@Worf: und warum ist es gerechter, wenn ein reicher, der den Staat um das x-fache bescheißt als der mittelständige Handwerker, genau die gleiche oder geringere Strafe erhält, nur weil er vermögender ist? Da bin ich mal gespannt ...
Weil Gerechtigkeit eng mit Unabhängigkeit von speziellen Umständen einher geht, d.h. Invarianz bzgl. idiosynkratischer Merkmale. Dies erreicht man nur bei dimensionslosen Größen, d.h. bei Relationen von Merkmalen mit gleicher Einheit. So kommt man, ganz abstrakt, zum von mir genannten Prinzip der relativen Grenzen.
wenn ich im laden was klaue und 10.000 euro im monat verdiene dann ist das ok, aber wenn ich nur 1k im monat verdiene, ist das dann gefängniss.
tolle logik?
Steuerhinterziehung ist ein anderes Vergehen als Diebstahl, wo es im allgemeinen um klar umrissene physische Objekte geht. Natürlich ist es einfacher für einen Einkommensmillionär sich um 100€ bei der Steuer zu irren als für einen Postboten.
Und beim Hoeneß-Prozess finde ich schon leicht pervers, wie die Medien berichten. Klar, Hoeneß hätte zumindest die Unterlagen eher einreichen sollen. Aber wie kann es sein, dass die genaue Steuerschuld (modulo Grenzfällen umd en Jahreswechsel) nicht ermittel werden kann, sondern es nur Schätzungen dafür gibt?
Das perfide aus meiner Sicht ist, dass man als mit Wohnsitz in Deutschland mit seinem Welteinkommen aus Kapital in Deutschland steuerpflichtig ist. Man hat das Kapital in Deutschland ordnungsgemäß versteuert und arbeitet damit im Ausland. Jegliche Wertschöpfung fällt im Ausland an, aber man bleibt in Deutschland steuerpflichtig.
Dann geht es bei Hoeneß um sehr viele Kapitalmarkttransaktionen und Derivate-Handel. Da ist das deutsche Steuersystem sehr kompliziert und man kann kaum den Überblick behalten. Ich bin da auch kein Fachmann, aber man darf nicht alle Verluste gegen Gewinne verrechnen, sondern nur in bestimmten Klassen. Ansonsten bestehen Verrechnungsverbote.
Handelt man bspw. in Fremdwährung Aktien, so werden die Kursgewinne und Währungsgewinne getrennt versteuert. Bei Fristendifferenzen zwischen Aktien, Währungen etc. kann es dann schnell zu großen Steuerunterschieden kommen.
Hoeneß soll ja Ende 2008 einen Verlustvortrag von ca. 118,9 Mio. € gemacht haben. Das scheint auch rechtens gewesen zu sein. Nach eigenen Angaben hat Hoeneß mit seinen Spekulationen auch keine Gewinne gemacht. Die hohe Steuerschuld geht daher wohl explizit auf hohe Steuerforderungen auf Finanzderivate zurück, bei denen Gewinn und Verlust unparitätisch besteuert werden (d.h. ohne echten Verlustausgleich). Hier gibt es meines Wissens auch Unterschiede zwischen Privatpersonen und Unternehmen. Als Unternehmen hätte Hoeneß wohl mehr Verluste mit Gewinnen verrechnen können.
Hoeneß soll ja auch massiv mit Währungsfutures "gezockt" haben. Die kann man nach den Medienberichten über seinen Fall mit 5% "Pfand" handeln, d.h. er hat 500 Mio. € mit 25 Mio. € Einsatz gehandelt. Bei 500 Mio € Handelsvolumen kommen natürlich auch schnell hohe Gewinne/Verluste zusammen, wenn man oft tradet. Hoeneß soll in einigen Jahren mehr als 33.000 (Einzel)Trades gemacht haben. Ich kann mir schon vorstellen, dass man sehr schnell in diese Größenordnungen der Steuerschuld kommt, wenn man als Laie (und Privatperson) in diesen Größenordnungen handelt und die Steuerseite dabei nicht beachtet. Mit den reinem Handel macht er +/- 0 oder sogar nen leichten Verlust, aber durch eingeschränkte Verlustverrechnung muss er trotzdem hohe Steuern zahlen. Und hier geht es nicht nur um die Abgrenzung zwischen einzelnen Jahren.
Aber über diese (zugegebenermaßen recht komplizierte) Seite des Steuerfall Hoeneß liest man so gut wie nichts in den Medien. Wenn jemand dazu einen informativen Artikel kennt, gern hier posten.
Ich nehem Hoeneß daher auch ab, dass er sich um die Steuern nicht gekümmert hat in dem Glauben, eh keinen Nettogewinn gemacht zu haben.
Hätte Hoeneß seinen Hauptwohnsitz nach Österreich oder in die Schweiz gelegt (wie Schumi oder der Franz) und die Anwesenheitsregeln dafür erfüllt, dann wäre ihm der Prozess erspart geblieben. Muss man ja mal ganz nüchtern betrachten.
Und hätte er seine Geschäfte unter dem Dach eines Unternehmens gemacht, dann würde er jetzt wahrscheinlich keine so hohe Steuer schulden. Letzteres finde ich pervers.