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FAZ: 16 Wege aus der Krise - Sorge um Deutschland und Europa
Deutschland war nicht der Gewinner des Euro, wie manche Politiker behaupten, sondern profitiert vom Freihandel. Der riesige Kapitalexport aus Deutschland in die Defizitländer, den der Euro mit sich brachte, ist eine wesentliche Ursache dafür, dass Deutschland lange Zeit die niedrigste Nettoinvestitionsquote aller OECD-Länder hatte, beim Wachstum die rote Laterne trug und eine Massenarbeitslosigkeit durchlebte, die die Regierung Schröder zu schmerzlichen Sozialreformen zwang. Vom Beginn der Zinskonvergenz, die schon im Jahr 1995 durch die Ankündigung des Euro eingeleitet wurde, bis zum Jahr 2007, dem letzten Jahr vor der Krise, war Deutschland vom dritten auf den elften Platz beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der EU-Länder zurückgefallen. Die These, dass Deutschland in besonderer Weise vom Euro profitiert habe, ist angesichts dieser Fakten nicht haltbar.
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Die Finanzierungshilfen der EZB sind in ihrem Kern nicht geld-, sondern fiskalpolitischer Natur. Zum einen werden ja die Effekte auf die Geldmenge, wie die EZB selbst immer wieder betont, sterilisiert. Zum anderen verlagern diese Hilfen in riesigem Umfang Kapital und damit einhergehend Vermögensrisiken zwischen den Staaten der Eurozone. Sie hätten der Kontrolle der Parlamente bedurft.
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Deutschland sitzt mit seinen Target-Forderungen in der Falle und käme aus dem Euro auch dann nicht mehr ungeschoren heraus, wenn es das wollte, denn geht der Euro zu Bruch, stehen etwa 500 Milliarden Euro an Forderungen gegen eine Institution im Raum, die es nicht mehr gibt. Unser Land ist durch den freien Zugang zur Notenpresse, den der EZB-Rat den überschuldeten Ländern verschafft hat, erpressbar geworden.
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Die Übernahme der Haftung in solch riesigem Ausmaß wird Unfrieden in Europa erzeugen. Sie wird eine Transferunion erzwingen, die eine schleichende Enteignung der deutschen Sparer bedeutet und das Vertrauen in die staatliche Ordnung unterminiert.
Wir befürchten, dass das, was wir sehen, erst der Anfang ist. Die Staatsschulden der Krisenländer (Griechenland, Irland, Italien, Portugal, Spanien) liegen derzeit bei 3,35 Billionen Euro. Systeme zu etablieren, die den Weg in die Ausweitung der Haftung möglich machen, halten wir für unverantwortlich. Dem darf die Bundesregierung nicht zustimmen.
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Zum anderen könnte die Notenbank ihr eigentliches Mandat, Geldwertstabilität zu sichern, nicht mehr erfüllen, weil die Anreize, in Zukunft tragfähige öffentliche Haushalte vorzulegen, noch weiter geschwächt werden. Die wachsenden Schuldenlasten würden im Verein mit den heute schon riesigen Target-Schulden einen immer stärkeren politischen Druck zur Flucht in die Inflation hervorrufen, dem sich die Notenbank im Endeffekt nicht wird widersetzen können.
Geldwertstabilität ist aber eine Grundvoraussetzung für den inneren Frieden einer Gesellschaft und auch für die Zukunft der Währungsunion.
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Die Politik bewegt sich derzeit in die Richtung immer größerer Rettungssummen und glaubt, sie könne sich vor einem Missbrauch schützen, indem sie den Nehmerländern Auflagen macht, die den Entscheidungsspielraum der dortigen politischen Instanzen verringern. Das schafft Unfrieden, weil unpopuläre Maßnahmen dem Helfer zugerechnet werden und nicht den eigenen Fehlern. Deutschland und Europa geraten immer mehr in eine Rolle des Sündenbocks und werden die Zielscheibe von demagogischen Attacken.
Besser als Verhaltensvorschriften zu machen, ist es, die Rettungsmittel zu begrenzen. Nur dann kann man den Mittelweg glaubhaft beschreiten. Man muss in diesem Fall aber zulassen, dass Länder, denen die nur begrenzt zur Verfügung stehenden Hilfsmittel nicht reichen und die zur Erlangung ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu großen Preissenkungen ausgesetzt wären, aus der Währungsunion austreten.
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Die Politik hofft, dass sich Schuldendisziplin auch im Falle einer gemeinschaftlichen Haftung für die Schulden durch politische Schuldenschranken im Zuge einer Fiskalunion erreichen lässt. Nach den Erfahrungen mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt halten wir diese Hoffnung für verfehlt. Politische Schuldenschranken sind zwar nicht schädlich. Doch ist die Zeit, als es darum ging, übermütige Gläubiger und Schuldner zu bändigen, lange vorbei. Die Kapitalmärkte sind heute ohnehin nicht mehr bereit, alle Finanzierungswünsche der Krisenländer zu erfüllen, und deshalb kommt der ausländische Kredit im Wesentlichen über die Instrumente der Gemeinschaftsfinanzierung zustande.
Auf das Haushaltsdefizit?
Eher auf viel zu hohe Ausgaben fürs Militär, 2 teure Kriege, ein Gesundheitssystem, was die Unternehmen recht stark belastet, eine marode Infrastruktur und in der Breite eine recht schlechte schulische Ausbildung sowie die Weigerung vieler (eingeborener) Amerikaner, bestimmte Jobs noch zu erledigen
das mit dem gesundheitssystem wundert mich jetzt ein wenig. bis vor kurzem hatten die doch gar keins oder? das mit der ausbildung und den kriegen mag stimmen. schlägt aber letztendlich wieder auf den haushalt durch. ob die kohle nun für militär oder sonstewas ausgegeben (also nicht invenstiert in infrastruktur etc) wird, es wird zum haushaltsproblem, weil es quasi ab durch den kamin geht.
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »AtroX_Worf« (08.12.2011, 09:31)
Zudem finde ich es unfair, wenn die Lebensarbeitsleistung von normalen Menschen, d.h. ihre Ersparnisse für ihren Ruhestand, durch Inflation aufgefressen werden. Dies hat imho das Potential große soziale Unruhen zu schaffen.
Und Ausgaben für Infrastruktur gehen gerade in den USA nicht durch den Kamin,
Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »AtroX_Worf« (08.12.2011, 10:31)
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FAZ: Bundesbank - Misstrauen lähmt den Geldverkehr
Über Target-2 werden Zahlungen in Zentralbankgeld abgewickelt. Eine solche Zahlung wird zum Beispiel dadurch ausgelöst, dass ein Bauer - sagen wir aus Irland - einen Traktor in Deutschland bestellt und bezahlen will. Er wird seine Bank anweisen, das Geld dem Lieferanten in Deutschland auf dessen Bankkonto zu überweisen. Die beiden Banken werden untereinander alle derartigen Zahlungen verrechnen und nur den Restbetrag begleichen. Die dafür erforderliche Zahlung wird die irische Bank, sofern sie nach der Aufrechnung noch eine Schuld gegenüber der deutschen hat, üblicherweise über Target-2 erledigen, wobei - ähnlich wie bei den Geschäftsbanken - gegenläufige Zahlungen unter den Notenbanken verrechnet werden und nur die Restbeträge beglichen werden.
Dafür ist Zentralbankgeld erforderlich. Entweder hat die Geschäftsbank des irischen Bauern im genannten Beispiel noch ein Guthaben bei der irischen Notenbank, oder sie muss sich Geld leihen. Durch ein solches Leihgeschäft, wie die Euro-Notenbanken es mindestens einmal in der Woche den Geschäftsbanken anbieten, entsteht für die irische Geschäftsbank ein Guthaben auf dem Konto und zugleich die Verpflichtung zur Rückzahlung. Für die Notenbank ist das Guthaben eine Verpflichtung zur Auszahlung von Zentralbankgeld, und dem steht die Forderung zur Rückzahlung des Finanzierungsgeschäfts durch die Geschäftsbank gegenüber.
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Durch die Target-Zahlung wird nun folgende Kette von Verpflichtungen in Gang gesetzt: Das Geld fließt über die irische Notenbank zur EZB, von dort zur Bundesbank, die schreibt es der deutschen Geschäftsbank auf ihrem Konto bei der Bundesbank gut. Nun hat die deutsche Geschäftsbank durch das Guthaben eine Forderung auf Auszahlung von Zentralbankgeld gegen die Bundesbank, die Bundesbank eine Forderung gegen die EZB, diese eine Forderung gegen die irische Notenbank, die eine Forderung gegen die irische Geschäftsbank hält.
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Die Bundesbank kann das TARGET System nicht mehr mit Geld versorgen.
Damit wird nach Einschätzung der beiden Ökonomen der Zusammenbruch des Euro-Systems zu einer „sich selbst erfüllenden Prophezeiung“. In normalen Zeiten könnten Banken in Europa der Bundesbank Geld borgen. Wenn jedoch zu viele Banken in einer Kapitalflucht ihr Geld aus den schwächeren Euro-Ländern abziehen, dann bricht das TARGET-System zusammen. Die Folge: „Eine spekulative Attacke könnte innerhalb eines Tages geschehen, und die EZB müsste das attackierte Land komplett retten. Weil aber die EZB eine relative schwache Kapitalbasis hat, wäre sie nicht in der Lage, die große Zahl an Papieren von jenem Land zu kaufen, welches attackiert wird.“
Attacken dieser Art sind bei Spekulanten sehr beliebt: Im Jahr 1992 brachten George Soros (heute Förderer von OWS) und andere die Bank of England mit einer solchen in Bedrängnis. Auch die BoE hatte unterschätzt, wieviel Geld der damals laufende Prozess der europäischen Einigung nach dem Niedergang des Ostblocks verschlingen würden.
Diese Attacke kann nach Einschätzung von Tornell und Westermann und durch drei Maßnahmen aufgehalten werden: Anwerfen der Druckerpresse durch die EZB, Ausgabe von Eurobonds oder Rettung der attackierten Staaten durch den IWF. Jeder einzelne dieser Schritte würde jedoch nur bedeuten, dass die Eurozone Zeit gewinnt. Wenn das Problem nicht von Grund auf behoben wird, werde die Lösung „sehr teuer für den Steuerzahler“ werden.
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Spiegel-Online: Euro-Gipfelpläne - IWF soll Krisenstaaten mit 150 Milliarden helfen
Indem Notenbanken Geld an den IWF zahlen, umgehen die Euro-Länder ein Verbot. Denn den Notenbanken selbst sind direkte Zahlungen an Staaten untersagt. Früheren Plänen zufolge soll der IWF das Geld an Krisenländer weiterreichen, die vom Kapitalmarkt abgeschnitten sind oder sich nur zu enormen Kosten refinanzieren können.
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »AtroX_Worf« (08.12.2011, 17:40)
Dieser Beitrag wurde bereits 5 mal editiert, zuletzt von »AtroX_Worf« (08.12.2011, 17:59)
Gerade ist in der wirtschaftswissenschaftlichen Community, vor allen in Blogs, aber auch in Artikeln und sogar in Papern, ein Streit über Target2 entbrannt. Auf Spiegel-Online bzw. FAZ bekommt man nur die Spitze des Eisbergs mit. ^^
Eine der Fragen dabei ist, wann zu hohe Target2-Salden schädlich werden könnten. Eine andere Frage betrifft die Sicherung von Bundesbank-Geld mit Assets bzw. vice versa.