Genosse Disa hat das schon sehr gut zusammengefasst.
Was ich unter Vulgärliberalismus verstehe, ist ein Liberalismus, der, ganz einfach gesprochen, ausschließlich mit einem negativen Freiheitsbegriff operiert. "Niemand soll mir verbieten X Y Z zu tun!" Dem gegenüber existiert aber eben auch ein positiver Freiheitsbegriff und beide Freiheitsbegriffe stehen nicht immer, aber sehr häufig im direkten Widerspruch. Ganz populäres Beispiel aktuell: Es wird häufig ein Tempolimit gefordert. Die eine Seite argumentiert dann damit, dass so natürliche und endliche Ressourcen eingespart werden und damit der CO2-Ausstoß gesenkt wird, was sich positiv aufs Klima auswirkt, so dass wir zukünftigen Generationen einen intakten Planeten hinterlassen. Das ist ein positiver Freiheitsbegriff: Wir ermöglichen mit dieser Einschränkung zukünftigen Generationen ein Leben auf einem intakten Planeten, d.h. ein Leben in Freiheit, ohne Angst vor Ressourcenknappheit, Unwettern usw. Dagegen steht die "Freie Fahrt für freie Bürger"-Mentalität, der negative Freiheitsbegriff. Niemand darf mir verbieten so schnell wie möglich zu fahren. Ob das negative Konsequenzen für mich oder andere hat, das wird dabei völlig ausgeblendet. Der negative Freiheitsbegriff des Vulgärliberalismus ist also an sich schon einmal sehr ich-bezogen. Dafür gibt es viele weitere Beispiel. Das Tempolimitbeispiel habe ich jetzt gewählt, weil es aktuell ist.
Ein schönes Zitat, das ich immer nutzen, um den positiven Freiheitsbegriff stark zu machen:
„It is difficult for me to imagine what "personal liberty" is enjoyed by an unemployed hungry person. True freedom can only be where there is no exploitation and oppression of one person by another; where there is no unemployment, and where a person is not living in fear of losing his job, his home and his bread. Only in such a society personal and any other freedom can exist for real and not on paper."
Zum Thema Arbeitslosigkeit hat Disa auch ein paar wichtige und richtige Punkte gesagt. Hier würde ich allerdings noch etwas ergänzen wollen:
Dass Vollbeschäftigung eine Utopie ist, liegt nicht bloß an zunehmender Automarisierung, sondern ist ein Widerspruch an sich, im kapitalisten System. Marktwirtschaft und Kapitalismus sind mit dem Vulgärliberalismus verbunden, sie sind nicht denkbar ohne das jeweils andere. Und ein freier Markt benötigt die Arbeitslosigkeit, ein Heer an Erwerbslosen, alleine als Druckmittel, um Lohnkosten niedrig halten zu können. Gäbe es keine Arbeitslosen, d.h. gäbe es keine potenziellen Arbeiter, die ich einstellen könnte, wenn meine Arbeiter anfangen sich zu organisieren, dann verschiebt sich die Macht zugunsten der Arbeiter, da diese eben nicht ersetzbar sind. Das kapitalistische System benötigt also einen Grundstock an Arbeitslosen, um funktionieren zu können. Arbeitslosigkeit ist sozusagen systemisch. Deshalb lässt man sie auch nicht verhungern, was ansonsten, würde man sie nicht benötigen, sicherlich der feuchte Traum mancher FDP-Politiker wäre.
Ob man als Steuerzahler für Arbeitslose aufkommt oder nicht, darüber herrscht auch keine Einigkeit. An der Universitäten wird das so gelehrt, die Mainstream-Ökonomie geht auch davon aus, dass jeder Euro, der ausgegeben wird, zuvor erwirtschaftet werden muss und dass Schulden von irgendwem zurückgezahlt werden müssen, aber es gibt zunehmend Einflüsse der sog. MMT (Modern Monetary Theory) die diesen Zusammenhang z.B. gar nicht sehen. Das fing bereits mit Keynes an, der sinngemäß sagte, dass alles, was wir auch bauen/realisieren können, wir auch finanzieren können. Ein Grundeinkommen wäre absolut finanzierbar, genau wie kostenloser öffentlicher Nahverkehr. Hier fehlt es nicht an finanziellen Mitteln, sondern an politischem Willen. Da eben bei sehr vielen Politikern das Menschenbild verankert ist, das sich bei dir, Icedragon, abzeichnete, nach denen Arbeitslose eben selbst Schuld an ihrer Situation seien und Menschen, die nicht durch elementare Bedürfnisse zur Arbeit gezwungen würden, auch nicht arbeiten gehen werden. Ist ein Menschenbild das ich, offenbar genau wie Disa auch, ablehne. Ich behaupte, dass jeder Mensch tätig sein will und die wenigsten (auch jetzt liegt die Anzahl der willentlich Langzeitarbeitslosen im System bei unter 0,5%) würden einfach nur zu Hause bleiben und auf dem Sofa liegen, wenn es ein Grundeinkommen gäbe. Was aber sicherlich der Fall wäre, ist, dass Menschen ihre ganzen Bullshitjobs verlassen würden, die sie nur machen, weil sie gerne essen und wohnen. Unter Bullshitjobs sind Jobs zu verstehen, deren Wegfall von der Gesellschaft nicht bemerkt werden würde. Ist immer der einfache Test: Wäre die Gesellschaft schlechter dran als vorher, wenn mein Job wegfallen würde? Beim Müllmann ist die Antwort eindeutig ja. Genauso beim Bäcker. Aber würde jemand einen Investmentbanker vermissen? Ich bezweifle es.