Sie sind nicht angemeldet.

  • Anmelden

1

24.03.2003, 18:34

Brachiale Friedensliebe

DEBATTE Brachiale Friedensliebe<br><br><br>Wolf Biermann über Nationalpazifisten und den<br>Irak-Krieg<br><br><br>Wann ist denn endlich Frieden In dieser irren Zeit Das große Waffenschmieden Bringt nichts als großes Leid. Die Welt ist so zerrissen Und ist im Grund so klein. Wir werden sterben müssen Dann kann wohl Friede sein.<br><br>So subversiv und kindlich zugleich sang ich als junger Kerl im militaristischen Friedensstaat DDR 1967, also mitten im Kalten Krieg. Laut sang ich in Ost-Berlin wie ein Menschenkind im dunklen Waffenwald. Unsere<br>stalinistische Obrigkeit verteidigte aggressiv ihr Monopol auf Friedensliebe, auf Friedenspolitik und Friedenskampf. Und dabei logen sie mal wieder die Wahrheit: Alle Menschen wollen Frieden.<br><br>Und zu denen gehören eben auch die totalitären Schweinehunde, die ja im Grunde nichts weiter wollen, als ihren idealen Friedhofsfrieden hinter<br>Stacheldraht. Und trotzdem sehne ich mich nach Frieden und hoffe wider bessres Wissen, dass der Kelch eines Krieges an uns allen vorübergehen möge. Vielleicht reicht nur meine Phantasie mal wieder nicht aus, um<br>mir einen Ausweg aus dem Dilemma vorzustellen. In ein paar Wochen oder Monaten werden wir alle klüger sein und womöglich noch ratloser.<br><br>Als die Chancen auf einen Heil-Hitler-Frieden in Europa verloren waren, schrie Goebbels im Berliner Sportpalast: Wollt ihr den totalen Krieg? Und die hakenkreuzbraven Deutschen brüllten begeistert: Jaaaaaa&#33;&#33;&#33;&#33; Und nun? - Nur 60 Jahre später fragt in der Berliner Republik die gewählte Obrigkeit: Wollt ihr den totalen Frieden? - und die geläuterten Deutschen sagen von ganzem Herzen abermals: Jaaaaaa&#33;<br><br>Beim gaddafistischen Friedensforscher Mechtersheimer fand ich eine grauenhaft positiv gemeinte Wortschöpfung: Nationalpazifisten. Die dazu passenden Menschen wachsen diesem Begriff jetzt massenhaft zu.<br>Die Losungen dieser antiamerikanischen Nationalpazifisten sind auf Pappschildern und Transparenten zu lesen: &quot;Nie wieder Krieg&#33; Krieg ist<br>keine Antwort&#33; Hände weg vom Irak&#33; Humane Staaten führen keine Kriege&#33; Nicht Saddam - Bush ist unser Feind&#33; Jeder Krieg ist ein Verbrechen&#33;&quot; Oder mit tautologischem Pathos: &quot;Krieg ist Krieg&#33;&quot; oder mehr sozialpoetisch: &quot;Brot statt Bomben&#33;&quot; oder auch mehr pisa-panisch: &quot;Bildung statt Bomben&#33;&quot;<br><br>Alle Welt weiß, dass wir Deutschen unsere Befreiung vom Hitler-Regime nicht uns selber, sondern ausschließlich den Armeen der Alliierten verdanken.<br>Millionen russische, amerikanische und englische Soldaten sind auch für meine Befreiung gefallen. Was viele Frieden-um-jeden-Preis-Woller in Deutschland aber offenbar nicht auf der Rechnung haben: Wir verdanken auf eine indirekte Weise ja auch die Entlassung der DDR aus dem sowjetischen<br>Völkergefängnis niemandem so sehr wie diesen waffengeilen Amerikanern. Ohne deren Nachrüstung im Rüstungswettlauf mit dem Ostblock wäre die Sowjetunion<br>und ihr Satellitenreich nicht so sang- und klanglos in sich zusammengebrochen. Michail Gorbatschow, jener parteifromme Ketzer aus der sowjetischen Nomenklatura, hat uns nach dem Fall der Mauer und nach dem<br>Zusammenbruch der Sowjetunion ohne diplomatische Metaphorik die prosaischen Hintergründe von Glasnost und Perestroika verraten.<br><br>Und diese Wahrheit zwang auch mich zu einer peinlich späten Einsicht: Ausgerechnet die von uns immer so angeprangerte Rüstungsspirale hatte in den letzten Jahren des Ost-West-Konflikts das chronisch sieche<br>sowjetische System ökonomisch dermaßen überfordert und ruiniert, dass die stalinistischen Machthaber in ihrer Bredouille einem unkonventionellen Funktionär aus der Provinz, einem scheinbar blauäugigen Kommunismusretter<br>wie dem Genossen Gorbatschow überhaupt eine Chance gaben.<br><br>Die Menschheit hatte Glück mit diesem Mann, denn seine systemerhaltenden Rettungsversuche sind ihm im allerbesten Sinne missglückt: Die Reformen kippten über in eine Revolution. Anders als mein Freund Robert Havemann und ich jahrelang gehofft hatten: Der totalitäre Koloss war eben nicht reformierbar. Wir hatten Hannah Arendt nicht begriffen, die mit einem<br>neuen Schlagwort das Problem scharf auf den Begriff gebracht hatte: Ein &quot;totalitäres&quot; Regime herrscht eben total oder gar nicht. Aus diesem Grunde war das wunderbare Ende des Kalten Krieges und war auch die friedliche Wiedervereinigung der Deutschen eine dialektische Frucht am Baume des wahnsinnigen Wettrüstens der beiden Weltmächte.<br><br>Hätte ich diese geschichtlichen Wechselwirkungen damals schon durchschaut, wäre ich vielleicht nicht so alternaiv nach Mutlangen gefahren zur Sitzblockade vor dem Camp der U. S. Army. Und dabei weiß ich noch gut,<br>wie gut ich mich fühlte als einer von den Allergutesten. Man sieht im eigenen Spiegelbild lieber das Menschenantlitz eines Friedfertigen als die Fratze eines Kriegstreibers.<br><br>Dass die wiedervereinigten Deutschen heute in mancher Hinsicht noch zerrissener sind als vor dem Fall der Mauer, ist leider wahr. Doch nun sieht es so aus, als ob ausgerechnet der drohende Krieg gegen den Irak die<br>schwierige Einheit der Deutschen auf eine makabre Weise befördert. Es wabert und brodelt inzwischen ein geradezu wütender Wille zur Machtlosigkeit gegenüber solchen hochgerüsteten Menschheitsfeinden wie Saddam Hussein. Die Angst vor dem Krieg stiftet unter den tief zerrissenen Deutschen eine feste Volksgemeinschaft.<br><br>Da verbünden sich aufrichtige Pazifisten, die ich immer respektieren und achten werde, mit verrentnerten Kadern der heuchlerischen DDR-Nomenklatura und mit militanten Alt-68ern. Stramme SPD-Genossen und stramme Christdemokraten kennen keine Parteien mehr, sondern nur noch deutsche Friedensfreunde. Sogar Punks und Skins reihen sich ein. Es ist nun offenbar &quot;in echt&quot; zusammengewachsen, was im schlechtesten Sinn schon immer zusammengehörte. Konstantin Wecker überbringt den Berliner Friedenskämpfern unter der Siegessäule die solidarischen Kampfesgrüße der falschen<br>Friedensbewegung in Bagdad. Die entpolitisierten Kids der Spaßgesellschaft finden Frieden irgendwie geiler als Krieg. Und obendrein bläst auch Gottes<br>Bodenpersonal beider Konfessionen todesmutig in die Anti-Bush-Trompete. Wir wurden in diesen Tagen ein einig Volk von Hurra-Pazifisten.<br><br>Nimm nur die populärste Losung schon seit dem letzten Golfkrieg: &quot;Kein Blut für Öl&#33;&quot; - wenn ausgewachsene Menschenexemplare, auf deren Bildung man einst einige Mühe verwandt hat, heute diesen Unsinn nachplappern,<br>es gehe den kapitalistischen USA ums Öl, zeigt es mir, dass sie vor lauter Friedensliebe sogar das Groschenzählen vergessen haben. Ginge es den<br>Amerikanern um Profite und um Öl-Lieferungen, dann würden sie den begehrten Stoff lieber bequem und billiger wie bisher auf dem Weltmarkt kaufen. Auch<br>nach einem Sieg über Saddam Hussein werden die westlichen Industriestaaten das Erdöl so oder so zu Weltmarktpreisen erwerben müssen, so wie sie das Öl<br>Russlands, das Öl Kuweits, der Saudis und Venezuelas und Norwegens bezahlen. Allein schon die Kriegserwartung treibt die Öl-Preise hoch und drückt die Kurse an der Börse in den Keller. Ein Krieg wird den Preis für einen Liter Benzin wahrscheinlich weit über die Zwei-Euro-Marke treiben. Jeder Tankstellenwart scheint da realistischer zu rechnen als unsere akademisch verbildeten Murx-Marxisten.<br><br>In einem ganz anderen Sinn geht es in diesem Krieg allerdings um das Öl: Weder die wenigen demokratischen noch die vielen diktatorisch regierten Staaten in der Uno sollten es hinnehmen, dass ein praktizierender<br>Völkermörder wie Saddam mit seinen Öl-Milliarden systematisch eine A-, B- und C- Militärmacht aufbaut, die es ihm ermöglicht, alle arabischen Bruderländer aus ihrer vergleichsweise kommoden Knechtschaft zu<br>befreien, um sie dann selber vollends zu knechten und mit dieser panarabischen Machtvollkommenheit den Rest der Welt noch brutaler zu erpressen.<br><br>Ich rechne damit, dass die wohlfeile Wut auf Amerika uns alle noch teuer zu stehen kommen wird. Ohne den Truppenaufmarsch der USA könnte kein einziger<br>Waffeninspektor überhaupt irakischen Boden betreten. Alle wissen es, und wenige wollen es wahrhaben. Manchmal kommt mir der dummschlaue Verdacht:<br>Vielleicht spielen ja Europa und die USA dasselbe Spiel nur in zwei entgegengesetzten Rollen, um Saddam besser in die Zange nehmen zu können. Aber der ist weder naiv noch ängstlich.<br><br>Die demokratischen Staaten können leider nicht mit einer Gewalt erfolgreich drohen, die nicht ernst gemeint ist. Der vulgäre Hass auf den<br>Propaganda-Popanz eines schießwütigen Cowboys im Weißen Haus hat schon was von einer simulierten Paranoia. Ganz Europa verdankt den USA seine Freiheit. Ihre Befreiung werden allerhand geschichtsvergessene Menschen in Deutschland und Frankreich den Vereinigten Staaten offenbar niemals verzeihen. Offensichtlich ärgert es das &quot;alte Europa&quot; zusätzlich, dass der<br>Präsident im Weißen Haus gelegentlich so altmodisch im pathetischen Jargon der Bibel redet.<br><br>Nun wird also die Weltmacht USA als Feind der islamischen Welt hingestellt. Auch das halte ich für eine besonders schäbige Lüge. Gerade eben haben die<br>Soldaten der Vereinigten Staaten auf dem Hinterhof Europas im Kosovo die Moslembevölkerung gegen die serbischen Völkermörder gerettet. Und wir Europäer saßen dabei auf dem Sofa und begutachteten vor der Glotze diesen Rettungsversuch. Ohne den Militäreinsatz der USA aber säße Milosevic heute machtvollkommen in Belgrad und nicht als Kriegsverbrecher vor dem Tribunal in Den Haag. <br><br><br><br>Auch treffende Argumente sind in den Wind gesprochen, wenn die Ohren verstopft sind und die Herzen ohne Mitleid. Und so weht der falsche Friedenswind unsereins scharf und eisig ins Gesicht. Ich spüre, wie<br>sehr meinesgleichen mal wieder in den ehrenvollen Status der Minderheit geraten sind. Und wir kommen da nicht lässig raus. Von Manès Sperber kann man lernen: Auch wer gegen den Strom schwimmt, schwimmt im Strom.<br>Aber es kostet nicht mehr die Freiheit, nicht das Leben - und mich in unserer soliden Demokratie nicht mal das Wohlleben. Immer war ich ein Furchtsamer. Dennoch hatte mich nie die Angst vorm Schlimmsten: vor dem Krieg. Diese Gemütsbewegung ist in mir, scheint&#39;s, abgetötet worden, bevor ich das Wort Krieg hätte ganz erfassen können. Das war im Sommer 1943, als meine Mutter mit mir unter dem Bombenhimmel der amerikanischen und<br>britischen Fliegenden Festungen mitten im Hamburger Feuersturm in der Hammerbrookstraße aus dem Inferno kroch. Die Alliierten hatten sich damals schon – zu unserem Glück - die Lufthoheit über Nazi-Deutschland erkämpft. Ich war in diesen branderhellten Nächten und rauchverfinsterten Tagen sechs Jahre alt.<br><br>Schon in jenem Kriegssommer, mein Vater war gerade ein halbes Jahr vorher in Auschwitz ermordet worden, erklärte mir meine Mama, so simpel, wie ich es als kleiner Junge verstehen konnte, dass diese schlimmen schlimmen Bombenflugzeuge uns befreien sollen, von den bösen bösen Leuten, die uns unseren lieben lieben Papa weggenommen haben. Es war nur so unpraktisch, dass uns die Bomben unserer Lebensretter selber auf den Kopf fielen.<br><br>Deshalb schrieb ich in meiner &quot;Ballade von Jan Gat unterm Himmel in Rotterdam&quot; den Vers, der manchen Deutschen irritiert oder gar entrüstet hat: <br><br>Und weil ich unter dem gelben Stern<br><br>In Deutschland geboren bin<br>Drum nahmen wir die englischen Bomben<br>Wie Himmelsgeschenke hin.<br>Auch das unterscheidet mich von den meisten, die in Deutschland jetzt die Lufthoheit im Meinungskrieg über den Luftkrieg der Alliierten erobert haben.<br><br>Mir fällt allerdings ein beachtenswerter Gegensatz auf: Die meisten Kinder und Kindeskinder der Nazi-Täter-Generation sind reflexartig und prinzipiell<br>gegen jeden Krieg. Die meisten Nachkommen des Heil-Hitler-Volks, das den Krieg und die Massenmorde so willfährig mitgemacht hatte, wollen sich auch in notwendige Kriege, die eine Not wenden könnten, nicht reinreißen lassen. Auch wenn sie kaum Immanuel Kant gelesen haben, spüren sie, dass jeder Krieg, sogar der gerechte, ein grauenhaftes, ein &quot;trauriges Notmittel&quot;<br>ist. Mit sauberen Händen kommt keiner aus dem blutigen Gemetzel wieder nach Haus. Also wollen sie fortan lieber Unrecht erleiden, als selber Unrecht tun. Niemals wieder&#33; wollen die Nachgeborenen der Nazis werden wie ihre verdorbenen Väter und Mütter: Täter.<br><br>Das ist verständlich und mir zudem sympathisch. Die allermeisten Menschen ziehen nun mal geschichtliche Lehren mehr aus der Familienerfahrung als aus dem Studium der Geschichte. Aber genau das gilt eben auch für die Nachgeborenen der damaligen Opfer: Leute wie ich wollen dies und das sein, aber niemals wieder Opfer. Also sind meinesgleichen eher für einen Krieg<br>zum Sturze solch eines menschenverachtenden Regimes, dessen erklärtes und vornehmstes Ziel es ist, Israel zu vernichten. Dass Saddam Hussein ganz nebenbei sein eigenes Volk von Anbeginn seiner Putschherrschaft<br>vernichtet: es foltert, erpresst, verblödet, ängstigt und fanatisiert, das wird dabei von vielen einfühlsamen Friedenskämpfern in der westlichen Welt<br>mitleidlos ignoriert. Deutsches Sprichwort: Fremdes Leid trägt sich leicht.<br><br>Die Regierenden in Berlin täuschen ihr Volk in jeder &quot;Tagesschau&quot; mit der korrekten Neuigkeit: Die Uno-Waffeninspektoren finden nichts Neues. Es gebe<br>also keinen Grund für einen Krieg gegen das Regime in Bagdad. Dabei wissen absolut alle, Freunde wie Feinde, dass diese A- oder B- oder C- Waffen in irgendwelchen nicht auffindbaren Bunkersystemen oder, paar Kilometerchen jenseits der syrischen Grenze beim hilfsbereiten Nachbarn, in aller Ruhe professionell versteckt worden sind und auf ihren Einsatz warten.<br><br>Ein präventiver Krieg sei, so reden viele unserer offiziösen Mahner, unbegründet und außerdem ein Bruch des Völkerrechts und also selber ein Kriegsverbrechen. Im selben Moment aber teilte die Gesundheitsministerin<br>den Deutschen mit, dass unser Staat beschlossen hat, ab sofort einhundert Millionen Einheiten Impfstoff gegen Pocken bereitzuhalten, also für die gesamte Bevölkerung. Das sind die Tranquilizer fürs Volk, verabreicht von provinziellen Quacksalbern, die kaum Besseres mit sich und dem Vaterland vorhaben, als die nächste Landtagswahl in einem Bundesland zu gewinnen.<br><br>Mich lässt eine apokalyptische Vision nicht los in diesen Tagen: Nehmen wir an, dieser gelernte Putschist, Oppositionskiller, Giftgaskriegsheld,<br>Kurdenausrotter, dieser gelernte Ölquellen-in-Brand-Setzer und gescheiterte Aggressor hat spätestens im ersten Golfkrieg vor zwölf Jahren kapiert, dass er gegen einen zur Verteidigung entschlossenen Westen nicht ankommt. Frankreich hatte ihm zwar Mirage-F-1-Bomber verkauft. Die USA, diese<br>weltpolitischen Dilettanten, hatten ihn grauenhaft kurzsichtig im Eroberungskrieg gegen den gefürchteten Chomeini-Iran unterstützt.<br><br>Arbeitslose Kernphysiker sind seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion bereit, jedem dreckigen Diktator gegen Gage seine &quot;dreckige Atombombe&quot; zu basteln. Deutsche Firmen lieferten aus sauberster Profitgier dem Irak<br>alles, was man zur Giftgasproduktion und zur Vervollkommnung primitiver Raketen braucht. Aber es existiert längst eine spottbillige und supermoderne Trägerrakete, die solch ein Regime weder heimlich<br>bauen, noch umständlich verstecken muss und mit deren Hilfe Kleinterroristen wie Bin Laden oder solche Großterroristen wie Saddam Hussein atomare oder chemische oder bakteriologische Massenvernichtungswaffen leicht ins Ziel bringen können: die Demokratie. Sie funktioniert todsicher in allen weltoffenen zivilen Gesellschaften.<br><br>In jeder westlichen Großstadt kann man mit dem nötigen Kleingeld jeden Tag auf dem freien Immobilienmarkt hundert geeignete Immobilien kaufen. Insbesondere private Einzelhäuser werden so gut wie niemals von<br>irgendwelchen Polizei- oder Sicherheitskräften beachtet, geschweige denn kontrolliert. Es wäre ein Klacks, in solch einem Haus eine funktionierende<br>Massenmordmaschine Stück für Stück im Laufe der Jahre zusammenzubauen.<br><br>Jede Firma liefert alles. Lästige Handelsembargos für kriegsgeeignete Spezialtechnik spielen im Inland keine Rolle. Und wenn dann ein getürkter Tanklaster einer Ölfirma gelegentlich vorfährt, kann der genauso gut<br>eine Giftbrühe oder eine mit Krankheitserregern präparierte Nährflüssigkeit für tödliche Epidemien in den zweckentfremdeten Heizöltank pumpen. Die Explosion kann dann im richtigen Timing ausgelöst werden, durch ein Signal, ein Code-Wort von sonst woher mit einem Mobiltelefon. Alle Metropolen der westlichen Welt sind geeignete Schauplätze zur Aufführung einer solchen<br>Tragödie, für die der 11. September in New York nur ein Vorspiel war.<br><br>Und was wird mit Israel? Ein paar mit deutscher Technik aufgemöbelte Raketen, die Nordkorea an den Irak geliefert hat, funktionieren wie im letzten Golfkrieg gut genug, um die kurze Distanz in Richtung<br>Israel zu bewältigen, so dass der winzige Judenstaat sich mit einem Schlag in eine riesige Gaskammer verwandelt. Das wäre dann die panarabische Endlösung der Judenfrage. Ich sah heute ein Foto in der Zeitung: Junge Israelis in einer Schulklasse üben mit den Gasmasken. Das ist der historische Fortschritt: Immerhin haben seit dem Trick mit den falschen<br>Duschräumen in Auschwitz diese Menschen inzwischen echte Gasmasken auf der Nase. <br>Schlau, wie die Juden nach Meinung der Antisemiten allerdings sind, werden die Israelis bei einem Raketenangriff auf ihr Land in luftdicht abgeklebten<br>Kellern unter den Wohnhäusern sitzen. Und dann teilen sie sich die präparierten Wasservorräte und das Essen ein. Aber wer in solcher Welt auch nur einen Monat in einem Bunker überlebt, der wird die schon verwesenden<br>Leichen auf der Straße beneiden. <br>Male ich den Teufel an die Wand? Liefere ich dem toll gewordenen Mörderpack etwa noch tollere Ideen mit solchem Horrorszenario? Egal wie es kommt, eines ist sicher: Alle Kontrahenten werden, wenn sie im Untergang überhaupt noch was sagen können und falls überhaupt noch ein Lebendiger zuhört, röcheln: &quot;Siehste&#33;&quot; - soll heißen: Alle werden sich bestätigt<br>fühlen, alle werden noch im Sterben die eitle Genugtuung genießen, Recht behalten zu haben. Auch ich.<br><br>Die Haltung unserer Regierung provoziert eine Chance, und die wird jeden fundamentalistischen Friedenskämpfer entzücken: Wenn wir kriegserfahrenen<br>Deutschen nun also dermaßen den Krieg als letztes Mittel der Politik ächten, sollten wir diese brachiale Friedensliebe auch furchtlos ausleben. Dann sollte unser Land konsequenterweise seine Armee auf der Stelle abschaffen. Die Steuermilliarden für den Wehretat könnten wir sparen. Eine totale Abrüstung wäre ein Segen für die bankrotten Kommunen. Der<br>Staatshaushalt wäre mit einem Schlage saniert&#33; Die Renten wären sicher&#33; Neue, ökologisch nachhaltige Arbeitsplätze könnten geschaffen werden&#33; Eltern und ihre Kinder, die es brauchen, könnten einen Kindergartenplatz finden. Mehr und besser ausgebildete Lehrer fänden einen Job.<br><br>Wenn nämlich das reiche und starke Deutschland so gar keine Feinde auf Leben und Tod mehr hat auf dieser Welt, Mensch&#33; dann sollte es getrost sein Schwert an den Ufern von Babylon niederlegen und baden gehen. Ich<br>meinte diese Idee ursprünglich mephistophelisch boshaft.<br><br>Aber nun überlege ich ohne Häme: Warum eigentlich nicht - womöglich hat sich der Hegelsche Weltgeist unseren ursprünglich falschen Friedenskanzler Schröder und seinen wandelbaren Außenminister als echt blind wirkende Prototypen einer Welt ohne Waffen ausgewählt. Wir erleben - das könnte doch sein&#33; - das Wirken der Hegelschen Geschichtsdialektik. Und können womöglich<br>später einmal mit stillem Pathos sagen: Wir sind dabei gewesen&#33; Wer weiß - ausgerechnet diese geschichtsdummen Deutschen könnten nun durch eine<br>Abschaffung der Armee den kindlich-klugen Dreh gefunden haben, mit dem der uralte Circulus vitiosus von Krieg und Frieden, von Gewalt und Gegengewalt ein für alle Mal durchbrochen wird: einseitige Abrüstung&#33; Die Deutschen haben im letzten Jahrhundert der Welt die zwei Weltkriege beschert - jetzt könnte es vom überlegenen Witz des Weltgeistes zeugen, wenn ausgerechnet Germania durch seine totale Selbstentwaffnung die Epoche eines Ewigen Friedens einläutet. So würde - diesmal in echt - am Deutschen Wesen doch noch die Welt genesen. Aber ich habe da - pardon - meine Zweifel.

2

24.03.2003, 19:53

Brachiale Friedensliebe

Nichts gegen dich... aber &nbsp;<!--emo&;)--><img src="http://www.mastersgames.de/forum/non-cgi/emoticons/wink.gif" border="0" valign="absmiddle" alt=';)'><!--endemo--> <br>wie kommt ihr immer darauf das jemand solche Texte in der Länge aufm Rechner guggt &nbsp;<!--emo&:p--><img src="http://www.mastersgames.de/forum/non-cgi/emoticons/tounge.gif" border="0" valign="absmiddle" alt=':p'><!--endemo-->

3

24.03.2003, 21:47

Brachiale Friedensliebe

<!--emo&:respekt:--><img src="http://www.mastersgames.de/forum/non-cgi/emoticons/respekt.gif" border="0" valign="absmiddle" alt=':respekt:'><!--endemo--> Endlich mal eine Meinung die ich teilen kann, und die auch noch auf literarisch hohem Niveau abgefaßt wurde. Großartig&#33;

4

24.03.2003, 22:02

Brachiale Friedensliebe

TKCB_Cranberry_ woher hast Du das denn bezogen? <br>Nochmal, alle Achtung, umfassender kann ich das gar nicht schreiben, finde einfach nur großartig das endlich auch so eine Meinung von einem bekannten Deutschen kommt, und das auch noch auf so einem Niveau...muß meine Lobhudelei in den Griff kriegen <br> <br> <br> <!--emo&:D--><img src="http://www.mastersgames.de/forum/non-cgi/emoticons/biggrin.gif" border="0" valign="absmiddle" alt=':D'><!--endemo--> &nbsp;<!--emo&:bounce:--><img src="http://www.mastersgames.de/forum/non-cgi/emoticons/bounce.gif" border="0" valign="absmiddle" alt=':bounce:'><!--endemo-->

5

24.03.2003, 22:23

Brachiale Friedensliebe

Jo Respekt, in diese kräftige Sprache kann man auch mal etwas Lesezeit investieren. Stimme ihm auch zu einem großen Teil zu, aber ich denke er sieht die Rolle der USA viel zu blauäugig. <br><br><i>Mit absoluter Sicherheit geht es dem Bush-Regime nicht um Menschenrechte oder Massenvernichtungswaffen, das ist nur ein Vorwand, um, auch auf die Gefahr hin, einem Klischee zu verfallen, an die Rohstoffe zu kommen&#33;</i><br><br>Warum greift Bush denn nicht anderswo ein, wo eine potentielle Gefahr besteht? Und welche Motive steckten tatsächlich im Eingreifen bei Krisen wo es Sinn zu machen schien?
Der Flug einer Mücke gleicht einer Apokalypse... <br>1 2

Beiträge: 2 748

Wohnort: 51° 7'52.79"N 6°27'3.13"E

Beruf: GER

  • Nachricht senden

6

24.03.2003, 23:09

Brachiale Friedensliebe

Die Antwort darauf in der folgenden Spiegelausgabe:<br><br> <i>Wir sind alle Amerikaner<br> <br>Cordt Schnibben über Friedenskritik und Kriegsblinde<br>  <br>Demonstration in London: &quot;Aus dem Bauch heraus&quot;<br><br>Dank schulden wir den Amerikanern, weil sie uns von den Nazis befreiten; Dank schulden wir ihnen, weil sie die Sowjetunion zu Tode rüsteten und die DDR befreiten; und aus lauter Dankbarkeit sollen wir für den Krieg gegen Saddam Hussein sein - legen uns George W. Bush, Angela Merkel und nun auch Wolf Biermann nahe, uns, den Friedensmemmen und Antiamerikanern, uns, den Kindern der Nazi-Täter, die &quot;reflexartig und prinzipiell gegen jeden Krieg&quot; sind. <br><br>Ja, mein Vater war Nazi, er schleppte mich zu Geländespielen der &quot;Wiking Jugend&quot;, ja, er hasste die Amerikaner und erzählte Juden-Witze. Glücklicherweise entdeckte ich eines Tages einen Karton mit Jerry-Cotton-Romanen auf unserem Dachboden, zurückgelassen von einem ausgezogenen Mieter. Mit dem FBI-Agenten hetzte ich nun im Jaguar durch New York, den Bronx River Parkway hoch, jagte durch Harlem und Chinatown, lief durch den Central Park, hielt morgens die druckfrische &quot;New York Times&quot; in der Hand, wollte von meiner Mutter knusprig gebratenen Schinken, Spiegelei und frisch gerösteten Toast zum Frühstück, spielte mit meiner 38er und stellte mir vor, wie eisgekühlter Bourbon schmeckt. <br><br><br> Abends hörte ich unter der Bettdecke den Piratensender &quot;Radio Caroline&quot;, und am Wochenende spielten die &quot;Shakespeares&quot; im Saal der Kirchengemeinde &quot;Fa, fa, fa, fa, fa&quot; von Otis Redding, &quot;Land of 1000 Dances&quot; von Wilson Pickett, &quot;What Is Soul?&quot; von Ben E. King. <br><br><br> Wann ich das erste Mal das Wort &quot;Vietnam&quot; hörte, weiß ich nicht mehr, aber alles, was ich hörte, hielt ich für Gräuelmärchen der Russen. Erst als der Pastor im Konfirmandenunterricht über den Krieg im Dschungel sprach, dämmerte mir langsam, dass die Amerikaner da in irgendwas verwickelt waren, was nichts mit meinem Amerika zu tun haben konnte. <br><br>Mein erstes Flugblatt tippte ich heimlich im Arbeitszimmer meines Vaters auf einer Matrize und forderte &quot;Freiheit für Angela Davis&quot;, Freiheit für eine schwarze Amerikanerin, der in den USA der Prozess gemacht wurde wegen irgendeiner rassistischen Sauerei. Da steckten ich und meine Mitschüler schon mittendrin in der Erforschung meines Märchenlandes, entdeckten Malcolm X und Cassius Clay, staunten über die Invasion in der Schweinebucht, die Operation &quot;Powerpack&quot; in der Dominikanischen Republik, über den langen Arm der CIA in Indonesien und Griechenland, sammelten alles, was wir über den Vietnam-Krieg in die Finger kriegen konnten: Tonking-Zwischenfall, Massaker von My Lai, Pentagon Papers. <br><br><br>Dank schulden wir den Amerikanern, weil sie uns von den Nazis befreiten; Dank schulden wir ihnen, weil sie die Sowjetunion zu Tode rüsteten und die DDR befreiten; und aus lauter Dankbarkeit sollen wir für den Krieg gegen Saddam Hussein sein - legen uns George W. Bush, Angela Merkel und nun auch Wolf Biermann nahe, uns, den Friedensmemmen und Antiamerikanern, uns, den Kindern der Nazi-Täter, die &quot;reflexartig und prinzipiell gegen jeden Krieg&quot; sind. <br><br>Ja, mein Vater war Nazi, er schleppte mich zu Geländespielen der &quot;Wiking Jugend&quot;, ja, er hasste die Amerikaner und erzählte Juden-Witze. Glücklicherweise entdeckte ich eines Tages einen Karton mit Jerry-Cotton-Romanen auf unserem Dachboden, zurückgelassen von einem ausgezogenen Mieter. Mit dem FBI-Agenten hetzte ich nun im Jaguar durch New York, den Bronx River Parkway hoch, jagte durch Harlem und Chinatown, lief durch den Central Park, hielt morgens die druckfrische &quot;New York Times&quot; in der Hand, wollte von meiner Mutter knusprig gebratenen Schinken, Spiegelei und frisch gerösteten Toast zum Frühstück, spielte mit meiner 38er und stellte mir vor, wie eisgekühlter Bourbon schmeckt. <br><br>Abends hörte ich unter der Bettdecke den Piratensender &quot;Radio Caroline&quot;, und am Wochenende spielten die &quot;Shakespeares&quot; im Saal der Kirchengemeinde &quot;Fa, fa, fa, fa, fa&quot; von Otis Redding, &quot;Land of 1000 Dances&quot; von Wilson Pickett, &quot;What Is Soul?&quot; von Ben E. King. <br><br>Wann ich das erste Mal das Wort &quot;Vietnam&quot; hörte, weiß ich nicht mehr, aber alles, was ich hörte, hielt ich für Gräuelmärchen der Russen. Erst als der Pastor im Konfirmandenunterricht über den Krieg im Dschungel sprach, dämmerte mir langsam, dass die Amerikaner da in irgendwas verwickelt waren, was nichts mit meinem Amerika zu tun haben konnte. <br><br>Mein erstes Flugblatt tippte ich heimlich im Arbeitszimmer meines Vaters auf einer Matrize und forderte &quot;Freiheit für Angela Davis&quot;, Freiheit für eine schwarze Amerikanerin, der in den USA der Prozess gemacht wurde wegen irgendeiner rassistischen Sauerei. Da steckten ich und meine Mitschüler schon mittendrin in der Erforschung meines Märchenlandes, entdeckten Malcolm X und Cassius Clay, staunten über die Invasion in der Schweinebucht, die Operation &quot;Powerpack&quot; in der Dominikanischen Republik, über den langen Arm der CIA in Indonesien und Griechenland, sammelten alles, was wir über den Vietnam-Krieg in die Finger kriegen konnten: Tonking-Zwischenfall, Massaker von My Lai, Pentagon Papers. <br><br>Ja, wir haben uns unseren Antiamerikanismus hart erarbeitet. <br><br>Viel später konnten wir aus der Biografie von Robert S. McNamara erfahren, dem US-Verteidigungsminister jener Zeit, dass der Vietnam-Krieg, der uns vorgekommen war wie ein kalt geplanter Völkermord im Dienste der Freiheit, nicht mehr war als das über ein Jahrzehnt anhaltende Irren eines Haufens wild um sich schießender Militärs und Minister. &quot;Töricht&quot; sei dieser Feldzug gegen das Böse gewesen, der über zwei Millionen Amerikaner und Vietnamesen das Leben kostete, gestand der Rumsfeld jener Jahre; die Regierenden seien von &quot;verzweifelter Tatkraft&quot; beseelt gewesen und von der &quot;Entschlossenheit, irgendetwas gegen die weitere Ausbreitung des Kommunismus zu unternehmen&quot;. <br><br>Das Überleben und den Erfolg der Freiheit hatte John F. Kennedy 1961 bei seinem Amtsantritt der Welt und uns versprochen, &quot;alle Nationen sollen wissen, egal ob sie uns wohlgesinnt sind oder nicht, dass wir bereit sind, jeden Preis zu zahlen&quot;. Die &quot;Dominotheorie&quot; beherrschte sein Denken und das seiner Regierung: Wenn eines der Länder in Südostasien in die Hände der Kommunisten falle, würden alle Staaten der Region wie umstürzende Dominosteine bald ebenfalls dem Reich des Bösen zufallen. <br><br>In Vietnam wollte Kennedy zeigen, wie ernst es den USA war mit ihrem Versprechen, die Welt zu befreien und die USA zur politischen, militärischen und moralischen Führungsmacht zu machen, und seine Nachfolger Johnson und Nixon eiferten ihm nach. Immer mehr amerikanische Bomben, Panzer und Soldaten wurden nach Vietnam verschickt, immer mehr Verbündete mussten die USA unterstützen. <br><br>Auch die Deutschen ließ der Krieg kämpfen: Die Freiheit Berlins werde in Saigon verteidigt, sagten die einen; sie wollten deutsche Soldaten hinüberjagen und Kampfhubschrauber, aber dann begnügten sie sich damit, den südvietnamesischen Soldaten Schäferhunde zu schicken und den Witwen amerikanischer Soldaten kleine Kopien der Berliner Freiheitsglocke. Die Würde aller Menschen werde in Vietnam zertreten, sagten die anderen; sie veranstalteten Protestmärsche und Tribunale, sie ließen Scheiben klirren und Molotowcocktails fliegen, und sie verbrannten Sternenbanner. <br><br>Der Vietnam-Krieg veränderte Deutschland: Er schürte Zweifel am American Way of Life und an dem, was von vielen Empörten nun &quot;Weltimperialismus&quot; genannt wurde; er politisierte Schriftsteller, Künstler und Filmemacher; er machte aus einem bis dahin bloß antiautoritären Generationenaufstand eine Revolte; und er ließ eine kleine radikale Minderheit den ersten Terrorakt begehen. Andreas Baader und seine Freunde steckten ein Frankfurter Kaufhaus in Brand, &quot;aus Protest gegen die Gleichgültigkeit, mit der die Menschen dem Völkermord in Vietnam zusehen&quot; - um später selbst zu Mördern zu werden. <br><br>Aus dem Dschungelkrieg gegen eine Ameisenarmee wurde ein globaler Krieg um Köpfe. Die Fernsehnachrichten trugen die Gewalt so lange in die Wohnzimmer der Welt, bis die Front gegen die USA den Erdball umspannte und es in den Straßen mancher Metropole zuging wie in Saigon während der Tet-Offensive. <br><br><br>Als die USA 1975 Vietnam verließen, war die Führungsmacht des Westens nicht nur militärisch geschlagen, sondern vor allem moralisch erledigt. In den siebziger und achtziger Jahren begleiteten die westlichen Völker das politische Gebaren ihrer Führungsmacht mit antiamerikanischem Misstrauen; Militäraktionen in Iran, auf Grenada, in Libyen, in Panama schürten die Skepsis. Seit dem Golfkrieg 1991 allerdings gewann die USA wieder an Ansehen, auch die Militäreinsätze in Somalia, Bosnien und Kroatien, im Kosovo ließen die Hoffnung wachsen, die größte Militärmacht der Welt werde nun als Militärpolizist der United Nations die Drecksarbeit machen und überall dort eingreifen, wo Schurken und Verrückte den Weltfrieden bedrohen. <br><br>Deshalb war nach den Anschlägen des 11. September die weltweite Solidarität mit den USA nicht nur eine menschliche Geste, sondern eine politische Demonstration: Wir müssen den USA beistehen, weil sie uns schützen. Die Attentate zerstörten nicht nur das World Trade Center, sondern auch das weit verbreitete antiamerikanische Klischee, die Bedrohung der Welt durch islamistische Terroristen sei eine Erfindung der CIA. Das Netzwerk Osama Bin Ladens, jahrelang ignoriert oder unterschätzt, wurde als lebensbedrohlich wahrgenommen, und deshalb waren die Völker der westlichen Welt wohl nie so sehr Amerikaner wie in den Monaten nach dem 11. September und in den Wochen des Afghanistan-Kriegs. <br><br>Seit der Irak ins Fadenkreuz der amerikanischen Regierung geriet, fällt diese Wirsind-alle-Amerikaner-Front auseinander, und das liegt nicht - lieber Herr Biermann, Frau Merkel, Mr. Bush - an fehlender Dankbarkeit, an pazifistischer Ängstlichkeit, an weltfremder Blindheit oder an antiamerikanischer Traditionspflege. Das liegt daran, dass der amerikanische Präsident sich im September 2002 in einer neuen nationalen Sicherheitsstrategie das Recht eingeräumt hat, Präventivkriege gegen potenzielle Angreifer führen zu dürfen, und dass er von der Uno und der Nato und den amerikanischen Verbündeten erwartet, den ersten dieser Kriege gegen Saddam Hussein zu unterstützen - ohne sie zu fragen und die Öffentlichkeit darüber zu informieren, wie denn der Nahe Osten und der Rest der Welt am Ende dieser &quot;globalen Unternehmung von ungewisser Dauer&quot; aussehen sollen. <br><br>Was dem Fernsehzuschauer und Tageszeitungsleser erscheint wie der surreale Streit zwischen Diplomaten, Waffeninspektoren, Präsidentenberatern und Verteidigungsministern über Resolutionen, Satellitenbilder, Raketenreichweiten und Inspektionsfristen, ist tatsächlich der Streit zwischen den USA und Frankreich, Russland, China, Deutschland und vielen anderen Staaten der Uno darüber, wie unumschränkt die Macht der letzten und einzigen Weltmacht sein darf und wie wenig die früheren Weltmächte noch zu sagen haben. Der Irak-Konflikt verschärft wie ein Katalysator all die Probleme, die seit dem Ende des Kalten Krieges gären: Wie soll die Uno Diktatoren zur Rechenschaft ziehen, muss das Völkerrecht verschärft werden? Welche Aufgabe hat die Nato noch, müssen die Staaten der EU aufrüsten, um militärisch nicht mehr vom Schutz der USA abhängig zu sein? <br><br>Alle Staatsmänner reden in diesem Konflikt, wie die Indianer sagen, mit gespaltener Zunge, und darum sagt Fischer in München auf der Sicherheitskonferenz nicht: &quot;Mr. Rumsfeld, wir beide wissen doch, dass bei Ihnen 60 Staaten unter Terrorismusverdacht stehen, diese Liste hat mir Ihr Stellvertreter unter die Nase gehalten, aber wir wissen nicht, gegen wie viele Länder Sie Krieg führen wollen, darum stellen wir lieber gleich beim ersten Krieg klar: Nicht mit uns&#33;&quot; Das sagt er nicht, sondern er sagt: &quot;I am sorry, but I am not convinced&#33;&quot; Und Gerhard Schröder ruft den Wählern in Goslar nicht zu: &quot;Also Leute, ich sag euch, der Bush, der hat jetzt so &#39;ne neue Strategie, die hat er mit mir nicht besprochen und mit Chirac auch nicht, aber wir sollen seinen Krieg bezahlen - ich bin doch nicht blöd.&quot; Das sagt er nicht, er sagt: &quot;Rechnet nicht damit, dass Deutschland einer den Krieg legitimierenden Resolution zustimmen wird.&quot; Und im Bundestag sagt der Kanzler: &quot;Es geht darum, ob Willensbildung multilateral bleibt.&quot; <br><br>Ein Junge, der von seinem größeren Bruder ignoriert wird, fängt an, trotzig mit Kieselsteinen zu werfen, und ungefähr so hat Schröder dem Präsidenten auf der anderen Seite des großen Teichs während des Bundestagswahlkampfs zu verstehen gegeben, dass er gefragt werden möchte, wenn die USA den Nahen Osten umzubauen gedenken und dabei auf seine Unterstützung zählen. <br><br>Dominosteine sollen wieder fallen, diesmal in die andere Richtung, erst der Irak, dann Iran, dann Syrien; Diktatoren sollen mit Gewalt durch demokratische Regime abgelöst werden, damit Schurken in Präsidentensesseln islamistische Terroristen nicht mit Massenvernichtungswaffen versorgen können; die USA &quot;werden die Gunst der Stunde nutzen&quot;, hat Bush in seiner Sicherheitsstrategie formuliert, um die &quot;Vorzüge der Freiheit in der ganzen Welt zu verbreiten&quot;, und er will sich dafür einsetzen, &quot;die Hoffnung auf Demokratie und freien Handel in jeden Winkel der Erde zu tragen&quot;. <br><br>Nicht nur Schröder und Fischer wurden durch die Proteste gegen den Vietnam-Krieg politisiert, auch viele der vielen Außenminister und Botschafter, die sich in den letzten Wochen in der Uno gegen den Irak-Krieg ausgesprochen haben, gehören zur Generation der Vietnam-Kriegs-Gegner und reagieren skeptisch auf die Neuauflage dieser Reißbrettpolitik, die wieder, wie damals, Demokratie auf Bombenteppichen abwerfen möchte. <br><br>Da ist ein US-Präsident mit seinem Kampfauftrag, ein Präsident, der stolz darauf ist, &quot;aus dem Bauch heraus&quot; zu handeln. Da sind Pentagon-Berater, die ihm schon seit September 2001 raten, das Irak-Problem militärisch zu lösen. Da ist ein US-Senat, den das dienstälteste Kongressmitglied kritisiert, in diesem Parlament herrsche &quot;unheilvolles, beklemmendes Schweigen&quot;, es gebe &quot;keine Debatten, keinen Versuch, der Nation das Für und Wider dieses Krieges darzulegen&quot;. Da ist die Nato, die die neue Präventivstrategie militärisch absichern soll, weil sie sonst &quot;irrelevant&quot; wird; da sind Frankreich und Deutschland, die sowieso alt und &quot;irrelevant&quot; sind; da sind die United Nations, deren Sicherheitsrat den Krieg völkerrechtlich absegnen soll, weil er sonst &quot;irrelevant&quot; wird. <br><br>Diese Art von Kriegspropaganda hat die USA in der Uno isoliert und über sechs Millionen Menschen rund um den Erdball auf die Straße getrieben. Stadträte von über 90 amerikanischen Kommunen, auch in Chicago, Washington, Austin, Philadelphia, stimmten in Entschließungen gegen den Krieg. Und dem Nato-Verbündeten Türkei soll die militärische Solidarität mit mindestens 15 Milliarden Dollar abgerungen werden. <br><br>Das Kriegsmarketing der USA leidet unter einem Problem: Die Diplomaten, die Regierungen, die Verbündeten, die Leute auf der Straße sind nicht überzeugt davon, dass alle friedlichen Mittel ausgeschöpft sind, den Diktator zu entwaffnen. Sie glauben nicht, dass die Bedrohung durch ihn noch so groß und so aktuell ist, um einen Präventivkrieg zu rechtfertigen. Vieles von dem, was Außenminister Powell der Welt im Sicherheitsrat an Beweisen präsentierte, hielt der Überprüfung durch die Waffeninspektoren nicht stand (&quot;Müll&quot;) und reicht den meisten Regierungschefs nicht, um das Risiko eines Krieges einzugehen; zumal Powell noch im August letzten Jahres seinen Präsidenten vor dem &quot;Hexenkessel&quot; gewarnt hat, in den der Nahe Osten durch die Invasion verwandelt werde (SPIEGEL 8/2003). <br><br>Militärisch sei der Irak-Krieg kein Risiko, meinen Powell und Bush, ein zweites Vietnam sei nicht zu erwarten, der Irak sei schnell zu besiegen. Man wünscht, dass sie Recht behalten, aber wie, Mr. Bush, wollen Sie nach einem schnellen, sauberen Sieg (mit Zehntausenden, vielleicht Hunderttausenden toten Irakern) der Welt erklären, warum Husseins chemische und biologische Waffen vom Erdboden verschwunden geblieben sind? Waren sie nicht einsatzfähig? Oder hat es sie gar nicht gegeben? <br><br>Militärisch haben die USA dann gesiegt, aber als Führungsmacht der Welt sind sie geschwächt - wie nach dem Vietnam-Krieg. Dabei braucht die Welt, bedroht von Terroristen und Schurken, noch ungeordnet nach dem Ende des Kalten Krieges, nichts mehr als eine Supermacht, die ihre militärische Stärke diplomatisch einsetzt. Sie haben Recht, Mr. Bush, Frau Merkel, Herr Biermann, ohne den Truppenaufmarsch an seinen Grenzen hätte Hussein keine Inspektoren ins Land gelassen. Und sicher ist auch, dass in dieser Welt Pazifismus als Weltanschauung nicht viel weiterhilft, es werden noch Kriege geführt werden müssen. Aber Herr Bush, wenn Sie &quot;die Chance ergreifen&quot; wollen, &quot;Großes zu verwirklichen&quot;, warum agieren Sie dann wie ein Jerry Cotton und zwingen mit Drohungen, Beschimpfungen und Dollar-Schecks eine Koalition der Unwilligen zusammen, statt mit Geduld und Geschick die große Koalition gegen den Terrorismus zusammenzuhalten? Glauben Sie wirklich, Sie können aus der Uno ein ernst zu nehmendes Parlament der Völker machen, indem Sie dem Sicherheitsrat drohen, er mache sich unglaubwürdig, wenn er nicht Ihrer Meinung sei? <br><br>Und, Frau Merkel, meinen Sie, deutsche und europäische Interessen lassen sich nur vertreten, wenn man im Windschatten der Dankbarkeit auf Knien durch Washington rutscht? Ja, wir sind mehr Amerikaner, als wir Franzosen, Russen oder Chinesen sind, aber deshalb müssen wir uns das Recht nehmen, diesen Präsidenten allein laufen zu lassen, wenn er uns ins angekündigte Desaster führen will. <br><br>Und, Mr. Bierman, es wird Zeit, dass Sie abrüsten. Der Kalte Krieg ist vorbei, vernichten Sie Ihre Massenvernichtungswaffen, hören Sie auf, mit Senfgassätzchen auf ein paar Millionen Demonstranten zu feuern. Woher die Wut? Was stört Sie an Leuten, die &quot;Völkerrecht - can you spell it?&quot; auf ein Pappschild malen und durch die Straßen ziehen? Merken Sie nicht, dass die nicht Reflexen folgen, sondern Zweifeln? Warum sind für Sie Hunderttausende Berliner Friedensdemonstranten so verachtenswert wie &quot;hakenkreuzbrave Deutsche&quot;, die im Berliner Sportpalast den totalen Krieg herbeibrüllten? Und warum glauben Sie, diese 20-, 30 -, 40-Jährigen seien gegen den Irak-Krieg, weil sie &quot;den Vereinigten Staaten offenbar niemals verzeihen&quot;, das Land von den Nazis befreit zu haben? <br><br>Willkommen im Verein der Kriegsblinden&#33;</i>

7

24.03.2003, 23:35

Brachiale Friedensliebe

ja genau. Der Beitrag ist aus dem Spiegel&#33;

8

24.03.2003, 23:44

Brachiale Friedensliebe

Die Antwort von Cordt Schnibben ist ja mehr als schwach. Er geht weder auf die reale Bedrohung ein, darüber redet er erst gar nicht, sondern nennt nur alte Schandtaten oder faselt von Floskeln der Vergangenheit. <br>Wenn er wenigstens auf die bestehenden Argumente für diesen Krieg eingehen würde...aber nein, das ist natürlich zuviel verlangt, bloß mit der &quot;moralischen Überlegenheit des Pazifisten&quot; kanzelt er ab. <br>Wo sind sein Lösungsvorschläge die nachhaltig und wirksam sind?<br>Keine haben, und den Westen damit zur Handlungsunfähigkeit zu verdammen. Wirklich sehr gut, kritisieren ist immer leicht, aber bessere Lösungen zu entwickeln, das ist manchmal ungleich schwieriger.

Beiträge: 2 748

Wohnort: 51° 7'52.79"N 6°27'3.13"E

Beruf: GER

  • Nachricht senden

9

25.03.2003, 00:22

Brachiale Friedensliebe

Die Lösungsvorschläge waren die Abrüstungen durch die UN. Hast Du vielleicht die letzten Monate was verpasst? <!--emo&;)--><img src="http://www.mastersgames.de/forum/non-cgi/emoticons/wink.gif" border="0" valign="absmiddle" alt=';)'><!--endemo--> <br><br>Es gibt außerdem keine vernünftigen Argumente für einen Krieg <b>zu dieser Zeit&#33;</b> Der Irak fing an abzurüsten und das sollte mit der Resolution erreicht werden. Und nicht der Sturz des Regimes.<br><br>Und dieser Krieg ist keine Lösung. Der Hass, der sich jetzt gegen Amerikaner bildet, wird jahrelange Nachwirkungen haben. Und was dann? Die restlichen Länder mit Krieg befrieden?

10

25.03.2003, 00:24

Brachiale Friedensliebe

Wie sich das auf den Rest der islamischen Welt auswirken wird (langfristig), wird davon abhängen wie schnell und effektiv ein säkularer irakischer Rechtsstaat aufgebaut werden kann.<br>Wenn dies gelingt, ist das die beste Chance den Nahen Osten langfristig befrieden und den Islamismus zu bekämpfen können.

11

25.03.2003, 00:36

Brachiale Friedensliebe

Nur weil es von Biermann geschrieben ist, ist es noch lange nicht richtig, ich schätze den Mann sehr, aber manchmal liegt er daneben.<br>Wo ich ihm aber rechtgebe ist dieser Antiamerikanismus, der sich auch hier im Forum schon vorher zeigte mit Beiträgen über die dummen Amis, denen wir überlegen sind.<br>Dabei wird übersehen, daß es in den USA eine kritische Bewegung gibt, die einfach auf die Ignore-Liste gesetzt wurde und Europa übergeht auch diese Menschen, indem man immer die dummen Amis über einen Kamm schert.<br>Mich persönlich freut ein Moore, der sich Gehör verschafft.<br><br>Thor schau in den Nachrichten wie sich die Ägypter freuen, die machen richtige Straßenpartys...

12

25.03.2003, 00:45

Brachiale Friedensliebe

Das da oben ist Biermann&#39;s Meinung und nicht meine&#33;

13

25.03.2003, 00:52

Brachiale Friedensliebe

Sie sind ja auch massiver Propaganda von Islamisten und arabischen Nachrichtensendern ausgesetzt. Wenn sich der Staub erst wieder gelegt hat, und die USA ihr Modell erfolgreich umsetzen können, dann würden die Islamisten massive Einbrüche erleben, und in eine geradezu verzweifelte und depressive Stimmung verfallen.<br>Mit vielleicht folgenden Anschlägen würden sie die Öffentlichkeit dann nur noch eher von sich entfernen. Alle die dann noch dem Islamismus in seiner extremen Abart anhängen würden, wären sowieso unversöhnlich, ganz egal was der Westen auch tun würde.<br>Wie gesagt, wenn das Nation building funktioniert, dann ist das eine Großtat der USA, die ihresgleichen in der Geschichte der letzen Jahrzehnte sucht.

<br><br><!--EDIT|Thor77|März. 25 2003,00:54-->

Beiträge: 2 748

Wohnort: 51° 7'52.79"N 6°27'3.13"E

Beruf: GER

  • Nachricht senden

14

25.03.2003, 08:45

Brachiale Friedensliebe

@Thor: Da glaubst Du doch nicht selbst dran?&#33;  <!--emo&???--><img src="http://www.mastersgames.de/forum/non-cgi/emoticons/confused.gif" border="0" valign="absmiddle" alt='???'><!--endemo--> Die haben eine ganz andere Mentalität. Während &#39;45 die Bevölkerung der europäischen Länder froh war, daß Hitler-Deutschland vernichtet wurde, steht nun ein großer Teil der arabischen Bevölkerung an der Seite des Iraks. Sie fühlen sich von Bush bedroht, nicht von Saddam.<br><br>Deine Lösung, so schön sie auch sein mag, ist ehr ein Wunschdenken. Kann ich nicht dran glauben, wäre aber froh, wenn Du Recht hättest.

15

25.03.2003, 11:21

Brachiale Friedensliebe

........und wenn es nicht funktioniert, dann war es halt nur ein weiteres Vietnam - shit happens? &nbsp; <!--emo&???--><img src="http://www.mastersgames.de/forum/non-cgi/emoticons/confused.gif" border="0" valign="absmiddle" alt='???'><!--endemo-->

16

25.03.2003, 11:25

Brachiale Friedensliebe

.....brabbel...brabbel...hindukusch...brabbel...brabbel...hust...brabbel...Vietnam...brabb<br>el...Frankreich...brabbel...brabbel...Amerika...brabbel...brabbel... brabbel...verschätzt...hehehe....

17

25.03.2003, 12:53

Brachiale Friedensliebe

Dann wissen wir wenigstens wer Schuld hat, nämlich die Pazifisten Union weil sie die gute Moral zerstört und die Terroristen unterstützt hat. <br>Danke für eure Mithilfe. &nbsp;<!--emo&;)--><img src="http://www.mastersgames.de/forum/non-cgi/emoticons/wink.gif" border="0" valign="absmiddle" alt=';)'><!--endemo--> <br>Meine ich nicht im vollen Umfang ernst, aber denkt mal drüber nach, tut mir den Gefallen.