Als eine Triebfeder des beinahen Systemzusammensturzes war schnell die schier grenzenlose Gier der verantwortlichen Banker ausgemacht. Anstatt sich in Bescheidenheit und Dankbarkeit zu ergeben, gingen die Forderungen nach Bonuszahlungen etc. sofort wieder los.
Du und viele platte Medien haben es vielleicht so ausgemacht, aber unter Wirtschaftswissenschaftlern, vor allem neuerer Prägung, ist überhaupt nicht ausgemacht, dass es Gier war.
Man versteht Märkte einfach noch viel zu schlecht, was sicher auch an sehr einfältigen Konzepten der Wirtschaftswissenschaften oder Sozialwissenschaften insgesamt liegt. Es gibt aber neuere Arbeiten über Crashs, welche diese Phänomene vielschichtiger sehen. Vielleicht sind Crashs strukturell auch gar nichts besonderes, d.h. alle Börsenausschläge, ob nun einige wenige Punkte oder hunderte oder tausende von Punkten, sind selbstähnlich zueinander über sehr viele Skalen. Dies ist aktuell ein sehr aktives Forschungsfeld - aber die befriegensten Erklärungsansätze sind weit von "übermäßige Gier" oder "Sub-Prime" als Hauptursachen entfernt.
Man könnte dann Crashs vielleicht sogar erkennen und Blasen "platzen" lassen, bevor sie zu groß werden. Davon sind wir aber sich mind. noch ein Jahrzehnt entfernt, eher weiter. Aber solche Ideen werden gerade entwickelt - auch wenn sie hochmathematische Modelle voraussetzen und man nicht einfach nur mal nett drüber Reden oder alles monokausal auf "Gier" schieben kann.
Was stimmt, viele Banken haben zu schlechte Risikomodelle gehabt - einige von denen gibt es jetzt aber auch nicht mehr. Die Regulierung der Finanzmärkte ist sicher auch suboptimal. Hinzu kommt ein Staatsschuldensystem, oder eigentlich noch eine "demokratieimanente Tendenz zur Verschuldung" aufgrund falscher Anreizausgestaltungen. Da sind nicht die einzelnen Politiker dran Schuld, genauso wenig wie die einzelnen Bänker - das System als solches mit seinen Regeln und Anreizen ist es. Die aktuelle Politik ist einfach sehr langsam darin strukturelle Reformen auf den Weg zu bringen, welche die zukünftige Politik selbst einschränken. Stattdessen verzettelt man sich mit immer größeren Staatsprojekten bei der Neu-Elektrifizierung von Deutschland mit Quoten etc., bei denen jeder 5-Jahres-Plan verblassen würde.
Der Eindruck, der sich nun verfestigte, ist der: Steuergeld wird in einem nicht geringen Umfang dazu aufgewendet Banken zu retten, die das Geld auch in Form von Bonuszahlungen an die gleichen raffgierigen Banker ausschütten, die uns die Krise mit ihrer Gier überhaupt erst eingebrockt haben. Gleichzeitig wird im Sozial- und Gesundheitswesen rekordverdächtig gekürzt und wir alle müssen "kürzer treten" und mehr "Eigenverantwortung" in den Bereichen Gesundheit, Absicherung und Altersvorsorge übernehmen.
Und da wundert sich jemand, dass da politische Gruppierungen drauf aufsatteln und Zustimmung ernten?
Im Sozial- und Gesundheitssystem wird eigentlich kaum gekürzt, die Leistungen und Ansprüche wachsen sehr schnell. Computer und Internet gehören zum sozio-kulturellen Existenzminimum, vor 15 Jahren war es gerade mal ein Telefon.
Beid er Gesundheit sieht man weit deutlicher, wie schnell sich die Medizin weiter entwickelt. Meine Mutter wurde gestern operiert, heutzutage verwenden sie Methoden, welche vor 15 Jahren noch als experimentell galten! Es ist auch nicht weiter verwunderlich, dass der Anteil der Gesundheitskosten am BIP ansteigen ist.
Für beide Systeme, sowohl Sozial- wie auch Gesundheitssystem gilt, dass sie in der aktuellen Form zukünftig nicht mehr finanzierbar sind. Genau genommen sind sie es ja heute schon nicht mehr richtig. Daher sind Reformen normal und sinnvoll, welche etwas an der Finanzierungs- und Leistungsseite ändern. Dies gilt vor allem für das Gesundheitssystem.
In einer immer stärker ausdifferenzierten Welt mit Informationen als neuer Ressource und einer so aufgeklärten Bevölkerung wie noch nie ist es nicht verwunderlich, dass diese Bevölkerung in vielen Lebensbereichen immer mehr Eigenverantwortung einfordert. In anderen Lebensbereichen muss sie dann auch mehr Eigenverantwortung tragen. Ich finde es durchaus richtig die Entscheidung über Rauchen/Drogen oder Extremsport mit Gesundheitskosten zu koppeln, nicht allein um ein Bewusstsein für diese Zusammenhänge zu schaffen.
Das entscheidendere ist doch aktuell die EURO-Rettungsfrage. Bei den Banken waren es zumeist Bürgschaften, welche nicht gezogen werden mussten oder wo die Kosten immerhin noch hoch, aber überschaubar für Deutschland blieben. Einen großen Teil haben eh die Sparkassen mit ihren Landesbanken gebraucht.
Beim Euro-Bonds können wir schnell in eine zentralisitische Wirtschaftsregierung französischer Prägung schlittern oder in ein System des Länderfinanzausgleichs, welches jegliche Haushaltsdisziplin marginalisiert und es zu einer Konvergenz von hohen Zinsen und überbordenden Staatsschulden kommt. Dies sehe ich viel gefährlicher. Bei einem Wirtschaftscrash geht es vielen mal 2-5 Jahre schlecht, aber bei einem schleichenden Staatsbankrott kann es eine gesamte Generation über Jahrzehnte erwischen.
Aktuell hat sich bspw. Frankreich mit ca. 7% des BIP verschuldet, wollte diese Quote dieses Jahr auf ca. 5,5% drücken - woraus jetzt aber wohl auch nichts mehr wird. Die aktuelle Gesellschaft lebt weit über ihren Möglichkeiten, da kommen zu hohe Sozialleistungen auch mit hinein. Infrastruktur und primäre Staatsleistungen müssen erhalten werden, dazu die Pensionsverpflichtungen der Vergangenheit bedient werden. Darauf kommen die sozialen Transfers und ein wenig sollte auch noch investiert werden, damit es uns nicht wie der DDR (oder den USA bei der Infrastruktur) ergeht.
Und nur eine Reichensteuer wird auch nicht die Probleme lösen, dafür gibt es viel zu wenig Reiche, die ja übrigens jetzt auch schon viele Steuern zahlen - im übrigen viel mehr, als sie profitieren, siehe der folgende Beitrag:
FAZ: Transferleistungen - Unserer Mittelschicht geht es prächtig
FAZ: Frankreich - Angeschlagener Pfeiler