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1

01.12.2009, 20:18

Verkaufsoffener Sonntag

boah ich rege mich gerade beim tagesschau-hören so auf.
Gerade kam ein Bericht, wonach Karlsruhe entschieden hat, dass die Berliner Regelung des Verkaufsoffenen Sonntags verfassungswidrig ist.

Die Berliner Regelung besteht aus 10 verkaufsoffenen Sonntagen, davon 4 an den 4 Adventssonntagen. Die Verfassungsrichter begründeten ihr Urteil u.a. mit der Religionsfreiheit und mit dem besonderen Schutz der Adventssonntage.

Wenn wir Relgionsfreiheit haben, dann bedeutet dies für mich, dass vor allem keine Einschränkungen mit speziellen Religion begründet werden können - es gibt ja auch die Freiheit von Religion.

Wer aus religiösen Gründen am Adventssonntag nicht arbeiten möchte, der soll dies individuell mit seinem Arbeitgeber bzw. seinen Kollegen abklären. Meinetwegen kann sowas auch in einen Tarifvertrag, aber auf keinen Fall in allgemeingültige Gesetze!

Schließlich gibt es andere Religionsgruppen, welche auch nicht unbedingt Freitags bzw. Samstags arbeiten wollen. Für diese Gruppen gibt es keinen speziellen Schutz wie für die christliche Religion. Da man diesen Schutz auch nicht durchbringen könnte, so darf wegen der Neutralität bzgl. jeder Religion keine Religion einen besonderen Schutz bekommen. Also kann man insbesondere dieses Urteil nicht mit speziell christlich-religösen Inhalten motivieren. Dies wurde aber gemacht, darum lehne ich, wegen der Urteilsbegründung, dieses Urteil ab.

Schade, dass man keinen Befangenheitsantrag bei den Bundesverfassungsrichtern bzgl. ihrer individuellen Religiosität hätte stellen können... ;)
Wann ist man eigentlich unbefangen bzgl. einer Religion? Ist man dies als Agnostiker bzw. als Atheist, oder ist dies auch kein hinreichendes Merkmal?

Überhaupt finde ich sowas wie "eingeschärnkte Ladenöffnungszeiten" Schwachsinn. Ist in etwa genauso sinnvoll wie die Buchpreisbindung.

2

01.12.2009, 20:26

Die haben schon Recht mit Ihrem Urteil, die Begründung ist mir da egal. Wenigstens 1 Tag in der Woche, wo Ruhe herrscht, kann man ja wohl verlangen.
Gleiches gilt auch für LKW Fahrverbot am Sonntag.

cu Alv

3

01.12.2009, 20:30

So sauber ist also Staat und Kirche getrennt in unserem Ländle. :D

Juzam

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4

01.12.2009, 20:30

und warum soll das nicht individuell von beruf zu beruf im tarif verhandelt werden? brauchts dazu ein gesetzt, dass einen bestimten tag sogar festlegt?

5

01.12.2009, 20:39

Zitat

Original von Randy Hicky
So sauber ist also Staat und Kirche getrennt in unserem Ländle. :D


hätte einem auch früher kommen können, wenn man auf den Namen unserer Regierungspartei schaut. Ich hab ja immer gesagt, die FDP sind nur die Kasperle, die immer vorgeschickt werden, wenns gerade eine kleine Lücke im Programm gibt. Aber Schwanz wedelt eben nie mit dem Hund. :bounce:

6

01.12.2009, 20:40

Die Begründung ging aber bewusst weg von der Kirche, hin zu einer sozialen Begründung: Wann wenn nicht am Sonntag haben mal alle Zeit sich zu treffen, soziale Verbindungen aufrecht zu erhalten. Ich bin prinzipiell kein Freund der Kirche, aber der Begründung des Gerichtsurteils kann ich nur zustimmen.
Und wenn das von Beruf zu Beruf festgelegt wird, dann haben eben alle an unterschiedlichen Tagen frei. Nur leider kann ich dann zum Beispiel meine Familie nicht mehr sehen.

7

01.12.2009, 20:41

Das ist doch den liberalen Spinnern egal. Die mag eh niemand.

8

01.12.2009, 20:45

Ist die Kirche auch mal zu was positiven gut :)

Das Sonntag geschlossen bleibt finde ich gut.

Wenn mal Sonntag zu einen normalen Arbeitstag geworden ist, könntest du ja auch nicht einkaufen, weil du in der Arbeit sitzt....

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »nC_Smaragd« (01.12.2009, 20:46)


9

01.12.2009, 21:17

Zitat

Original von Ede G
hätte einem auch früher kommen können, wenn man auf den Namen unserer Regierungspartei schaut. Ich hab ja immer gesagt, die FDP sind nur die Kasperle, die immer vorgeschickt werden, wenns gerade eine kleine Lücke im Programm gibt. Aber Schwanz wedelt eben nie mit dem Hund. :bounce:

Und was hat ein Urteil des Bundesverfassungsgericht mit der aktuellen Regierungspartei FDP zu tun?

Zitat

Original von GWC_Banshee_
Die Begründung ging aber bewusst weg von der Kirche, hin zu einer sozialen Begründung: Wann wenn nicht am Sonntag haben mal alle Zeit sich zu treffen, soziale Verbindungen aufrecht zu erhalten. Ich bin prinzipiell kein Freund der Kirche, aber der Begründung des Gerichtsurteils kann ich nur zustimmen.
Und wenn das von Beruf zu Beruf festgelegt wird, dann haben eben alle an unterschiedlichen Tagen frei. Nur leider kann ich dann zum Beispiel meine Familie nicht mehr sehen.

Ich zitiere aus dem Urteilstext:

Zitat

Bundesverfassungsgerichtsurteil: 1 BvR 2857/07, 1 BvR 2858/07
Die Sonntage in der Adventszeit nähmen einen hervorgehobenen Platz im Kirchenjahr ein und würden von den Kirchen traditionell auch entsprechend begangen. Das Berliner Ladenöffnungsgesetz beraube die Vorweihnachtszeit grundlegend ihres verfassungsrechtlichen Schutzes. Aufgrund des besonderen Gepräges der Adventssonntage würden durch die einschlägige Regelung die struktur- und typusbestimmenden Merkmale des verfassungsrechtlichen Sonntagsschutzes in ihrer religionsfördernden Komponente intensiv betroffen.

Da wird explizit auch mit dem (christlichen) Kirchenjahr argumentiert. Das Gericht verkennt meines erachtens, dass Religionsfreiheit eine individuelle Rechtsgarantie ist, deren individuelle Ausgetaltung demnach auch das Individuum braucht. Dies bedeutet, dass jeder Einzelne für sich durch entsprechende Organisation sicherstellen muss, dass sein Tagesablauf konform mit seinen religiösen Ansichten geht.
Insbesondere ist nciht einzusehen, dass im Namen einer Religion einschränkende Regelungen erlassen werden, welche auch Menschen betreffen, welche nciht an diese Religion glauben.

Man kann auch unabhängig von Religion für den Sonntagsschutz (bzw. für den Schutz eines ausgezeichneten Tages in der Woche) sein.
Der Advent ist aber ein christliches Ding und hat insbesondere nicht den speziellen Schutz eines Feiertags. Damit ist er für mich nicht allgemein schutzwürdig.

Meines erachtens kann das Bundesverfassungsgericht auch nicht auf eine rel. Mehrheit der Religionszugehörigkeit in Deutschland abstellen, sonst müsste es bald den besonderen Schutz des Ramadan beschließen.

10

01.12.2009, 21:19

Zitat

Original von AtroX_Worf
Meines erachtens kann das Bundesverfassungsgericht auch nicht auf eine rel. Mehrheit der Religionszugehörigkeit in Deutschland abstellen, sonst müsste es bald den besonderen Schutz des Ramadan beschließen.


Gleich kriegst Du von Edda!

11

01.12.2009, 21:24

Zitat

Original von Ede G

Zitat

Original von Randy Hicky
So sauber ist also Staat und Kirche getrennt in unserem Ländle. :D


hätte einem auch früher kommen können, wenn man auf den Namen unserer Regierungspartei schaut. Ich hab ja immer gesagt, die FDP sind nur die Kasperle, die immer vorgeschickt werden, wenns gerade eine kleine Lücke im Programm gibt. Aber Schwanz wedelt eben nie mit dem Hund. :bounce:


In Deutschland gibt es die Kirchensteuer, die glaube ich direkt von der Einkommenssteuer abgezogen wird. soviel zur trennung. Ich finde es wesentlich besser wie in Frankreich solche dinge geregelt sind

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Feanor« (01.12.2009, 21:25)


nC_Bogo

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12

01.12.2009, 21:30

Zitat

Original von Feanor

Zitat

Original von Ede G

Zitat

Original von Randy Hicky
So sauber ist also Staat und Kirche getrennt in unserem Ländle. :D


hätte einem auch früher kommen können, wenn man auf den Namen unserer Regierungspartei schaut. Ich hab ja immer gesagt, die FDP sind nur die Kasperle, die immer vorgeschickt werden, wenns gerade eine kleine Lücke im Programm gibt. Aber Schwanz wedelt eben nie mit dem Hund. :bounce:


In Deutschland gibt es die Kirchensteuer, die glaube ich direkt von der Einkommenssteuer abgezogen wird. soviel zur trennung. Ich finde es wesentlich besser wie in Frankreich solche dinge geregelt sind


die man ja aber auch umgehen kann, wenn man aus der kirche austritt.

13

01.12.2009, 21:32

Zitat

Original von royalbogo

Zitat

Original von Feanor
In Deutschland gibt es die Kirchensteuer, die glaube ich direkt von der Einkommenssteuer abgezogen wird. soviel zur trennung. Ich finde es wesentlich besser wie in Frankreich solche dinge geregelt sind

die man ja aber auch umgehen kann, wenn man aus der kirche austritt.

Wäre ja auch noch schöner, wenn man Kirchensteuer zahlen müsste, obwohl man nciht an den Verein glaubt. ^^

Also das ist ja wohl das mindeste, um nicht als komplette Bananenrepublik zu gelten.

14

01.12.2009, 21:34

Zitat

Original von AtroX_Worf
Und was hat ein Urteil des Bundesverfassungsgericht mit der aktuellen Regierungspartei FDP zu tun?


Es wurde von christlichen Richtern beschlossen und nicht von schnöden Jüngern des Mammon wie sie in der FDP vorzufinden sind. Roland Koch, unser moderner Friedrich Barbarossa ist eben überall. :bounce:

15

01.12.2009, 21:56

Es ist allerdings mit einem gewissen Aufwand verbunden

"Wer aus der Kirche austreten möchte, sucht die betreffende Behörde auf, weist sich dort aus und erklärt den Austritt durch die Unterzeichnung einer entsprechenden Erklärung. Die Behörde stellt dann eine Bescheinigung über den Austritt aus.

Um keine Kirchensteuer mehr zu zahlen, muss anschließend die Lohnsteuerkarte entsprechend berichtigt werden. Dies geschieht durch die Behörde, die die Lohnsteuerkarte ausgestellt hat.

Die Bescheinigung über den Austritt sollte gut aufgehoben werden, denn es ist schon vorgekommen, dass ein Kirchenaustritt Jahre oder Jahrzehnte später angezweifelt worden ist. So wie die Verhältnisse in Deutschland leider sind, bleibt jemand, der einmal als Kirchenmitglied geführt worden ist, sein Leben lang beweispflichtig, dass er kein Kirchenmitglied mehr ist."


http://www.ibka.org/infos/kirchenaustritt-wie

sicherlich nicht die neutralste quelle muss man sagen

16

01.12.2009, 21:57

@Worf:

Ich zitiere aus deiner Quelle:

Zitat

c) In der Begründung des Entwurfs zum Berliner Ladenöffnungsgesetz vom 14. November 2006 (Abgeordnetenhaus Drucks 16/0015) betonte der Senat von Berlin, dem Sonntag komme insbesondere in unserer auf Betriebsamkeit bedachten Gesellschaft eine große Bedeutung als Zeit zum physischen und mentalen Kräfteschöpfen zu. Als Ausgleich für die ständig wachsenden Anforderungen aus der Arbeitswelt, insbesondere auch an die Mobilität und Flexibilität der Beschäftigten, sei der Sonntag im Interesse der Familie und zur Förderung von Sozialbeziehungen in unserer heutigen Zeit unverzichtbar. Der Sonntag werde zur Erholung, für die Gestaltung des Familienlebens, zur Pflege gesellschaftlicher, sportlicher, kultureller und nicht zuletzt auch religiöser Aktivitäten benötigt.

17

01.12.2009, 22:05

@Feanor

Also mich hats nur 15 € gekostet und hab dann die Kirchensteuer am Jahresende zurückgeholt und dem Arbeitgeber bescheid gegeben und schon hab ich nichts mehr gezahlt.

Insgesamt 20 Minuten hat gedauert.

18

01.12.2009, 22:07

Zitat

Original von AtroX_Worf
Ich zitiere aus dem Urteilstext:

Zitat

Bundesverfassungsgerichtsurteil: 1 BvR 2857/07, 1 BvR 2858/07
Die Sonntage in der Adventszeit nähmen einen hervorgehobenen Platz im Kirchenjahr ein und würden von den Kirchen traditionell auch entsprechend begangen. Das Berliner Ladenöffnungsgesetz beraube die Vorweihnachtszeit grundlegend ihres verfassungsrechtlichen Schutzes. Aufgrund des besonderen Gepräges der Adventssonntage würden durch die einschlägige Regelung die struktur- und typusbestimmenden Merkmale des verfassungsrechtlichen Sonntagsschutzes in ihrer religionsfördernden Komponente intensiv betroffen.

Da wird explizit auch mit dem (christlichen) Kirchenjahr argumentiert. Das Gericht verkennt meines erachtens, dass Religionsfreiheit eine individuelle Rechtsgarantie ist, deren individuelle Ausgetaltung demnach auch das Individuum braucht. Dies bedeutet, dass jeder Einzelne für sich durch entsprechende Organisation sicherstellen muss, dass sein Tagesablauf konform mit seinen religiösen Ansichten geht.
Insbesondere ist nciht einzusehen, dass im Namen einer Religion einschränkende Regelungen erlassen werden, welche auch Menschen betreffen, welche nciht an diese Religion glauben.

Man kann auch unabhängig von Religion für den Sonntagsschutz (bzw. für den Schutz eines ausgezeichneten Tages in der Woche) sein.
Der Advent ist aber ein christliches Ding und hat insbesondere nicht den speziellen Schutz eines Feiertags. Damit ist er für mich nicht allgemein schutzwürdig.

Meines erachtens kann das Bundesverfassungsgericht auch nicht auf eine rel. Mehrheit der Religionszugehörigkeit in Deutschland abstellen, sonst müsste es bald den besonderen Schutz des Ramadan beschließen.


du zitierst hier allerdings die begründung der beschwerdeführer, nicht die der richter (daher auch der konjunktiv)

19

01.12.2009, 22:26

Ich hatte einfach mal runter gescrollt, wie lange geht denn das noch?

Ich schaue gleich nochmal.

ADA_Juger_

unregistriert

20

01.12.2009, 22:33

da finde ich das tanzverbot viel behinderter...
und das würde echt niemandem schaden wenn das abgeschafft würde ^^


http://de.wikipedia.org/wiki/Tanzverbot#Stille_Tage

21

01.12.2009, 22:34

Im grunde ist die Begründung beim Bundesverfassungsgericht eh zweitrangig, kommt ja nichts mehr danach ;) .
Finde das urteil auch in Ordnung, und die freie Religionsausübung der Christen, die nicht einziger und wichtigster Grund ist, sehe ich auch nicht kritisch.

22

01.12.2009, 22:36

so, habe mir jetzt das urteil durchgelesen und glaube, dass die berichterstattung in der FAZ (und sicher auch anderso) missverständlich ist
der gedankengang des urteils ist folgender:

- art. 4 I/II GG schützen die religionsfreiheit
- schutzrechte führen auch zu schutzpflichten des staates
- der inhalt dieser schutzpflichten wird unter anderem durch art. 140 GG iVm art. 136-141 WRV konkretisiert (die als wertentscheidung von verfassungsrang in die interpretation des grundrechts aus art. 4 I/II GG spielen)
- gemäß art. 140 GG iVm art. 138 WRV sind damit auch die sonn- und feiertage geschützt

soweit ist das verfassungsrechtlich mE nicht angreifbar
jetzt kommen die beiden punkte, über die man inhaltlich möglicherweise streiten kann:

- erst wird anhand verschiedener aspekte der schutz von sonn- und feiertagen konkretisiert
- anschließend wird der so definierte (mindest)schutz auf das berliner gesetz angewendet
-> ergebnis: das berliner gesetz wird dem erforderlichen schutzniveau nicht gerecht, weil pauschal 4 aufeinanderfolgende sonntage nicht geschützt sind

das urteil geht damit mit keiner silbe auf die spezielle eigenschaft der adventssonntage als christliche feiertage ein!
und aus diesem grund halte ich es auf den ersten blick auch für juristisch einwandfrei

solange die verfassung sonn- und feiertage so stark schützt, muss der gesetzgeber diesem schutz rechnung tragen
abschaffen kann diesen schutz nur der verfassungsgeber

/e:

Zitat

Original von AtroX_Worf
Die Verfassungsrichter begründeten ihr Urteil u.a. mit der Religionsfreiheit und mit dem besonderen Schutz der Adventssonntage.

diese aussage ist dementsprechend falsch ;)

Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von »toblu« (01.12.2009, 22:39)


23

01.12.2009, 23:14

Also jetzt habe ich noch weiter runter gescrollt. :P

Zitat

Die Beschwerdeführer werfen die Frage auf, ob und inwieweit sich Religionsgemeinschaften im Wege einer Verfassungsbeschwerde auf die verfassungsrechtliche Sonn- und Feiertagsgarantie des Art. 139 WRV berufen können. Es handelt sich hierbei um einen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht geklärten Problemkreis, da bislang nur die Wirkung des Art. 139 WRV gegenüber Grundrechtsträgern beurteilt wurde, die sich in ihrer Berufsausübungsfreiheit eingeschränkt sahen und denen an Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsschutz gelegen war (vgl. BVerfGE 111, 10). Daneben wurde in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lediglich ausgesprochen, dass Art. 140 GG selbst keine Grundrechtsqualität beizumessen ist (vgl. BVerfGE 19, 129 <135>; siehe dazu auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. September 1995 - 1 BvR 1456/95 -, NJW 1995, S. 3378 f.). Offen geblieben ist bisher aber, ob und inwieweit gerade Art. 139 WRV im Zusammenwirken mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG oder anderen Grundrechten Religionsgemeinschaften oder anderen Betroffenen eine Durchsetzung des Sonn- und Feiertagsschutzes ermöglicht. Unbeantwortet ist weiter, ob und inwieweit der Schutzgehalt eines Grundrechts - hier des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG - durch den Sonntagsschutz des Art. 139 WRV (i.V.m. Art. 140 GG) konkretisiert und verstärkt werden kann und dabei die Gewährleistungen der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung in die Bestimmung des Schutzgehalts der Grundrechtsnorm einzubeziehen sind. Bejahendenfalls stellt sich die bislang ebenso ungeklärte Frage, ob es gerade wegen der Bedeutung des Sonntagsschutzes für die Ladenöffnung konkrete, auch grundrechtsverbürgte Grenzen für diese gibt und wo sie verlaufen.

Das ist die Crux, darauf komme ich weiter unten nochmal zu sprechen.

Zitat

Das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG wird in seiner Bedeutung als Schutzverpflichtung des Gesetzgebers (1.) durch den objektivrechtlichen Schutzauftrag für den Sonn- und Feiertagsschutz aus Art. 139 WRV (i.V.m. Art. 140 GG) konkretisiert, der neben seiner weltlich-sozialen Bedeutung in einer religiös-christlichen Tradition wurzelt (2.). Danach ist ein Mindestniveau des Schutzes der Sonntage und der gesetzlich anerkannten - hier der kirchlichen - Feiertage durch den Gesetzgeber zu gewährleisten (3.). Dem genügt das Berliner Sonn- und Feiertagsschutzkonzept nicht in jeder Hinsicht. Die dort vorgesehene Möglichkeit der Ladenöffnung an allen vier Adventssonntagen ist mit den Mindestanforderungen an einen auch grundrechtsverbürgten Schutz nicht mehr in Einklang zu bringen. Die Regelung über die Öffnung aufgrund Allgemeinverfügung an vier weiteren Sonn- und Feiertagen trägt nur bei einschränkender Auslegung den Erfordernissen des vom Gesetzgeber zu gewährleistenden Mindestschutzes Rechnung (4.). Im Übrigen halten die angegriffenen Bestimmungen im Rahmen des vom Landesgesetzgeber verfolgten Schutzkonzepts verfassungsrechtlicher Prüfung stand (5.).
...
1. Das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ist hier in seiner Bedeutung als Schutzverpflichtung des Staates betroffen.
Das Berliner Ladenöffnungsgesetz greift weder gezielt in die Religionsfreiheit der Beschwerdeführer ein, noch liegt in den verschiedenen Bestimmungen und Optionen zur Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen das „funktionale Äquivalent“ eines Eingriffs. Es richtet sich mit den hier angegriffenen Vorschriften an die Verkaufsstelleninhaber und eröffnet diesen Möglichkeiten zur Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erschöpft sich der Grundrechtsschutz nicht in seinem klassischen Gehalt als subjektives Abwehrrecht gegenüber staatlichen Eingriffen. Aus Grundrechten ist vielmehr auch eine Schutzpflicht des Staates für das geschützte Rechtsgut abzuleiten, deren Vernachlässigung von dem Betroffenen mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann
...
Auch die Religionsfreiheit beschränkt sich nicht auf die Funktion eines Abwehrrechts, sondern gebietet auch im positiven Sinn, Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern (vgl. BVerfGE 41, 29 <49>). Diese Schutzpflicht trifft den Staat auch gegenüber den als Körperschaften des öffentlichen Rechts verfassten Religionsgemeinschaften.

Der Staat muss dieser Schutzpflicht durch hinreichende Vorkehrungen genügen. Aus einer grundrechtlichen Schutzpflicht folgt in der Regel indessen keine bestimmte Handlungsvorgabe. Die zuständigen staatlichen Organe, insbesondere der Gesetzgeber, haben vielmehr zunächst in eigener Verantwortung zu entscheiden, wie sie ihre Schutzpflichten erfüllen. Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, ein Schutzkonzept aufzustellen und normativ umzusetzen. Dabei kommt ihm ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Das Bundesverfassungsgericht kann die Verletzung einer solchen Schutzpflicht nur feststellen, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen sind, wenn die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben

Die Religionsfreiheit wird mir viel zu weit ausgelegt, nicht als individuelles Recht, sondern es begründet eine spezielle Schutzpflicht des Staates. Dies würde ich verneinen, wenn die staatliche Maßnahme nicht alle Religionsgemeinschaften gleichermaßen betreffen. Dies ist im vorliegenden Fall anschaulich nicht gegeben, es wird sogar explizit auf die christliche Tradition in Deutschland hingewiesen!

Zitat

Art. 4 GG garantiert in Absatz 1 die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, in Absatz 2 das Recht der ungestörten Religionsausübung. Beide Absätze des Art. 4 GG enthalten ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht (vgl. BVerfGE 24, 236 <245 f.>; 32, 98 <106>; 44, 37 <49>; 83, 341 <354>; 108, 282 <297>), das auch die Religionsfreiheit der Korporationen umfasst (vgl. BVerfGE 19, 129 <132>; 24, 236 <245>; 83, 341 <354 f.>).

139Bei der näheren Bestimmung des Schutzgehalts des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ist auch an die Schutzgarantie des Art. 139 WRV für den Sonn- und Feiertagsschutz anzuknüpfen. Die durch Art. 140 GG aufgenommenen Vorschriften der Weimarer Reichsverfassung und somit auch Art. 139 WRV sind von gleicher Normqualität wie die sonstigen Bestimmungen des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 111, 10 <50> m.w.N.). Bei der Sonn- und Feiertagsgarantie handelt es sich zwar nicht um ein Grundrecht oder grundrechtsgleiches Recht (vgl. BVerfGE 19, 129 <135>; 19, 206 <218>). Die Gewährleistungen der so genannten Weimarer Kirchenartikel sind aber funktional auch auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der Religionsfreiheit angelegt (vgl. BVerfGE 42, 312 <322>; 102, 370 <387>). Die inkorporierten Kirchenartikel der Weimarer Reichsverfassung, die mit dem Grundgesetz ein organisches Ganzes bilden (vgl.
BVerfGE 66, 1 <22>; 70, 138 <167>), regeln das Grundverhältnis zwischen Staat und Kirche (vgl. BVerfGE 42, 312 <322>). Es ist anerkannt, dass zumindest Teilaspekte dieses Grundverhältnisses auch von Art. 4 GG erfasst werden (vgl. BVerfGE 42, 312 <322>). Im Kontext des Grundgesetzes sind die Kirchenartikel auch ein Mittel zur Entfaltung der Religionsfreiheit der korporierten Religionsgemeinschaften (vgl. BVerfGE 102, 370 <387> zu Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV; siehe auch BVerfGE 99, 100 <119 ff.> zu Art. 138 Abs. 2 WRV).

140b) Die funktionale Ausrichtung der so genannten Weimarer Kirchenartikel auf die Inanspruchnahme des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gilt auch für die Gewährleistung der Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung in Art. 139 WRV, obgleich in dieser Norm selbst der religiös-christliche Bezug nicht ausdrücklich erwähnt wird. Art. 139 WRV hat nach seiner Entstehungsgeschichte, seiner systemischen Verankerung in den Kirchenartikeln und seinen Regelungszwecken neben seiner weltlich-sozialen auch eine religiös-christliche Bedeutung. Er sichert mit seinem Schutz eine wesentliche Grundlage für die Rekreationsmöglichkeiten des Menschen und zugleich für ein soziales Zusammenleben und ist damit auch Garant für die Wahrnehmung von Grundrechten, die der Persönlichkeitsentfaltung dienen. Er erweist sich so als verfassungsverankertes Grundelement sozialen Zusammenlebens und staatlicher Ordnung und ist als Konnexgarantie zu verschiedenen Grundrechten zu begreifen. Die Gewährleistung von Tagen der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung ist darauf ausgerichtet, den Grundrechtschutz - auch im Sinne eines Grundrechtsvoraussetzungsschutzes - zu stärken und konkretisiert insofern die aus den jeweils einschlägigen Grundrechten folgenden staatlichen Schutzpflichten (vgl. Häberle, Der Sonntag als Verfassungsprinzip, 2. Aufl. 2006, S. 63 f., 70).

Es wird also aus der Weimarer Verfassung eine Kontinuität konstruiert. Dies ist ja im Sinne einer historischen Rechtsfortentwicklung generell nicht falsch, aber ich kann mich obiger Argumentation nicht anschließen (wenn ich es richtig verstanden habe, auch nur 5 von 8 Richter). Art 4 GG hat imho eine neue Qualität, da ein Grundrecht explizit festgeschrieben wird. Mit der Rechtsfortentwicklung aus der Weimarer Republik wird dem Charakter der Religionsfreiheit nach Art. 4 GG imho nicht genügend Rechnung getragen, vor allem nicht in heutiger Zeit.

Zitat


Unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Religionsfreiheit ist nichts dagegen einzuwenden, dass Verkaufsstellen mit überwiegendem Lebens- und Genussmittelangebot am 24. Dezember von 7.00 bis 14.00 Uhr öffnen dürfen, wenn dieser Tag auf einen Adventssonntag fällt (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 BerlLadÖffG), und dass in mobilen Verkaufsstellen leicht verderbliches Obst und Gemüse vom Erzeuger auch an Sonn- und Feiertagen, an Adventssonntagen von 7.00 bis 20.00 Uhr und am 24. Dezember, wenn dieser Tag auf einen Adventssonntag fällt, von 7.00 bis 14.00 Uhr angeboten werden darf (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 BerlLadÖffG).

Also für Gaststätten gilt der Ladenschluß nicht... Sind Mitarbeiter im Gaststättengewerbe weniger schützenswert oder stellt man da auf die Tradition ab, dass Gaststätten nicht als normale Geschäfte zu werten sind (sie haben ja auch ihres eigenes Gesetzbuch :P).

Zitat

Art. 139 WRV hat nach seiner Entstehungsgeschichte, seiner systemischen Verankerung in den Kirchenartikeln und seinen Regelungszwecken neben seiner weltlich-sozialen auch eine religiös-christliche Bedeutung.
...
Schon die Entstehungsgeschichte der Vorschrift lässt die Verknüpfung der tradierten religiösen und sozialen Aspekte des Sonn- und Feiertagsschutzes zutage treten. Bei der Einbringung in der Weimarer Nationalversammlung hob der Berichterstatter, der Abgeordnete Mausbach (Zentrumspartei), hervor, die Bestimmung schütze die „öffentliche Sitte“ und die christliche Tradition und Religionsausübung.
Die großen geschichtlichen Bestandteile der Kultusausübung enthielten aber auch wertvolle Freiheitsrechte für die Einzelnen; und gerade diese Seite der Sonntagsruhe, die „Schonung der Freiheit“ und der „sozialen Gleichwertigkeit aller Klassen“, sei darin angesprochen (vgl. Heilfron, Die Deutsche Nationalversammlung im Jahre 1919, 6. Band, 1920, S. 4007). Der Religionsbezug des Art. 139 WRV wird bestätigt durch seine Stellung im Grundrechtsteil der Weimarer Reichsverfassung unter der Abschnittsüberschrift „Religion und Religionsgesellschaften“. Die Inkorporation der Weimarer Kirchenartikel in das Grundgesetz war letztlich ein Kompromiss, bei dessen Findung der überkommene Gewährleistungsgehalt des Art. 139 WRV nicht mehr zur Debatte stand. Damit setzte sich im Ergebnis die motivische Allianz zwischen religions- und arbeitsverfassungspolitischen Bestrebungen fort, die schon das Zustandekommen des Art. 139 WRV bestimmt hatte (vgl. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 139 WRV Rn. 9 f.).

142Art. 139 WRV ist damit ein religiöser, in der christlichen Tradition wurzelnder Gehalt eigen, der mit einer dezidiert sozialen, weltlich-neutral ausgerichteten Zwecksetzung einhergeht.

Hier ist die oben angedeutete Crux der historischen Wurzeln der hier gebrauchten Artikel, welche imho abstrakten Grundrechtsüberlegungen heutzutage nicht mehr stand halten. Wir leben in einer multikulturellen Gesellschaft, welchenicht mehr so einseitig christlich wie zu Weimarer Zeiten geprägt ist. Eine moderne Auslegung des Grundrechts Religionsfreiheit muss heutzutage der Vielzahl von aktiv ausgeübten Religionen in Deutschland gerecht werden, ohne gezielt einzelne zu bevorzugen bzw. andere zu benachteiligen.
Vor diesem Hintergrund kann vor allem keine allgmeinegültige Einschränkung beschlossen werden, sondern es sollten nur positiv religionsausübende Einschränkungen abgebaut werden. Diesem Grundatz folgt leider das aktuelle Urteil, wegen oben angeführter Argumentation, nicht.

24

01.12.2009, 23:17

Zitat

Überhaupt finde ich sowas wie "eingeschärnkte Ladenöffnungszeiten" Schwachsinn


Ach ja?
Meinst du die Leute die in diesem Beruf arbeiten haben zuhause keine Familie?

Schon mal was von kleinen Kindern gehört?
Die finden das bestimmt Klasse wenn Vater oder Mutter die ganze Woche über erst nach Hause kommen wenn sie schon längst im Bett sind.

Und dann auch noch den Sonntag wegnehmen?

Also ich glaube es hakt.... :stupid:

25

01.12.2009, 23:17

Alle Nicht-Christen bitte an Weihnachten, Oster- und Pfingstmontag und an den ganzen anderen kirchlichen Feiertagen bitte arbeiten gehen!

Danke!

27

01.12.2009, 23:21

Zitat

Original von Fairas
Alle Nicht-Christen bitte an Weihnachten, Oster- und Pfingstmontag und an den ganzen anderen kirchlichen Feiertagen bitte arbeiten gehen!

Danke!


Habe ich schon gemacht, hat mich nicht sonderlich gestört...

Wie man das sieht, wenn man eine Familie an der Backe hat, will ich aber nicht beurteilen.

28

01.12.2009, 23:25

Zitat

Original von _MIB_Eisbaer
@Feanor

Also mich hats nur 15 € gekostet und hab dann die Kirchensteuer am Jahresende zurückgeholt und dem Arbeitgeber bescheid gegeben und schon hab ich nichts mehr gezahlt.

Insgesamt 20 Minuten hat gedauert.


naja immerhin mussteste was bezahlen,

29

01.12.2009, 23:25

Hm, klar haben wir Religionsfreiheit, jeder der hier gerade Christ ist kann Atheist werden oder die Religion wechseln, niemand wird es ihm verbieten.

Weiterhin sind wir hier eine Demokratie, die meisten hier (in Deutschland) sind Christen und somit orientieren wir uns nach denen.

Demokratie bedeutet wenn 50,0000000000000000000000001% irgendwas wollen (Nichtwähler sind immer ausgeschlossen, selber schuld) dann wird das so gemacht (also im Idealfall, fehlen noch die Volksabstimmungen)

Eine Volksabstimmung zum Thema verkaufsoffener Sonntag Ja oder Nein würde wohl mit Nein enden -> Demokratie

30

01.12.2009, 23:29

Zitat

Original von Fairas
Weiterhin sind wir hier eine Demokratie, die meisten hier (in Deutschland) sind Christen und somit orientieren wir uns nach denen.

Demokratie bedeutet wenn 50,0000000000000000000000001% irgendwas wollen (Nichtwähler sind immer ausgeschlossen, selber schuld) dann wird das so gemacht (also im Idealfall, fehlen noch die Volksabstimmungen)


Die Mehrheit der Deutschen sind nur auf dem Papier Christen, behaupte ich mal.

Und Demokratie bedeutet mehr als Herrschaft der Mehrheit, unter anderem nämlich Schutz der Minderheit.