Wie habt ihr in der DDR gelebt?
Ich bin 1978 in Leipzig geboren und habe bis zum Mauerfall nur die DDR aus Sicht eines Kindes erlebt. Und es war phantastisch. Gemeinschaft und Interesse für die anderen wurde gefördert. Es gab jedes JAhr vom Betrieb organisierte Ferienlager für die Kinder vom Betrieb. Man hatte viele Freunde.
Die Sportförderung stand an oberste Stelle. Die DDR hat sich ja auch gerade durch den Sport versucht, sich einen Namen zu machen. In der Schule gab es eine Art Hall of Fame - eine Wand mit Ergebnissen von Sportwettkämpfen der Schüler. Da gab es eine komplizierte Rechnung, womit auch die Ergebnisse unterschiedlicher Klassenstufen verglichen werden konnten. Wenn da Täfelchen mit seinem Namen angebracht waren, war man sehr stolz

Die Talentföderung in der DDR war einzigartig und ist nur mit der Förderung in der damaligen UDSSR und USA zu vergleichen...
Auch gab es Klassenwettkämpfe, wenn es um Altpapiersammeln ging. Von zu Hause wurde alles Papier mitgenommen,was man tragen konnte. Das wurde dann in der Schule gewogen. Und die Klasse mit dem meisten Papier bekam eine Auszeichnung.
Die Gleichschaltung des Denkens funktionierte zumindest im Kindesalter noch ganz gut. Als Kind glaubt man alles, was da vorn der Lehrer erzählt. Bei mir machte sich das insofern bemerkbar, dass ich vorm Fernseher bei sportlichen Wettkämpfen immer den Freunden der UDSSR die Daumen drückte und nicht etwa den bösen Imperialisten aus der USA

Erst später beginnt man zu zweifeln und die Probleme mit dem System bekommt man erst, wenn die Schule sich dem Ende nähert. Zum Glück habe ich daher nur die gute Seite der DDR kennengelernt.
Die Demonsrationen habe ich live miterlebt. Vorallem weil ich mit meinen Eltern in der Nähe vom Stadtring wohnte, auf der die wöchentlichen berühmten Monstagsdemonstrationen stattfanden. Meine Eltern waren demonstrieren, natürlich anfangs ohne mich, da zu Beginn Angst herrschte, die Staatsgewalt könnte losschießen (wie in China). Ich war damals immer mit einem Kumpel unterwegs. Wir mussten nur die Straße, in der wir wohnten, an den Anfang gehen und man konnte auf den Ring schauen. Ich kann mich noch erinnern,dass wir uns auf immer (verbotenerweise) auf eine Fußgängerbrücke setzten und die Leute beobachteten, wie sie unter uns demonstrierten. Ich habe damals schon mitgekriegt, das da was Ungewöhnliches Gewaltiges vor sich geht, aber was das für meine Zukunft bedeutet, war mir nicht klar. Abends 20 Uhr wurde immer Tagesschau geguckt...
Sind eure Erwartungen nach dem Mauerfall erfüllt worden?
Gegen den Staat, so wie er existierte, zu protestieren, war damals mein innerstes Anliegen
Als 12-Jähriger bezweifle ich das doch sehr stark, eher ist das reine Heuchelei. Diese Person hat wohl im Nachhinein etwas reininterpretiert, was erst später entstand. Eher ist er mit Papa einfach mitgegangen und hat geglaubt, was er gesagt hat. "Innerstes Anliegen" ist ja wohl mehr als lächerlich. Als Kind hatte man noch keine Erwartungen oder zumindest keine richtigen. Für mich bedeutete die Einheit: Endlich Westsachen, nicht nur im Intershop. Haribos juhu. Und worauf ich mich am meisten gefreut habe, mir mein erstes Skateboard zu kaufen

Ich kann diese Frage also nicht wirklich beantworten.
Wie fühlt ihr euch nun? Sind ihr im geeinten Deutschland glücklicher? Warum? Warum nicht?
Was für eine Frage. Diese Frage stellt sich nicht. Deutschland ist wieder eins, wie es sich gehört. Ein Volk zu trennen, ist nicht gut. 40 Jahre Trennung haben sehr geschadet. Hitler hat viel Unglück über Deutschland gebracht, womit wir jetzt noch leben müssen. Was wäre gewesen,wenn dies alles nicht passiert wäre, das ist immer meine Frage. Z.B. wäre Leipzig eines der Metropolen in Deutschland, denn vor dem Krieg gehörte Leipzig neben Hamburg und Berlin zu den größten und wegen der Messe/Buchhandel auch zu den reichsten Städten

40 Jahre Misswirtschaft hat alles kaputt gemacht...

Was mich am unseren heutigen System jedoch stört, ist die gesellschaftliche und soziale Kälte. Jeder denkt nur an sich, ist ichbezogen. Das war früher in der DDR anders...