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Friday, February 10th 2012, 2:02pm

Natur- vs Sozial- vs Geisteswissenschaften

Um Borggs Thread nicht vollkommen zu zerstören, lagere ich die Diskussion aus seinem Thread mal hierhin aus.

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Kastor

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Friday, February 10th 2012, 2:08pm

Worf, wo siehst du den Unterschied zwischen Sozial und Geisteswissenschaften?

Ich finds relativ Problematisch. Wirschafts und Sozialgeschichte bzw. "Historische Sozialgeschichte" (Bielefelder Schule) würd ich dann doch eher in Richtung Sozialwissenschaften sehen.

Geschichte und Politikwissenschaften haben eine sehr wichtige (z.T. auch ideologiekritische) Funktion in der Gesellschaft. Geht IMO nicht ohne wissenschaftlich fundierte Forschung. Von Objektivität ist keine Rede, das ganze geht aber über Intersubjektivität, und ist IMO sogar gut bzw. wichtig in einer pluralistischen Gesellschaft, in der mehrere (aber eben methodisch gesicherte!) Meinungen nebeneinander existieren können.

Abgesehen davon gibts auch in der Wirtschafts und Sozialgeschichte realitätsfernes Gefasel.

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Friday, February 10th 2012, 2:08pm

damit der anteil an beschränkt technokratischen fdp wählern steigt ?
Ich glaubs auch. Erst recht, weil die Trennung von Sozialwissenschaften und Geisteswissenschaften IMO total willkürlich ist. In Sozialwissenschaften gibt es genauso realitätsfernes Gefasel, wie es in den Geisteswissenschaften Dinge mit wirklichem Realitätsbezug gibt.

Ich finde nicht, dass die Trennung sonderlich willkürlich ist. Sozialwissenschaften befassen sich mit realen Prozessen, welche Menschen involvieren (also nicht als Teil, wie in der Humanmedizin, sondern, wenn auf deren Interaktion abgestellt wird).
Womit Geisteswissenschaften sich wirklich beschäftigen, das ist natürlich die Frage. Ich würde sagen, sie beschäftigen sich mit menschlichen Kulturerzeugnissen.

Der Punkt ist auch nicht, ob es in den Sozialwissenschaften nicht auch schlechte Wissenschaft gibt - natürlich gibt es die! Aber wo in den Geisteswissenschaften gibt es den Realitätsbezug? In der Linguistik vielleicht, dies liegt aber imho am Untersuchungsgegenstand und auch an den darin verwendeten Methoden.

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Kastor

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Friday, February 10th 2012, 2:10pm

Siehe mein Post oben. Geschichte (nur um das mal als Beispiel zu nennen) ist wichtig für Identitätsbildung und zusammen mit Politik wichtig für politische Meinungsbildung (ansonsten könnte die Politik bzw. die Medien Geschichte instrumentalisieren).

Das Problem, das du ansprichst, hatte die Geschichtswissenschaft in den 1970ern. Aber durch Relevanzfrage und Tendenz zu Sozial/Wirtschaftsgeschichte sollte das eigentlich geklärt sein. Wir leben nicht mehr im Zeitalter des Historismus, das ist klar.

EDIT: Wenn du also Geschichte und Sprache rausnimmst, bleibt dann noch Philosophie, Religion und Kunst. Wobei wir bei Religion und Philosophie (abgesehen von Theorien und der Religions bzw. Philosophiegeschichte) den Aspekt der Ethik haben, was in der heutigen Gesellschaft nicht zu vernachlässigen ist, und Kunst... ich bin kein Künstler, und kann mich dazu jetzt nicht unbedingt äußern.

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5

Friday, February 10th 2012, 2:18pm

sozialwissenschaft wenn man die richtig macht ist ein hybrid aus den beiden anderen. die ist ja der versuch die philosophischen theorien empirisch zu prüfen. das klappt halt bei sozialen und menschlichen prozessen wesentlich schwerer als bei naturwissenschaften, daher kommt man um umfangreicheres theoretisieren ohne direkte prüfung nicht rum außer man agiert faktisch atheoretisch, so wie die akademische psychologie, was halt wiederum dazu führt dass die empirischen forschungen trivial und belanglos bleiben. also zb die trennung von sozialphilosophie und soziologie ist nur sehr schwer zu ziehen. in vwl gilt das prinzipiell genauso also heyek und so aber auch fragen zum menschenbild werden halt irgendwie im normalen kanon nicht mehr behandelt, da wird nur noch vulgär eklektizistisch rezipiert und ziemlich realitätsfern rumgerechnet, muss man sich dann nicht wundern dass die finanzmärkte an die wand fahren. in bwl kann man so vorgehen, in vwl nich. und zb geschichte oder ethnologie ist ein ziemlich wichtiges empirisches datenfeld für viele hypothesen, da man die halt nicht experimentell testen kann, nach dem motto hm was passiert denn wenn wir mehr geld drucken, oh inflation und anarchie, interessant
€ und bei geschichte und ethnologie brauch man halt teilweise geisteswissenschaften, weil das quellen sind, etwa literaturgeschichte oder kunstgeschichte

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6

Friday, February 10th 2012, 2:40pm

Philosophie ist für die Gesellschaft schon wichtig. Wird man halt arbeitslos mit, aber das ist ja nicht meine Sorge.

7

Friday, February 10th 2012, 2:42pm

naja geht prinzipiell auch anders, soros ist jez nich grad arbeitslos

Kastor

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8

Friday, February 10th 2012, 2:45pm

Als Geschichtswissenschaftler wirste ja auch nur Taxifahrer. Aber darum gehts ja nicht, weil man als Wiwi in Krisenzeiten auch Harzler wird :D Bzw. sind die ja dann eigentlich auch noch daran Schuld :D

9

Friday, February 10th 2012, 2:46pm

noch ne zwischenfrage, weiß wer über soros ne doku auf deutsch oder hat n buch von dem als hörbuch? kann keine printmedien mehr sehen grad

10

Friday, February 10th 2012, 2:47pm

Ich mein jetzt Deutschland.

In den USA und England kannste studieren wie Du lustig bist und wirst nachher in der Finanzindustrie eingestellt, wenn der Uniname stimmt. Da ist es nur wichtig, dass man von Ivy League/Public Ivy/LSE/OxBridge kommt. Gerade nachgeprüft, Soros natürlich mit LSE-Abschluss. :p

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11

Friday, February 10th 2012, 2:49pm

Worf, wo siehst du den Unterschied zwischen Sozial und Geisteswissenschaften?
Ich finds relativ Problematisch. Wirschafts und Sozialgeschichte bzw. "Historische Sozialgeschichte" (Bielefelder Schule) würd ich dann doch eher in Richtung Sozialwissenschaften sehen.

Die Wirtschaftswissenschaften sind eine Sozialwissenschaft. Es ist die Lehre von menschlichen Handeln bei beschränkten Ressourcen, als solches braucht sie Menschen als Untersuchungsgegenstand.
Bei Wirtschafts- und Sozialgeschichte bin ich mir schon nicht mehr sicher, ob man es noch zu den Sozialwissenschaften zählen sollte. Das Problem hierbei ist für mich eher, wie man sinnvoll Geschichtswissenschaft betreiben kann. Wenn man Fakten zusammensucht, dann hat dies etwas von einer Sozialwissenschaft (bzw. Naturwissenschaft). Aus diesen Fakten kann man auch rekonstruieren, wie etwas mutmaßlich in der Vergangenheit war. Das Problem hier ist die fehlende Überprüfbarkeit, es geht nur um innere Plausibilität. Nun gut, dass ist der Irreversibilität der Zeit geschuldet und geht halt nicht besser. Allerdings wird imho viel zu wenig versucht sehr einfache, grundlegende und, zumindest in guter Näherung, zeitinvariante Gesetzmäßigkeiten zu beschreiben. So etwas würde ich in den Sozialwissenschaften erwarten. Dann kann man, mit dieser Grundlage, auch Aussagen über unsere Geschichte dahingehend treffen, ob gewisse Ereignisfolgen sich so entwickeln "mussten", oder ob sie eher die Verkettung von unwahrscheinlichen Umständen waren. Meiner Meinung nach sollte Geschichtswissenschaft noch viel mehr so verfahren und sich viel stärker als Schnittstellenwissenschaft bzw. interdisziplinäre Wissenschaft begreifen.
Geschichte und Politikwissenschaften haben eine sehr wichtige (z.T. auch ideologiekritische) Funktion in der Gesellschaft. Geht IMO nicht ohne wissenschaftlich fundierte Forschung. Von Objektivität ist keine Rede, das ganze geht aber über Intersubjektivität, und ist IMO sogar gut bzw. wichtig in einer pluralistischen Gesellschaft, in der mehrere (aber eben methodisch gesicherte!) Meinungen nebeneinander existieren können.

Ich sehe an der Uni Hamburg eher, dass Wissenschaft mit bewusster ideologischer Färbung betrieben wird. Vor allem bei den Sozialwissenschaftlern wird teils sehr deutlich gesagt, dass man ideologische Wissenschaft betreibt und das Ziel hat die Welt direkt zu verändern. In ihren Wissenschaftsdefinitionen schließen sie von vornherein bestimmte Möglichkeiten der Welt aus. Sowas ist für mich eine gute Wissenschaft, wenn man es überhaupt Wissenschaft nennen möchte.

Wissenschaftliche Forschung ist für mich auch nicht automatisch das, was an Universitäten gemacht wird. Wie gesagt, es wird auch viel Scheiße gemacht.
Intersubjektivität ist ok, solange man Objektivität als Ideal hat und, dies ist sehr wichtig, nicht relativistisch wird. Es gibt aber Strömungen in den Sozialwissenschaften, Stichwort (De)Konstruktivismus, Poststrukturalismus (Focault) etc., welche eine Art von Wissenschaft propagieren, welche sich gegen Falsifizierung immunisiert. Dann kommt man zu solchen Aussagen wie, dass jegliche Aussagen nur in einem bestimmten Kontext einen Sinn ergeben und außerhalb dieses Kontext nicht verstanden werden können. Vor allem postulieren sie einen subjektiv-relativen Wahrheitsbegriff, d.h. Wahrheit bedeutet nur, im eigenen Kontext richtig, d.h. widerspruchsfrei, zu sein. So ist die Wissenschaft nur ein Erklärsystemd er Realität von vielen konkurrierenden, die alten Indianer hatten ein anderes Erklärsystem. Beide konnten erklären, wieso es regnet. Allerdings kann man, nach diesen Leuten, nicht sinnvoll sagen, dass das eine Erklärsystem besser, d.h. Leistungsfähiger, als ein anderes ist - eben, weil sie nicht vergleichbar sind. Dies stellt imho die gesamte Wissenschaft auf den Kopf. Wissenschaft hat sich historisch so entwickelt, dass sie die Welt extrem gut erklären kann. Dies liegt an ihrer besonderen Methodologie, dass sich ultimativ alle Aussagen an der Realität messen müssen. Indianische Mythen haben diese externe Falsifikationsinstanz nicht. Und ganz ehrlich, es gibt praktisch keine vollkommen Skeptiker, d.h. wir glauben doch alle, dass es um uns herum wirklich eine Welt gibt und das wir sie erfahren und beschreiben können.

Jegliche Bewegungen, welche sich vom Kernpunkt der Wissenschaft, so wie ich sie gerade skizziert habe, entfernt, sollte kritisch als diese Entfernung denunziert werden. Ich versuche da jedenfalls mein bestes!

Die Geisteswissenschaften allgemein müssen sich fragen, ob sie wirklich Wissenschaft betreiben, oder was sie genau tun. Was sind denn überhaupt sinnvoll zu stellende Fragen, welche nicht von der Realität abhängen? Jetzt außer philosophischen und mathematischen Fragen.
Abgesehen davon gibts auch in der Wirtschafts und Sozialgeschichte realitätsfernes Gefasel.

Wie gesagt, der Vergleichsmaßstab kann ja nicht das schlechteste in jedem Feld sein.
Siehe mein Post oben. Geschichte (nur um das mal als Beispiel zu nennen) ist wichtig für Identitätsbildung und zusammen mit Politik wichtig für politische Meinungsbildung (ansonsten könnte die Politik bzw. die Medien Geschichte instrumentalisieren).

Das Problem, das du ansprichst, hatte die Geschichtswissenschaft in den 1970ern. Aber durch Relevanzfrage und Tendenz zu Sozial/Wirtschaftsgeschichte sollte das eigentlich geklärt sein. Wir leben nicht mehr im Zeitalter des Historismus, das ist klar.

Ich sehe nicht, dass die Frage befriedigend geklärt wäre. Man nehme als Beispiel nur den Historikerstreit von 1986/87. Habermas sagt etwas (wissenschaftlich gesehen) absolut dummes, nämlich dass der Holocaust eine Singularität der Geschichte sei und somit prinzipiell unvergleichbar (verkürzt). Damit begreift er das gesamte Wesen von Wissenschaft im allgemeinen und Geschichtswissenschaft im besonderen nicht. Im übrigen, wenn man den Holocaust als etwas singuläres ansieht, kann man aus seinen Ereignissen nicht lernen und könnte so Entwicklungen zu einem weiteren nicht denunzieren.

Aber das überhaupt ernsthaft über so etwas geredet wird, was schon an einfachster Wissenschaftsphilosophie scheitert, das zeigt mir, dass die Geschichtswissenschaften diese Fragen in den 1970ern nicht umfassend geklärt haben.
EDIT: Wenn du also Geschichte und Sprache rausnimmst, bleibt dann noch Philosophie, Religion und Kunst. Wobei wir bei Religion und Philosophie (abgesehen von Theorien und der Religions bzw. Philosophiegeschichte) den Aspekt der Ethik haben, was in der heutigen Gesellschaft nicht zu vernachlässigen ist, und Kunst... ich bin kein Künstler, und kann mich dazu jetzt nicht unbedingt äußern.

Philosophie ist doch keine Wissenschaft, wie will ich da sagen, was "richtig" oder was "falsch" ist? Religion ist bei definitionem keine Wissenschaft, wenn man auf Gott abstellt. Man kann höchstens das biochemische/soziale Phänomen der Religiosität untersuchen.
Kunst lebt von subjektiven Meinungen, damit fällt es auch durch das Raster und kann keine Wissenschaft sein. Es muss ja auch nicht alles in der Welt Wissenschaft sein, was Spaß macht.
Vielleicht findet man bestimmte Formen in der Kunst, welche Menschen oder Primaten ganz allgemein ansprechen - aber ich glaube kaum, dass diese Art von Forschung in den Bereich "Kunst" fällt.

Philosophie etwas etwas ein Zwitter, genauso wie Mathematik. Prinzipiell geht es bei diesen Bereichen nur um innere Konsistenz. Aber dies ist auch sofort bewusst. In unserer Art der Mathematik hat man ein recht festes Axiomensystem, in welchen wir logische Schlüsse ziehen.
In der Philosophie gibt es dieses Axiomensystem nicht, unterschiedliche Anschauungen wählen unterschiedliche Axiomensysteme. Nur muss man sich bewusst sein, dass hier die Post-moderne Kritik von oben angebracht wäre, hier kann man sich jedes beliebige Axiomensystem wählen, es gibt nichts, womit man sie vergleichen könnte. Also wählt man sich dasjenige System, welches die gewollten Resultate zeigt. Ob man Tiere besser quälen sollte oder nicht ist erst einmal eine beliebige Entscheidung. Ich definiere eines davon als gut oder böse. Dies kann man natürlich aufgrund subjektiver Empfindungen tun, welche dann wieder untersucht werden könnten. Aber es gibt kein absolut gutes oder böses, es ist lediglich eine Zuschreibung. Daher sollte man da nicht von Wissenschaftlichkeit sprechen. Eher sollten wir dann in die Sozial- und Humanwissenschaften schauen, wieso wir als Menschen bestimmte Handlungen eher annehmen und als "gut" empfinden, als andere.

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Friday, February 10th 2012, 2:51pm

finde das relativ schwer voneinander abzugrenzen worf:

http://www.boehlau-verlag.com/download/1…1_Leseprobe.pdf
2011er liste was man atm zu geisteswissenschaften zählt (seite XX & XXI)

und die wiki liste von sozialwissenschaften (hab grad keine andere zur hand):
http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialwissenschaft

da überschneidet sich schon einiges. denke daher man kann die begriffe erst in ~zehn, fünfzehn jahren so verwenden wie du das tust, wenn das alles etwas distinkter dargestellt ist. gerade auch "von innen heraus", was die akzeptanz der fachschaften selbst an geht z.b..
MfG

Quoted

"If there was no darkness -
how could we see the light?"

Kastor

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Friday, February 10th 2012, 2:59pm

da überschneidet sich schon einiges. denke daher man kann die begriffe erst in ~zehn, fünfzehn jahren so verwenden wie du das tust, wenn das alles etwas distinkter dargestellt ist. gerade auch "von innen heraus", was die akzeptanz der fachschaften selbst an geht z.b..
MfG
dito. deswegen meinte ich ja, ich find da eine grenzziehung willkürlich. zum rest antworte ich später nach meiner klausur.

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Friday, February 10th 2012, 3:03pm

sozialwissenschaft wenn man die richtig macht ist ein hybrid aus den beiden anderen. die ist ja der versuch die philosophischen theorien empirisch zu prüfen.

Das würde ich absolut verneinen. Das konstituierende von philosophischen Fragen ist doch gerade, dass sie sich einer empirischen Überprüfbarkeit entziehen!
das klappt halt bei sozialen und menschlichen prozessen wesentlich schwerer als bei naturwissenschaften, daher kommt man um umfangreicheres theoretisieren ohne direkte prüfung nicht rum außer man agiert faktisch atheoretisch, so wie die akademische psychologie, was halt wiederum dazu führt dass die empirischen forschungen trivial und belanglos bleiben.

Sehe ich überhaupt nicht so. Natürlich haben es die Sozialwissenschaften schwieriger als die Naturwissenschaften. Aber Schwierigkeit ist doch letztlich nur eine Frage des geeigneten Instrumentariums, da es nicht unmöglich ist.
In den Sozialwissenschaften klappen einfache lineare Approximationen weniger oft gut, man benötigt manchmal andere Werkzeuge als in den Naturwissenschaften. So what? Verschaffen wir uns eben diese Werkzeuge und versuchen ehrlich etwas auszusagen. Dann aber wirklich etwas überprüfbares Aussagen, auch wenn es am Anfang noch recht wenig sein wird. Nicht versuchen zu viel zu erklären, aber in diesem Zuge die prinzipielle Falsifizierbarkeit verlieren oder sich dagegen immunisieren. Dann sagt man afaik weniger aus, nämlich eigentlich nichts!
also zb die trennung von sozialphilosophie und soziologie ist nur sehr schwer zu ziehen. in vwl gilt das prinzipiell genauso also heyek und so aber auch fragen zum menschenbild werden halt irgendwie im normalen kanon nicht mehr behandelt, da wird nur noch vulgär eklektizistisch rezipiert und ziemlich realitätsfern rumgerechnet, muss man sich dann nicht wundern dass die finanzmärkte an die wand fahren.

Ich halte diese Aussage für großen Quatsch. Hayek hat ein paar interessanten gesagt, aber eigentlich ist er für die moderne VWL irrelevant. Wie fast alle alten, großen Denker, welche eher Philosophen waren. Das gilt auch für Adam Smith. Sein Denkmodell des Egoismus (wie es heute interpretiert wird) und der unsichtbaren Hand ist zwar nett, aber letztlich überidealisiert und bestenfalls als Spielzeugmodell zu gebrauchen, nicht aber als echte, sinnvolle Beschreibung der Realität.
Und die gesamte Thematik hat auch denkbar wenig mit der Finanzkrise zu tun.
in bwl kann man so vorgehen, in vwl nich. und zb geschichte oder ethnologie ist ein ziemlich wichtiges empirisches datenfeld für viele hypothesen, da man die halt nicht experimentell testen kann, nach dem motto hm was passiert denn wenn wir mehr geld drucken, oh inflation und anarchie, interessant

Man kann eben nicht direkt experimentell testen, deswegen gibt es ja auch einen bestimmten Methodenkasten in den Wirtschaftswissenschaften, dass man solche Hypothesen trotzdem indirekt testen kann. Diese Behauptung ist zu einfach und zu krude, als dass sie ein wirkliches Gegenargument konstituieren würde. Man schaue sich mal den Preis für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Reichsbank im Gedenken an Alfred Nobel von 2011 an und dessen Begründung: The art of distinguishing between cause and effect in the macroeconomy
Philosophie ist für die Gesellschaft schon wichtig. Wird man halt arbeitslos mit, aber das ist ja nicht meine Sorge.

Ich sage ja nicht, dass Philosophie für die Gesellschaft unwichtig ist. Aber nicht alles ist eine Wissenschaft, ebenso nicht alles für eine Gesellschaft wichtige.

@Seraph: Wenn ich nach offiziellen Listen beid er Abgrenzung gehen würde, dann würde ich ja damit einen Wissenschaftsbegriff verteidigen, welcher sagt: Solange man sich an einer Universität damit beschäftigt ist es auch eine Wissenschaft.
Gegen solch eine Sichtweise empfehle immer immer diese berühmte Rede (wo wir gerade bei Nobel-Preisträgern sind ;))
Richard Feynman: Cargo Cult Science

15

Friday, February 10th 2012, 3:06pm

edit

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Friday, February 10th 2012, 3:12pm

@1: Finde auch, dass man die Ergebnisse nicht instrumentalisieren sollte. Aber dies hätte er auch so deutlich sagen sollen, als das Kind mit dem Bade auszuschütten.
@2: Ich hätte es nicht besser ausdrücken können. :D
Vor allem wird man noch lange an den Folgen Focaults zu leiden haben.

Habe dazu auch einen Buchtipp für dich, Rommel:
Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften mißbrauchen von Alan Sokal, Jean Bricmont
Oder, besser noch: Intellectual Impostures von Alan Sokal bzw. Beyond the Hoax: Science, Philosophy and Culture von Alan Sokal

Ansonsten würde ich an deiner Stelle auf mein vorheriges Posting auch nicht eingehen, weil es da hauptsächlich um (statistische) Methoden geht, und du sicher keine Diskussion drüber willst. ^^
Ansonsten folge man auch den Links dort.

17

Friday, February 10th 2012, 3:25pm

ich bin in empirie leider relativ fit, darum gehts aber nicht, sondern dass deine argumentation am kern meiner argumente vorbeigeht.
1. früher gab es nur eine "wissenschaft" die philo, die naturiwssenschaften ham sich dann schnell rausdiferenziert. bei den soz wis geht das rausdifferenzieren eben nicht so einfach weil vor allem fragen zum menschenbild und so nicht hinlänglich sicher bisher geprüft wurden als dass man alles alte verwerfen kann.
2. im moment ist es halt eher so dass die forshungsgegenstände der sozialwissenschaft sich dem instrumentarium anpassen als umgekehrt. die methoden sind aktuell auch wesentlich weniger leistungsfähig als das naturwissenschaftliche experiment,
3. damit vwl funktioniert brauch man ein realitätsangemessenes menschenbild und eine realitätsangemessene systemtheorie. das gibts beides nicht. da kann die vwl jez wenig für, das is eigentlich aufgabe von psychologie und soziologie das zu liefern, ändert aber nix daran dass ohne die vorarbeit vwl über ne etwas größer angelegte bwl nicht hinauskommt

b0ng0

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18

Friday, February 10th 2012, 3:38pm

damit der anteil an beschränkt technokratischen fdp wählern steigt ?
Ich glaubs auch. Erst recht, weil die Trennung von Sozialwissenschaften und Geisteswissenschaften IMO total willkürlich ist. In Sozialwissenschaften gibt es genauso realitätsfernes Gefasel, wie es in den Geisteswissenschaften Dinge mit wirklichem Realitätsbezug gibt
Der Punkt ist auch nicht, ob es in den Sozialwissenschaften nicht auch schlechte Wissenschaft gibt - natürlich gibt es die! Aber wo in den Geisteswissenschaften gibt es den Realitätsbezug? In der Linguistik vielleicht, dies liegt aber imho am Untersuchungsgegenstand und auch an den darin verwendeten Methoden.
Wieso nur Linguistik, warum hat Literatur kein Realitätsbezug?

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19

Friday, February 10th 2012, 3:44pm

Es ist vollkommen egal, was es früher gab.
@1.
Fragen zum Menschenbild sind recht unwichtig bei einem Großteil der Fragen in den Sozialwissenschaften.
Du hast natürlich in der reinen Beschreibung der Geschichte recht und darin, wie an vielen deutschen Lehrstühlen Sozialwissenschaften betrieben wird.

@2.
Natürlich sind die Methoden weniger leistungsfähig als in den Naturwissenschaften, aber dieser Vergleich ist im Prinzip auch irrelevant. Aber heutzutage gibt es Methoden, so dass viele sozialwissenschaftliche Fragestellungen sinnvoll untersucht werden können, abseits reiner Literaturdebatten.
Es ist auch ok sich nur Fragestellungen rauszusuchen, welche man mit den aktuellen Methoden sinnvoll untersuchen kann, bzw. an der Grenze zu arbeiten. Aber wenn man halt kaum Methodik anwendet und bspw. in den heterodoxen (nicht-Mainstream, aber auch als anti-Mainstream gebraucht) praktisch nur auf das Menschenbild abstellt, aber überhaupt nicht in Konkurrenz zur Maintream-Ökonomie geht und vor lauter Meta-Kritik überhaupt keine eigentlichen Fragen mehr beantwortet, dann hat man sich imho verrannt. Man muss zeigen, dass man mit anderen Methoden (also bspw. ohne Nutzenfunktionen etc.) leistungsfähigere Modelle bauen kann, welche auf praktische wirtschaftswissenschaftliche Fragen robustere Antworten geben, als nur zu erklären, was im Menschenbild der Ökonomen falsch ist. Fast kein non-Mainstream-Ansatz kann dies allerdings, sie arbeiten alle nicht konstruktiv im Wettbewerb mit, sondern verbleiben im sicheren Turm ihrer Meta-Analysen, Meta-Kritik und schlimmer, ideologiegetriebener Kritik.

@3.
Man braucht kein realitätsangemessenes Menschenbild in dem Sinne, als diese Aussage nicht nur tautologisch ist.
Wenn man 100 Menschen in ihrer Interaktion gut durch Partikel modellieren kann, welche, ohne Individualität, nur sehr begrenzte Handlungen ausführen können, dann baut man sich so sein Modell. Die Aussage ist ja nicht, dass die Realität so wie das Modell ist, sondern andersherum: Das Modell beschreibt die Realität gut. Dann braucht man unter Umständen gar nicht auf Menschenbilder abstellen, weil sie kaum Einfluss auf grundlegenden Handlungen haben, und sich kleine Abweichungen durch eine Art Selbst-Mittelung auslöschen, analog zum zentralen Grenzwertsatz. Man kann bspw. nach Universalität googeln, wonach es auf das genaue mikro-Verhalten bei der Beschreibung von Makro-Effekten gar nicht ankommt.
imho ist es auch nicht Aufgabe der VWl in die Psychologie einzudringen und etwas über das Verhalten von einem Individuum zu sagen. Es reicht doch, wenn man bei der Interaktion von 2 Inviduum anfängt, bei der Spieltheorie.
Ansonsten ist die BWL nicht unbedingt größer angelegt, eher breiter und interdisziplinärer. Und die Vorarbeit finde ich, aus den beschrieben Gründen, für nicht sehr entscheidend.

Ein Punkt ist auch, den viele nicht verstehen: Man kann oftmals nicht aus dem Wissen um das Verhalten der Einzelteile auf das Verhalten des Gesamtsystems schließen. Viele Modelle werden nicht besser, wenn man die Einzelteile besser modelliert. Dies ist ein beliebter Denkfehler von Geisteswissenschaftlern (und Wirtschaftswissenschaftlern!) ohne mathematische Erfahrung. Ich sage nicht, dass du unbedingt dieses Denkfehler gemacht hast.
Der Schluss von einem gut verstanden Mikrosystem auf das Makrosystem ist hochgradig nicht-trivial, was in der VWL-Grundausbildung gern unterschlagen wird. Da sind noch riesige Lücken in der aktuellen VWL.


damit der anteil an beschränkt technokratischen fdp wählern steigt ?
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Der Punkt ist auch nicht, ob es in den Sozialwissenschaften nicht auch schlechte Wissenschaft gibt - natürlich gibt es die! Aber wo in den Geisteswissenschaften gibt es den Realitätsbezug? In der Linguistik vielleicht, dies liegt aber imho am Untersuchungsgegenstand und auch an den darin verwendeten Methoden.
Wieso nur Linguistik, warum hat Literatur kein Realitätsbezug?

Wenn das Buch die reale Welt beschreibt, kann man diese Sachverhalte überprüfen. Wenn es ein Roman ist, was soll man dann für Aussagen überprüfen? Man könnte Statistiken führen oder nach definierten Objekten im Text suchen. Aber mit welchem Zweck?

Ansonsten gilt, was ich schon über Kunst geschrieben habe.
Manche Bücher mögen Menschen trösten etc., aber diese Effekte untersucht man besser direkt und nicht in den Geisteswissenschaften. Oder was meinst du mit Realitätsbezug bei Büchern?

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20

Friday, February 10th 2012, 4:02pm

1. um die aktuellen methoden anzuwenden und zu interpretieren, etwa multiple regression oder quasi experiment, brauchst du im gegensatz zu nem echten experiment in den naturwissenschaften (wo man dann auch gleich beliebig weitere experimente anschließen kann) viel massiveres theoretisches vorwissen bzw wissen mögliche theorien. da kommst um ein literaturstudium nich rum
2. klar kann man makro ohne mirkofundierung machen(so wie man prinzipiell chemie ohne ein wissen über den atomaufbau machen kann), zum verständnis von langfristigen prozessen macht es aber ziemlich viel sinn den mikrobereich zu verstehen, da beides miteinander stark interagiert.
3. spieltheorie hat ja schon ein menschenbild, das des rationalen menschen, das funktioniert auch nur hier und heute, in irgendwelchen buschkulturen werden halt beide schweigen weil das die ehre des stammes gebietet oder sowas, für zusammenhang kultur charakter und eben auch entwicklungsprognosen, also auch empfehlungen für systemeingriffe, brauchst schon n funktionierendes menschenbild was es grad nich gibt

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Friday, February 10th 2012, 4:15pm

1. Ja, man braucht viel Vorwissen. Aber Studium der aktuellen Forschungsmethoden in der Literatur != Geisteswissenschaft
Das Wort Literaturstudium hat ja zwei Bedeutungen.

2. Nein, dem widerspreche ich entschieden. Dies ist ein häufiger Fehler.
Ich dachte auch mal so. Wenn es dich interessiert, folge mal dem, was ich oben über Universalität geschrieben habe. Kann auch gern noch ein paar Beispiele geben.
€dit: Eine einfache Analogie: Für das makro-verhalten eines Planeten musst du auch nichts über die Interaktionen in einzelnen Atomkernen wissen, oder über die Interaktion der Atome miteinander.
Sicher, menschliche Prozesse sind komplizierter als eine Planetenumlaufbahn, auch u.U. reflexiv. Aber das kann man doch recht gut in makro-Modellen abbilden. Und Reflexivität kann man grundsätzlich auch nicht mit stärkerer Mikro-Fundierung abbilden. Wenn du ein Mikro-Modell von der Wirkungsweise von Reflexivität hättest, dann könnte dies ja wiederum antizipiert werden und es entsteht ein neuer reflexiver Prozess. Andernfalls hättest du das Problem der Reflexivität ja gelöst. Sicher ist es auch ein Zeitproblem, aber typische wirtschaftswissenschaftliche Fragen gehen nicht so weit in die Zukunft. Es ist wie beim Wetter, es gibt sinnvolle Zeitskalen, innerhalb derer man Aussagen mit akzeptabler Eintrittswahrscheinlichkeit machen kann. Das viele Feedback in einem Wettersystem ist sicher eine ganz gute Analogie zu sozialen Prozessen.

3. Ja, klassische Spieltheorie hat extrem starke Annahmen. Aber das war ja da auch nicht mein Punkt, ich habe geschrieben, dass man in der Ökonomie erst 2 interagierende Menschen betrachten sollte, nicht nur einen. Spieltheorie war dafür ein klassisches Beispiel, unabhängig von meiner sonstigen Kritik.

Ich hatte direkt davor ja ausgeführt, dass man auch Modelle ohne solche starken Annahmen, welche sich in Menschenbilder übersetzen lassen, auskommen kann. Siehe dazu all das, was ich auch in diesem Zusammenhang geschrieben habe, der erste Absatz bei @3. Der zweite Absatz war auf die Abgrenzung von Psychologie und Soziologie gemünzt. Das man keine Mikrofundierung benötigt, habe ich davor ja schon deutlich gemacht.

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22

Friday, February 10th 2012, 4:29pm

1. mit literatustudium mein ich jetz n breites studium und verständnis konkurrierender erklärungstheorien, das noch so gute wissen über 3. variablen hilft nix wenn du nicht auf die relevante 3.variabe kommst.
2. bei bekannten situationen kommst ohne ein mikromodell bei nem makromodell aus, sobalds in neue situationen geht nicht. zb die machtergreifung hitlers und so hätte man ganz gut prognostizieren können wenn man gewusst hätte welche psychischen bedürfnisse die nazis befriedigen. oder wenn die afrikanischen länder transformieren willst und dann merkst dass die einwohner das entwicklungsgeld an den hexenmeister geben damit der ihre nachbarn verflucht oder sowas. bei nem besseren verständnis des menschen hättest das prognostizieren können. dahinter liegt sicher auch ein makromodell das das unabhängig vom mikro erklären könnte(etwa nachbarn verfluchen führt zu systemstabilität und schützt vor anomie die durch wachstum entsteht, daher hat sich das muster kulturevolutionär so entwickelt), das kennt man allerdings nicht da die situation noch nicht da war

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Friday, February 10th 2012, 4:47pm

"Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen."

"K.V."

cu Alv

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Friday, February 10th 2012, 5:16pm

Sorry Rommel, ich finde deine Argumente wenig stichhaltig.
Natürlich muss man wissen, wonach man sucht und es wird auch immer wieder neues geben, woran man vorher nicht gedacht hatte. Aber dies lösen die Geisteswissenschaften auch nicht.
Was du über Variablen schreibst, schön und gut. Aber beantworten die Geisteswissenschaften wirklich solche Fragen mit operationablen Variablen?

Das Problem ist, dass man sehr oft vom Mirko-Modell nicht auf ein Makro-Modell durch Aggregation kommt. Genau genommen funktioniert das nur bei linear-affinen Modellen. Dann gibt es noch nicht-lineare, aber recht stabile Systeme, wo man das "Feedback" kontrollieren kann. Und dann gibt es den Rest. ^^

Aber fast alles, was du sagst, hat nicht mit aktueller Geisteswissenschaft zu tun. Der Ethnologe muss ja auch erstmal Afrikaner beobachten, um auf die Idee zu kommen, dass der Hexenmeister dort mächtig ist. Man kann sich zwar recht viel denken, aber einfach blind in das dunkel hineindenken funktioniert nicht gut. Man braucht immer einen Anlass, damit man die richtige Frage stellt, welche man dann mit einem Modell zu beantworten versucht.

Jetzt könnte man sagen, Geisteswissenschaftler sind beim Fragen stellen gut. Sehe ich aber nicht so, weil sie kaum zwischen vernünftigen und sinnlosen Fragen unterscheiden. Wer natürlich 1000 Fragen stellt, der hat auch nen paar Glücktreffer. ^^

b0ng0

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25

Friday, February 10th 2012, 5:30pm



damit der anteil an beschränkt technokratischen fdp wählern steigt ?
Ich glaubs auch. Erst recht, weil die Trennung von Sozialwissenschaften und Geisteswissenschaften IMO total willkürlich ist. In Sozialwissenschaften gibt es genauso realitätsfernes Gefasel, wie es in den Geisteswissenschaften Dinge mit wirklichem Realitätsbezug gibt
Der Punkt ist auch nicht, ob es in den Sozialwissenschaften nicht auch schlechte Wissenschaft gibt - natürlich gibt es die! Aber wo in den Geisteswissenschaften gibt es den Realitätsbezug? In der Linguistik vielleicht, dies liegt aber imho am Untersuchungsgegenstand und auch an den darin verwendeten Methoden.
Wieso nur Linguistik, warum hat Literatur kein Realitätsbezug?

Wenn das Buch die reale Welt beschreibt, kann man diese Sachverhalte überprüfen. Wenn es ein Roman ist, was soll man dann für Aussagen überprüfen? Man könnte Statistiken führen oder nach definierten Objekten im Text suchen. Aber mit welchem Zweck?

Ansonsten gilt, was ich schon über Kunst geschrieben habe.
Manche Bücher mögen Menschen trösten etc., aber diese Effekte untersucht man besser direkt und nicht in den Geisteswissenschaften. Oder was meinst du mit Realitätsbezug bei Büchern?
Naja ich verstehe insgesamt nicht so recht, warum du den Geisteswissenschaften abschlägst, was genau sie untersuchen. Das Beispiel mit der Literatur und dem unklaren Realitätsbegriff beispielsweise mal innerhalb der Germanistik: Du kannst einerseits im Bereich der Literatur deren Funktion untersuchen. Du kannst ebenso gut im Bereich der Sprachwissenschaft, Sprache als solche untersuchen: Wie hat sich Sprache entwickelt (oder wie hat sich das Deutsche ausdifferenziert), Dialektforschung, Soziolektforschung etc. oder wie erwähnt im Bereich der Lingustik; wie wird Sprache rezipiert, oder differenzierter etwa in der Pragmatik, was für Konsequenzen kann Sprache haben (dann landet man wiederum schnell in den Sozialwissenschaften, bei Sprechakttheorien u.Ä.) die Grenzen sind ja z.T. sowieso fließend.
Ich wüsste nicht, wie man der Germanistik zB unterstellen kann, dass unklar ist, was sie untersuche, oder gar ihren wissenschaftlichen Charakter. All diese Themen haben doch "Realitätsbezug".

26

Friday, February 10th 2012, 5:44pm

so kram wie philosophie oder soziologie sollten nur leute studieren, die wirklich intelligent sind und was drauf haben...dann is es ok, weil sie ja nicht unwichtig sind. aber nachdem 99/100 nur totale trottel sind die kein plan haben was sie sonst machen sollten (oder frauen) und einfach mal so studieren "weil sie gerne was mit menschen machen mögen und gern philosophieren" sollen in arsch gehen, DIE braucht echt niemand.

Zitat

Original von nC_$kittle_
Muss ich dann auch Hitler lieber mögen [...] nur weil er Deutscher ist?

Zitat

Original von CF_Icey
ich hab eine Hakenkreuzfahne über meinem Bett und einen Adolf-Hitler-Schlafanzug mit zugehöriger Bettwäsche

27

Friday, February 10th 2012, 5:56pm

Was du über Variablen schreibst, schön und gut. Aber beantworten die Geisteswissenschaften wirklich solche Fragen mit operationablen Variablen?


1. ja zb beim flynn effekt der besagt dass die fluide intelligenz im laufe der letzten 100 jahre in europa gestiegen ist, obwohl man davon ausgeht dass die genetisch determiniert ist. die aktuelle psychologie kommt da nicht weiter, wenn man auf sozialphilosophie oder historische philosophie schaut, würden sich ziemlich schnell paar prüfbare hypothesen ableiten lassen.

a. etwa durch george herbert mead, dass die kognitive fähigkeit durch mehr oder weniger kontakt in der frühkindlichen phase beeinflusst wird
b. oder durch marx dass bessere materielle bedinngungen realitätsangemesseneres denken verursachen.

auf die hypothesen kommst ziemlich schnell wenn sozialphilosophie kennst, wenn n methodenfaschist bist musst du das rad erstmal neu erfinden

2. zum mikro marko zb kann es einen ziemlichen unterschied für systemeingriffe machen ob eine bevölkerung altruistisch handelt wel sie um den anderen besorgt ist, oder ob sie altruistisch handelt weil das ein statussymbol ist. von außen erkenntman das nicht wenn man den gemittelten altruismuswert erhebt. im makromodell merkst du das erst wenn situationen eintreten in denen 2 verschiedene populationen anders reagieren. n makromodell was sagt je mehr altruismus desto hilfe für schwache funktioniert zb bei sowas wie arbeitslosenunterstützung in beiden fällen gleich, aber bei unterstützung im krieg reagieren beide populationen vermutlich unterschiedlich(die altruistischen helfen immernoch, die statusorientierten nicht weil die anerkennende ordnung weggefallen ist)

Juzam

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Friday, February 10th 2012, 6:14pm

Da bin ich froh, Naturwissenschaftler zu sein :music:
Lernen wir besser uns freuen,
so verlernen wir am besten,
anderen weh zu tun.
(Nietzsche)

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Friday, February 10th 2012, 9:51pm

Hab das aufgehört zu lesen, als ich zu dem Punkt mit Kriminalität kam. Vermutlich hat er Recht damit, dass es Parawissenschaften gibt, aber sein Geschwafel ist nicht besonders intelligent.
Und Adam Smiths Theorie hat ziemlich viel in der Welt verändert und hat einen wahren Kern. Diesen sollte man nicht abstreiten. Ansonsten finde ich eure Diskussion interessant. Ihr geht weiter den Weg der europäischen Aufklärung. ;) Die Frage ist nur wohin sie führen soll...
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Friday, February 10th 2012, 10:47pm

Hab das aufgehört zu lesen, als ich zu dem Punkt mit Kriminalität kam. Vermutlich hat er Recht damit, dass es Parawissenschaften gibt, aber sein Geschwafel ist nicht besonders intelligent.

Dann lies halt weiter, bevor du dazu einen Kommentar abgibst. Wirst ja wohl noch 4 Seiten lesen können. Im Abschnitt direkt nach den Kriminellen fängt es auch an.
Und Adam Smiths Theorie hat ziemlich viel in der Welt verändert und hat einen wahren Kern. Diesen sollte man nicht abstreiten.

Rein wissenschaftlich ist sie aber ziemlicher Schrott. Und ob sie einen wahren Kern hat, dass kann man nicht so genau sagen - das ist ja das Problem der Theorie. Er macht nicht wirklich testbare Aussagen, sondern postuliert nur, wieso etwas passiert.

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