von historisch hohen Beschäftigungszahlen. Sicher, das sind nicht alles die tollsten Jobs, aber es entlastet trotzdem massiv die Sozialversicherungskassen.

In Deutschland kann die Arbeitslosenzahl bald nicht mehr viel niedriger sinken, dann steigen die Löhne auch. In den letzten Monaten hat man schon deutlich höhere Sprünge bei den Reallöhnen in Deutschland gesehen.
Ich würde moderate Reallöhne eher als gelebte Solidarität in Deutschland verstehen, möglichst vielen Menschen einen Arbeitsplatz zu ermöglichen - mit dem positiven Nebeneffekt, durch die so relativ zum Ausland gestiegene Wettbewerbsfähigkeit zusätzliche Arbeitsplätze schaffen zu können.
Das Problem bei manchen Handelsbilanzen in Europa ist doch, dass sie verschoben sind und gar nicht die Wirklichkeit wiederspiegeln - siehe auch die Ansätze im Artikel dazu!

Ansonsten sind die Handelsbilanzen jetzt imho kein vordringliches Problem.

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07.12.2011, 22:10

steht ein land, das dauerhaft in negatives saldo hat nicht vor ernsthaften problemen? und sei es nun die EU als ganzes!? ohne von vwl ahnung zu haben, sagt mir der gesunde menschenverstand, dass das auf dauer nicht gut sein kann...

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07.12.2011, 22:20

Die USA haben seit Jahrzehnten eine negative Handelsbilanz. Die Probleme der USA gehen aber kaum bis gar nicht darauf zurück.
Ansonsten, bei funktionierender Marktumgebung, sollte es auch Tendenzen zum Ausgleich geben. Dies ist ja auch eine Kritik im Artikel, dass diese Marktkräfte zum Ausgleich gehemmt werden bzw. noch viel stärker gehemmt werden sollen.

Die EU als Ganzes hat nach Außen zu den großen Volkswirtschaften eine ausgeglichene Handelsbilanz.

Außerdem, was ist denn schon auf Dauer? Bei 20-30 Jahren kann man mal anfangen sich Gedanken zu machen, vorher sehe ich es nicht. Und dann kann es immer noch Ausnahmeerscheinungen geben, siehe USA, Chinas Aufstieg oder die besondere Struktur der deutschen Wirtschaft.

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07.12.2011, 23:04

Die USA haben seit Jahrzehnten eine negative Handelsbilanz. Die Probleme der USA gehen aber kaum bis gar nicht darauf zurück.


Ich dachte?! Worauf denn sonst?

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08.12.2011, 00:19

Auf das Haushaltsdefizit? Eher auf viel zu hohe Ausgaben fürs Militär, 2 teure Kriege, ein Gesundheitssystem, was die Unternehmen recht stark belastet, eine marode Infrastruktur und in der Breite eine recht schlechte schulische Ausbildung sowie die Weigerung vieler (eingeborener) Amerikaner, bestimmte Jobs noch zu erledigen.

Also das Haushaltsdefizit ist eine der geringeren Sorgen in den USA. Eher bedenklich ist ihre Gesamtverschuldung auf Bundesebene, was zwar damit zusammen hängt, aber bei entsprechenden Wachstumszahlen auch nicht schlimm wäre. Solange die Welt geglaubt hat die USA wachsen, haben sie gern da ihr Geld angelegt. Es wird halt ein Problem, wenn die USA die niedrigen europäischen Wachstumsraten und die hohe europäische Arbeitslosigkeit bekommen, aber trotzdem weiter wie bisher über ihren Verhältnissen leben wollen.
Aber das Haushaltsdefizit der USA kann bzw. wird sicher auch durch wirtschaftlichen Druck gesenkt, die Strukturreformen müssen aber politisch durchgesetzt werden - und da fehlt den USA aktuell Potential. Vielleicht kann es ja Obama in einer zweiten Amtszeit mit einem demokratischen Senat, aber ich sehe noch nicht, dass es dazu kommt. Und Obama hat bisher eher enttäuscht.

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08.12.2011, 05:39

haushaltssparpläne -- immer auf die kleinen
geld drucken/inflation -- wenigstens keine chance, dass das grosskapital wiedereinmal in angenehmere gefilde wandert . (riester ect ist eh nur verarsche)

werd eh langsam zum kommi.

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08.12.2011, 09:22

Auf das Haushaltsdefizit?


Nein die negative handelsbilanz. die wurde ja immer angeprangert... neben dem hohen haushaltsdefizit. wobei ich ehrlich gesagt immer dachte, dass das irgendwie auch zusammenhängen müsste.





Eher auf viel zu hohe Ausgaben fürs Militär, 2 teure Kriege, ein Gesundheitssystem, was die Unternehmen recht stark belastet, eine marode Infrastruktur und in der Breite eine recht schlechte schulische Ausbildung sowie die Weigerung vieler (eingeborener) Amerikaner, bestimmte Jobs noch zu erledigen


das mit dem gesundheitssystem wundert mich jetzt ein wenig. bis vor kurzem hatten die doch gar keins oder? das mit der ausbildung und den kriegen mag stimmen. schlägt aber letztendlich wieder auf den haushalt durch. ob die kohle nun für militär oder sonstewas ausgegeben (also nicht invenstiert in infrastruktur etc) wird, es wird zum haushaltsproblem, weil es quasi ab durch den kamin geht.

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08.12.2011, 09:24

Haushaltssparpläne treffen nicht wirklich die Kleinen - die sind durch staatliche Transfers abgesichert, da dürfte in Deutschland auch kaum gekürzt werden. Die gehobene Mittelschicht wird vor allem bluten. Allerdings trifft Inflation gerade die Transferempfänger, weil die Transfers nominal sind und natürlich nur sehr langsam an Inflation angepasst werden. Rentner haben dieses Problem wegen der Rentenanpassung an die Nominallöhne auch nur bedingt. Allerdings werden sie meitstens Vermögenswerte halten, welche anfälliger für Inflation sind.

Die richtig reichen immunisieren ihr Vermögen auch ganz gut gegen Inflation, wer Grund und Boden, Immobilien oder Aktien hat, braucht da keine große Angst zu haben. Wer Anleihen oder ein Tagesgeldkonto hat, der verliert vor allem durch Inflation.
Hinzu kommen die volkswirtschaftlichen Kosten. Aufgrund der Unsicherheit über die künftige Inflationsrate bzw. einen sehr niedrigen Realzins wird sehr wenig gespart. Dies betrifft dann auch Investitionen. Wenn man weiß, dass die letzten 3 Jahren deutsches Wirtschaftswachstum auch sehr stark durch Investitionen getragen wurde, dann erkennt man die Probleme.

Zudem finde ich es unfair, wenn die Lebensarbeitsleistung von normalen Menschen, d.h. ihre Ersparnisse für ihren Ruhestand, durch Inflation aufgefressen werden. Dies hat imho das Potential große soziale Unruhen zu schaffen.

Bei 2% Inflation ist real nach 35 Jahren nur noch die Hälfte der Kaufkraft da. Bei 3,5% Inflation wäre dies schon nach nur 20,15 Jahren soweit, bei 4,5% schon nach rund 15,75 Jahren.
Aktuell haben wir in Deutschland ca. 2,4% Inflation, aber (noch) niedrigere Inflationserwartungen von ca. 1,5% (implizit in den Preisen). Aber ich denke diese niedrigen Erwartungen werden nicht realisiert werden, die Suche nach sicheren Anleihen verzerrt hier.

Weil immer mal die Frage aufkommt, ich denke mittelfristig werden wir zumindest in Deutschland kein Problem mit Inflation bekommen. Gerade wenn wir in einen Abschwung hinein geraten, werden wir in Deutschland unser aktuelles Niveau halten oder wieder Richtung 2% rutschen. Dies gilt natürlich nur vorbehaltlich der aktuellen Politik der Euro-Rettung.
das mit dem gesundheitssystem wundert mich jetzt ein wenig. bis vor kurzem hatten die doch gar keins oder? das mit der ausbildung und den kriegen mag stimmen. schlägt aber letztendlich wieder auf den haushalt durch. ob die kohle nun für militär oder sonstewas ausgegeben (also nicht invenstiert in infrastruktur etc) wird, es wird zum haushaltsproblem, weil es quasi ab durch den kamin geht.

Natürlich hatten sie ein Gesundheitssystem, nur halt ein privates, d.h. die Verträge waren ziemlich an den Arbeitsplatz gekoppelt. Ansonsten gibt es in den USA seit 1965 Medicare für Senioren und Menschen mit Behinderung, was ein staatliches Gesundheitssystem ist. Medicaid entstand auch 1965 und ist das staatliche Gesundheitsprogramm für die sehr Einkommensschwachen Bevölkerungsschichten. Also alle Schauergeschichten über die USA stimmen ja nun auch nicht...
Und Ausgaben für Infrastruktur gehen gerade in den USA nicht durch den Kamin, sondern dürften da noch die Wirtschaft ankurbeln. Bei den Ausgaben für Militär ist dies nicht so sicher, zumal es da kaum Marktpreise gibt und so riesige Ineffizienz herrscht. Zudem beflügeln die Militärausgaben nicht noch andere Wirtschaftszweige, wie es die Infrastruktur tut.

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »AtroX_Worf« (08.12.2011, 09:31)


11

08.12.2011, 09:55


Zudem finde ich es unfair, wenn die Lebensarbeitsleistung von normalen Menschen, d.h. ihre Ersparnisse für ihren Ruhestand, durch Inflation aufgefressen werden. Dies hat imho das Potential große soziale Unruhen zu schaffen.


ACH? und welches System ist dagegen sicher? Das Umlagesystem, welches Du immer als Mumpitz abtust, weil wir ja sicheres und ewiges Wachstum haben und nieeee was dazwischen kommt.






Und Ausgaben für Infrastruktur gehen gerade in den USA nicht durch den Kamin,


Genau das schrieb ich doch ;). "also nicht invenstiert in infrastruktur etc)" ;)

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08.12.2011, 09:56

hier
auf Seite V kann man erkennen wie teuer das amerikanische Gesundheitssystem ist.

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08.12.2011, 10:03

aua. offenbar pumpen sie ja schon geld rein. nur scheint da viel zu versumpfen ?(

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08.12.2011, 10:04

thx@fleischi

@Borgg: Ja, das amerikanische System ist von den Leistungen eigentlich ganz gut, vor allem für die gehobene Mittelschicht. Nur es ist auch sehr teuer. Zum einen gibt es da keine wirksamen Begrenzungen bei Pharmaka etc., dafür ist die Innovationskraft dieser Unternehmen aber auch hoch.

Und noch was zu Target 2 und wie die Amis es mit ihrem Fedwire-System besser machen:
FAZ: Notenbanken - Das Fed-System ist vor regionalen Schuldenkrisen abgeschirmt

Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »AtroX_Worf« (08.12.2011, 10:31)


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08.12.2011, 10:23

ehrlich gesagt verstehe ich den inhalt des artikels nicht. fehlt mir zuviel fachwissen für. was mich interessiert: das hört sich immer nach theoretischen modellen an. werden die eigentlich mal durchsimuliert? oder wie werden die validiert?

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08.12.2011, 10:32

Welches Artikels? Des ersten?

Ansonsten werden die Modelle meistens mit historischen Daten so ne Art backgetestet. Ist halt ne spezielle Methodologie und damit auch Methodik in den Wirtschaftswissenschaften, da man keine Experimente machen kann. Man schaut sich bestimmte Aktionen und darauf folgende Reaktion an, grob gesprochen.

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08.12.2011, 10:41

den artikel zum target2, den amerikanischen regionalen feds
(wusste ich vorher garnicht, ich dachte es gibt nur die eine große)
und diesem komischen ausgleichen.

eine freundin (die hat int. management studiert) meine mal zu mir, sie sei der meinung dass irgendwie alle bei allen schulden haben. man könne wohlmöglich bei allen schulden einen erheblichen sockelbetrag mal komplett weg kürzen (wie bei dem witz mit dem 100€ schein beim griechen, der einmal im kreis rum geht). muss ich mir das mit dem ausgleichen da so ähnlich vorstellen?

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08.12.2011, 10:48

Eigentlich nicht, die Target2-Salden sind ja schon saldiert, d.h. Deutschland hat wirklich ca. 466 Milliarden Forderungen an andere Euro-Notenbanken bzw. letztlich an die ECB, die PIIGS-Staaten in Summe ca. das gleiche in negativ. ^^
Die Target2-Salden sind also nur die reinen netto-Beträge, die übrig bleiben, zumindest bei Fristen über einen Monat oder so.

Ein Beispiel für die Funktionsweise findest du hier:

Zitat

FAZ: Bundesbank - Misstrauen lähmt den Geldverkehr
Über Target-2 werden Zahlungen in Zentralbankgeld abgewickelt. Eine solche Zahlung wird zum Beispiel dadurch ausgelöst, dass ein Bauer - sagen wir aus Irland - einen Traktor in Deutschland bestellt und bezahlen will. Er wird seine Bank anweisen, das Geld dem Lieferanten in Deutschland auf dessen Bankkonto zu überweisen. Die beiden Banken werden untereinander alle derartigen Zahlungen verrechnen und nur den Restbetrag begleichen. Die dafür erforderliche Zahlung wird die irische Bank, sofern sie nach der Aufrechnung noch eine Schuld gegenüber der deutschen hat, üblicherweise über Target-2 erledigen, wobei - ähnlich wie bei den Geschäftsbanken - gegenläufige Zahlungen unter den Notenbanken verrechnet werden und nur die Restbeträge beglichen werden.

Dafür ist Zentralbankgeld erforderlich. Entweder hat die Geschäftsbank des irischen Bauern im genannten Beispiel noch ein Guthaben bei der irischen Notenbank, oder sie muss sich Geld leihen. Durch ein solches Leihgeschäft, wie die Euro-Notenbanken es mindestens einmal in der Woche den Geschäftsbanken anbieten, entsteht für die irische Geschäftsbank ein Guthaben auf dem Konto und zugleich die Verpflichtung zur Rückzahlung. Für die Notenbank ist das Guthaben eine Verpflichtung zur Auszahlung von Zentralbankgeld, und dem steht die Forderung zur Rückzahlung des Finanzierungsgeschäfts durch die Geschäftsbank gegenüber.
...
Durch die Target-Zahlung wird nun folgende Kette von Verpflichtungen in Gang gesetzt: Das Geld fließt über die irische Notenbank zur EZB, von dort zur Bundesbank, die schreibt es der deutschen Geschäftsbank auf ihrem Konto bei der Bundesbank gut. Nun hat die deutsche Geschäftsbank durch das Guthaben eine Forderung auf Auszahlung von Zentralbankgeld gegen die Bundesbank, die Bundesbank eine Forderung gegen die EZB, diese eine Forderung gegen die irische Notenbank, die eine Forderung gegen die irische Geschäftsbank hält.

Man muss aber sagen, dies ist auch für Betriebswirte nicht so einfach zu verstehen, hat man dazu keine spezielle Vorlesung gehabt. Als Volkswirt hat man es schon eher mal gehört.
Ansonsten frag ruhig, was du nicht verstehst.

Ansonsten stimmt das "wegkürzen", wenn die Target2-Salden bei der ECB mal wieder ausgeglichen werden würden. Dann würde es sich tatsächlich alles wegheben. Nur dies geschieht in den letzten Jahren eben nicht. Also der Target2 für ein Land ist schon saldiert, für den gesamten Euro-Raum muss am Ende natürlich im Saldo 0 rauskommen.

19

08.12.2011, 10:58

muss ich mir mal abends in ruhe durchlesen. das geht jetzt hier auf arbeit nicht so nebenbei. also ja... geht schon. aber ich hab anderes zu tun ;).

mal eine ganz allgemeine frage, die du evtl auch beantworten kannst: Mal angenommen mal will später in der wirtschaft arbeiten und nicht nur als reiner ingenieur/informatiker gelten (ich promoviere gerade in diesem Bereich - nichts hochtrabendes aber es kommt halt am ende ein ehrlicher Dr. raus. ;) ). Man will sich also noch "wirtschaftskompetenz" aneignen. Was würdest du empfehlen?
Leider ist es ja so, wenn ich einfach 2-3 schlaue bücher lese, weiß ich zwar evtl viel, nur "glaubt" es mir keiner. In Deutschland braucht man ja immer einen Zettel mit Stempel und Siegel drauf. Was man wirklich kann ist ja beim Erstkontakt eher irrelevant :(. Es sollte etwas sein, was man nicht "haupttätig" nochmal 1,2 oder 3 Jahre macht. Also ein richtiges Studium kommt nicht in frage.

20

08.12.2011, 14:42

@deine Frage: beantworte ich später mal.

@topic: Draghi senkt den Leitzins um 25 Basispunkte auf 1,0%. Und das bei ca. 3% Inflation im Euro-Raum. Eigentlich hatte ich von Draghi bis jetzt eine fachlich hohe Meinung - aber jetzt nimmt er seinen Auftrag nicht mehr ernst. Die ECB ist alleine für Geldwertstabilität zuständig und nicht für Wirtschaftswachstum. Das ist nicht ihr Mandat, ob man das nun gut findet oder nicht, im Unterschied zur FED. Aber dann soll er sich auch nur um Preisstabilität kümmern. ?(

21

08.12.2011, 14:45

Das Rettungspaket wurde abgefangen :D

22

08.12.2011, 15:23

Was meinst du damit? Das der ESM keine Banklizenz bekommt?

Noch ein beunruhigender Artikel, wieder über Target2:
DMN: Euro-Krise: Der Bundesbank geht die Luft aus

Zitat

Die Bundesbank kann das TARGET System nicht mehr mit Geld versorgen.
Damit wird nach Einschätzung der beiden Ökonomen der Zusammenbruch des Euro-Systems zu einer „sich selbst erfüllenden Prophezeiung“. In normalen Zeiten könnten Banken in Europa der Bundesbank Geld borgen. Wenn jedoch zu viele Banken in einer Kapitalflucht ihr Geld aus den schwächeren Euro-Ländern abziehen, dann bricht das TARGET-System zusammen. Die Folge: „Eine spekulative Attacke könnte innerhalb eines Tages geschehen, und die EZB müsste das attackierte Land komplett retten. Weil aber die EZB eine relative schwache Kapitalbasis hat, wäre sie nicht in der Lage, die große Zahl an Papieren von jenem Land zu kaufen, welches attackiert wird.“

Attacken dieser Art sind bei Spekulanten sehr beliebt: Im Jahr 1992 brachten George Soros (heute Förderer von OWS) und andere die Bank of England mit einer solchen in Bedrängnis. Auch die BoE hatte unterschätzt, wieviel Geld der damals laufende Prozess der europäischen Einigung nach dem Niedergang des Ostblocks verschlingen würden.

Diese Attacke kann nach Einschätzung von Tornell und Westermann und durch drei Maßnahmen aufgehalten werden: Anwerfen der Druckerpresse durch die EZB, Ausgabe von Eurobonds oder Rettung der attackierten Staaten durch den IWF. Jeder einzelne dieser Schritte würde jedoch nur bedeuten, dass die Eurozone Zeit gewinnt. Wenn das Problem nicht von Grund auf behoben wird, werde die Lösung „sehr teuer für den Steuerzahler“ werden.

Jetzt erklärt sich auch folgendes:

Zitat

Spiegel-Online: Euro-Gipfelpläne - IWF soll Krisenstaaten mit 150 Milliarden helfen
Indem Notenbanken Geld an den IWF zahlen, umgehen die Euro-Länder ein Verbot. Denn den Notenbanken selbst sind direkte Zahlungen an Staaten untersagt. Früheren Plänen zufolge soll der IWF das Geld an Krisenländer weiterreichen, die vom Kapitalmarkt abgeschnitten sind oder sich nur zu enormen Kosten refinanzieren können.

Für mich bleibt unklar, wo das Geld herkommen soll. Wenn die Deutsche Bundesbank Probleme mit den Assets hat, dann wird sie wohl kaum 27% dieser 150 Milliarden Euro beisteuern können. Man könnte versuchen es über nationale Anleihen zu machen, die direkt die deutsche Staatsschuld erhöhen - aber soviel Geld muss man am Kapitalmarkt erstmal einsammeln. Immerhin würde dafür ein niedriger Leitzins helfen. ^^

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »AtroX_Worf« (08.12.2011, 17:40)


23

08.12.2011, 15:43

Zu TARGET:
Hab ich das richtig verstanden?
Target Schulden sind innereuropäische Schulden.

Somit gehört das Geld Privatleuten bzw. Geschäftsbanken. Diese haben es der Bundesbank geliehen, die es wiederum der EZB leiht, die es wiederum einer anderen Landeszentralbank leiht die es dann an dortige Privatleuten bzw. Geschäftsbanken weiterreicht.
Wenn nun die Institution EZB mit dem Euro untergehen würde wären diese Forderungen dahin und der Steuerzahlen müsste zu 1/3? für die Schulden der Bundesbank bei den Privaten bzw. Geschäftsbanken aufkommen.
Folge richtig würde dies bedeuten dem deutschen Volk würden ca 450 Milliarden genommen?

25

08.12.2011, 16:17

die Seite ist ja wie so ne Art Wirtschafts-Bild :D
Hab mal paar Artikel bzw deren Überschriften überflogen :respekt:

26

08.12.2011, 16:25

Naja, manche Artikel haben schon etwas Substanz. ;)

Das hier könnte auch interessant sein: Vergleich HW Sinn und ECB
Man muss allerdings dazu sagen, Hans-Werner Sinn hat seine missverständlichen/falschen Äußerungen von vor ein paar Monaten korrigiert. Jetzt schreibt er, dass die Deutsche Bundesbank die Target2-Forderungen letztlich gegenüber die ECB hat - und da selbst mit 27% drin steckt. Dies bedeutet, Deutschland müsste 27% aller nicht ausgeglichenen Target2-Forderungen aller Euro-Ländern zahlen - nur aktuell steht eigentlich nur die Deutsche Bundesbank mit so hohen Target2-Forderungen da, weil Deutschland eben viel exportiert.

Gerade ist in der wirtschaftswissenschaftlichen Community, vor allen in Blogs, aber auch in Artikeln und sogar in Papern, ein Streit über Target2 entbrannt. Auf Spiegel-Online bzw. FAZ bekommt man nur die Spitze des Eisbergs mit. ^^
Eine der Fragen dabei ist, wann zu hohe Target2-Salden schädlich werden könnten. Eine andere Frage betrifft die Sicherung von Bundesbank-Geld mit Assets bzw. vice versa.

Bei näherer Betrachtung sind einige Argumente aus dieser DeutschenMittelstandsNachrichten wohl doch nicht so ganz richtig. Ich hab mir das zugrundeliegende Paper aber nicht durchgelesen, nur man sollte da halt vorsichtig sein.

€dit: Ich hab die Grafik oben mal wieder raus genommen, die Aussage darauf ist wohl falsch. Alle nationalen Notenbanken hatten in der EU in den letzten Jahren alle Wünsche von Geschäftsbanken nach Geld immer erfüllt. Wenn die blaue Linie also nach unten geht, dann kommt dies durch die gesunkene Nachfrage zustande, nicht jedoch durch eine bewusste Notenbankentscheidung.
Was ich jetzt nicht Überblicke ist, dass die ganzen Anleihenaufkäufe der ECB bzw. durchgeführt von den nationalen Notenbanken (die müssen das machen) ja sterilisiert worden sein sollen, d.h. dass man versucht hat die dabei entstehende Geldmenge an anderer Stelle wieder abzuschöpfen. Dabei könnte sich die deutsche Bundesbank wirklich mit Geschäftsbanken Verschulden und müsste dafür eigene Assets hinterlegen. Das kann sie natürlich nur solange machen, wie sie da noch Reserven hat - so versteh ich es zumindest aktuell.
Bin ja nun auch nicht in der Geldtheorie zuhause. :P Aber nur um mal meine im Nachhinein etwas missverständlichen Quotes von oben wieder etwas zurecht zu rücken. Besonders, was diese "Wirtschaftsbild" so schreibt. :P

Dieser Beitrag wurde bereits 5 mal editiert, zuletzt von »AtroX_Worf« (08.12.2011, 17:59)


27

08.12.2011, 20:15

tl;dr

kurz gefragt: soll ich schnell mein ganzes geld für koks und nutten ausgeben oder ist das nächstes jahr auch noch was wert?

€: oder wahlweise in konservendosen und munition

28

08.12.2011, 20:52


Gerade ist in der wirtschaftswissenschaftlichen Community, vor allen in Blogs, aber auch in Artikeln und sogar in Papern, ein Streit über Target2 entbrannt. Auf Spiegel-Online bzw. FAZ bekommt man nur die Spitze des Eisbergs mit. ^^
Eine der Fragen dabei ist, wann zu hohe Target2-Salden schädlich werden könnten. Eine andere Frage betrifft die Sicherung von Bundesbank-Geld mit Assets bzw. vice versa.


Eure Wissenschaft sollte sich da mal wirklich mit der Informatik/Simulation kurz schließen. Da muss man doch Modelle entwerfen können mit denen man mal verschiedenste Szenarios durchprobiert.

29

08.12.2011, 22:58

tl;dr

kurz gefragt: soll ich schnell mein ganzes geld für koks und nutten ausgeben oder ist das nächstes jahr auch noch was wert?

€: oder wahlweise in konservendosen und munition


2012 ist doch eh schluss also eher ersteres