An Arroganz nicht zu überbieten"
Mainz 05 schafft die Pokal-Blamage: Elfmeter-Aus beim Oberligisten Velbert - 0:0 nach 120 Minuten - Heidel streicht Gelder
Keiner hätte das für möglich gehalten, aber es ist doch passiert: Fußball-Zweitligist FSV Mainz 05 verabschiedet sich bereits in der ersten Runde des DFB-Pokals aus dem Wettbewerb. Vor 3720 Zuschauern unterlagen die Mainzer Profis dem Oberligisten SSVg Velbert nach einer peinlichen Vorstellung mit 3:5 nach Elfmeterschießen. In 120 Minuten hatten die Mainzer nicht mehr als ein 0:0 gegen die Amateure geschafft. Marco Rose verschoss den entscheidenden Elfmeter - und schickte den FSV in das sportliche und wirtschaftliche Debakel.
VELBERT. Dimo Wache war einer der ersten, der schnellen Schrittes den Kabinentrakt im Stadion "Zur Sonnenblume" in Velbert Richtung Mannschaftsbus verließ. Wortlos, fassungslos, grußlos. Abgang. Fast alle Mainzer Profis hatten sich schon weggeschlichen durch die Hintertür, da saßen Jürgen Klopp und Christian Heidel noch immer in der Umkleidekabine. Trainer und Manager des FSV Mainz 05 brauchten Zeit, um zu realisieren, was besonders in diesen 120 Spielminuten passiert war. 3:5 im Elfmeterschießen gegen den bislang in der Oberliga sieglosen SSVg Velbert verloren. Sang- und klanglos in der ersten Runde des DFB-Pokals rausgeflogen. Aus jenem Wettbewerb, auf den die Mainzer Klubführung in ihrer Geldnot so stark gesetzt hatte.
Heidel stellte sich den Fragen. Und zeigte dabei einen Arm voll mit T-Shirts, die er sich vom Gegner hatte geben lassen. "Ich war dabei", stand auf den weißen Leibchen und "Bye, bye Mainz". Einen Gruß, den die siegreichen Velberter Fußballer feiernd den Mainzern aus dem Kabinenfenster hinterherriefen.
"Ich will gar nicht nur über das fehlende Geld lamentieren", sagte der 05-Manager mit finsterem Gesichtsausdruck. "Dieser Auftritt hier, das war Mainz 05 von früher." So hat sich der Klub in den 90ern öfter ganz gerne mal blamiert bei ähnlichen Anlässen. In der Ära Jürgen Klopp schien das vorbei. "Wir werden das nicht akzeptieren", sagte Heidel und kündigte den Profis Konsequenzen an.
Der 40-jährige Manager hatte lange geredet vor der Mannschaft. Mucksmäuschenstill sei es in der Kabine gewesen. "Zum ersten Mal seit Jürgen Klopps Amtsübernahme habe ich wieder zu der Mannschaft gesprochen", erzählte Heidel. Eine Anklage, die die Profis so schnell nicht vergessen dürften. "Die Mannschaft hat leichtfertig eine große Chance für diesen Verein verspielt. Jetzt muss sie die Zeche dafür selbst bezahlen", kündigte Heidel an. "Das ist doch ganz klar, wenn dem Verein Geld fehlt, hat das Auswirkungen auf die Mannschaft." Die Profis spüren das sofort. Sämtliche Zahlungen für dieses Wochenende sind gestrichen. Auch die vertraglich zugesicherte Auflaufprämie. "Wer auf dieser Prämie besteht", sagte Heidel bissig, "braucht nur in mein Büro zu kommen, da kann er das Geld gerne beantragen."
Vordergründig verliert der FSV Mainz 05 100 000 Euro. So viel hätte es alleine für das Erreichen der nächsten Runde gegeben. Als Garantiesumme. Was bei einem entsprechenden Los darüber hinaus hätte eingenommen werden können - besser nicht drüber nachdenken. Zumindest die Garantiesumme für Runde zwei hatte der Klub natürlich fest im Visier. Das minimalisierte Pflichtprogramm. Das hatten alle Verantwortlichen unter der Woche unmissverständlich gepredigt. Auch der Trainer hatte im Vorschaugespräch darauf verwiesen, dass es gar nicht sein könne, dass die 05er sich so präsentieren würden, wie sie es schließlich taten. "Das, was unsere Spieler hier geboten haben, war an Überheblichkeit und Arroganz nicht mehr zu überbieten", tobte Heidel. "Und wenn ich dann mithöre, wie sich Spieler nach dieser Blamage darüber unterhalten, welche Lunchpakete es nachher im Bus gibt, dann weiß ich, dass wir an einem Punkt angelangt sind, an dem man die Mannschaft von ihrem Sockel herunter holen muss. Und genau das werden wir tun. Da kann sich jeder drauf verlassen."
Bereits heute im Training kann es ungemütlich werden, denn der 05-Manager hat die Velberter T-Shirts nicht als Andenken mitgenommen, sondern wird die Hemden heute den Profis als Geschenk überreichen. "Ich war dabei!"
Mit Fassung trugen die zahlreichen 05-Fans die Niederlage. Vereinzelte Sprechchöre für den einen oder anderen Spieler. Immerhin. Die 05er können insgesamt von Glück reden, dass die Partie beim Oberligisten nicht auf der Prioritätenliste der TV-Anstalten gestanden hat. Noch nie, seit Jürgen Klopp die sportliche Leistung am Bruchweg übernommen hat, stellte sich eine Mainzer Elf derart unmöglich vor. Mit Ausnahme von Torhüter Dimo Wache enttäuschten alle. Am Ende standen die Mainzer Profis tatsächlich da wie die Trottel. Jörg Schneider
Azaouagh und Thurk spät ans Aluminium
Echte 05-Chancen erst in der zweiten Hälfte der Verlängerung - Klopp: Es gibt keine Ausreden
VELBERT. Jürgen Klopp mühte sich lange um Fassung und darum, auch in der Niederlage sachlich und ruhig zu bleiben. Man kennt das vom 05-Coach. Doch als bei der Pressekonferenz eine Stimme aus dem Hintergrund fragte, ob denn nun, nach dem schwachen Spiel in Osnabrück und dieser peinlichen Pokalniederlage auch sein Job in Gefahr sei, da hatte der Trainer des FSV Mainz 05 doch sehr viel Mühe, beim Antworten nicht unflätig zu werden.
Einer von Klopps Vorgängern, der Pirmasenser Schulmeister Robert Jung, hat nach einer ähnlichen Blamage mal gesagt, mit dieser Niederlage habe er nichts zu tun. Klopp hatte tatsächlich nichts damit zu tun, was sein Team sich hier leistete. Der Trainer versuchte permanent auf seine Mannschaft einzuwirken, zu erklären, zu korrigieren, er hielt vor der Verlängerung noch einmal eine Sitzung ab - alles vergebens. Nach zehn Minuten sagte oben auf der Tribüne Horst Franz, ein weiterer Vorgänger von Klopp: "Das ist doch nicht das Mainzer Spiel. Die sind ja gar nicht aggressiv, spielen kein Pressing, sind nicht am Mann dran und lassen den Gegner gewähren."
Altmeister Franz hatte Recht. Bereits nach wenigen Minuten war diese Partie versaut. Denn die 05er unterließen alles, was ihr Spiel sonst ausmacht. Und als der Gedanke sich einmal eingenistet und gefestigt hatte, man spiele zwar nicht gut, aber irgendwie werde man die Sache schon nach Hause schaukeln, war es sowieso vorbei.
Der Oberligist tat das, was man von diesem Team erwarten musste. Die Velberter rannten, kämpften und hatten ein paar Chancen. Nach 16 Minuten wehrte Dimo Wache nach einem Konter einen Schuss von Markus Kaya gerade noch zur Ecke. Nach 23 Minuten fischte der 05-Keeper mit großer Klasse einen 25-m- Freistoß von Kaya aus dem Winkel. Und die Profis? Nach 40 Minuten rettete Torhüter Thomas Grefen gegen Jürgen Kramny, Michael Thurks Nachschuss strich knapp vorbei. Nach 47 Minuten schien es so, als würden die 05er die Sache doch noch gemütlich regeln: Thurks Freistoß strich nur knapp am linken Pfosten vorbei. Doch bereits nach 52 Minuten hatte der am langen Pfosten völlig freistehende Stefan Kuchem die große Chance zur Führung.
Das Einzige, was den 05ern bis zum Abpfiff der regulären Spielzeit noch einfiel, war eine gute Aktion von Thurk und Fabian Gerber, dessen Heber Tobias Winterpacht noch gerade so aus dem Netz köpfte. An der Schlampigkeit, der überheblichen Spielweise des Zweitligisten änderte sich nichts bis zur Verlängerung. Und auch dann hatte der Außenseiter die erste große Chance. Wieder musste Wache retten, diesmal im Herauslaufen vor seinem Strafraum. Und erst als die Beine der Oberligakicker immer schwerer wurden, hatten die Mainzer ihre vier besten Szenen.
Mimoun Azaouaghs Flachschuss gegen den rechten Pfosten (99.). Thurks Drehschuss an die Latte (100.). Mathias Abels Kopfball knapp drüber. Stefan Kühnes Heber übers leere Tor. "Wir haben es bis zum Elfmeterschießen kommen lassen", sagte Jürgen Klopp nachher, "das haben wir verloren und sind verdient draußen." Dass sein Team nachher noch Chancen gehabt habe? Kein Thema. "Das ist nicht positiv", schimpfte Klopp, "sondern das muss so sein." Er müsse sich nun dieser Sitaution stellen. "Wir haben schon öfter verloren, aber das hier ist ganz bitter." Und Ausreden gebe es dafür definitiv nicht.
Warum so etwas geschehen kann, obwohl niemand in diesem Verein müde geworden war, Konzentration zu predigen? Unmittelbar nach dem Spiel war es nicht zu ergründen. "Darüber muss ich mir erst Gedanken machen", sagte Jürgen Klopp, dem jedoch ein Aspekt schon gestern klar war. "Auf diese Art und Weise kann man nirgendwo gewinnen." Und das sollte die Leistung des aufopferungsvoll kämpfenden Oberligisten keineswegs schmälern
Bin viel Gewohnt von Mainz 05
PS.Gehe jetzt seit 15 Jahren ins Stadion in Mainz aber eins weiß ich da kommen meinen Grauen Haare her