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sylence

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Thursday, January 28th 2010, 9:53pm

An die Linuxer

Geht es eigentlich nur mir so, dass moderne GNU/Linux-Systeme für den Nutzer immer weniger beherrschbar werden? Früher, das heißt für mich vor 4-5 Jahren, war es relativ klar, welche Applikation oder welches Modul wofür verantwortlich ist und wo ich ansetzen muss, um ein Problem zu lösen. Die ganze FOSS-Software scheint jedoch mehr und mehr der modernen Softwaretechnologie erlegen zu sein und endlos Abstraktionsschichten übereinanderzustapeln, bis auch der letzte interessierte Nutzer die Finger vom manuellen Basteln lässt und es so zu ertragen versucht, wie er es geliefert bekommt.

Es sind viele persönliche Erfahrungen, aber auch die aus dem näheren Bekanntenkreis, die mich zu dieser Beobachtung verleiten. Ich besitze zum überall mit hinnehmen ein kleines ThinkPad X31 und stelle ausschließlich an diesen Rechner den Anspruch, immer vollständig einsatzbereit zu sein. Im Notfall weiß ich, dass ich mich auf dieses Gerät verlassen kann, wenn alle Stricke reißen und alle anderen Rechner den Geist aufgegeben haben, funktioniert das Ding und beherbegt alle Software, die ich zum Arbeiten brauche. Aus diesem Grund aktualisiere ich das darauf laufende Debian Testing alle 6-12 Monate, wenn ich sicher sein kann, dass ich es die nächsten Tage oder Wochen nicht dringend benötigen werde.

Grund hierfür ist, dass sogar unter Debian inzwischen jedes größere Update zu einem grundsätzlich kaputten System führt, da wieder jedes dritte Paket irgendwelche neuen Konventionen und Ideen einführt, die sich mit meinen unzähligen individuellen Anpassungen beißen. Nach dem letzten Update dieser Tage habe ich es z.B. aufgegeben, mein xtrlock-hibernate-xauthority-Problem auf saubere Weise mit eigenen Patches zu lösen und das zuständige hibernate-Skript einfach zurechtgehackt, bis es funktionierte. Das ist unsauber, aber inzwischen immer häufiger die einzige Möglichkeit, ohne Nervenzusammenbruch ein lauffähiges System zu erhalten. Von einem Kumpel, seines Zeichens Archlinux-Nutzer, erfahre ich immer ein paar Wochen im Voraus, was auf meinem Gentoo (dessen stable-Zweig zum Glück nicht immer topaktuell ist) in einigen Wochen nicht mehr laufen oder anderweitig Probleme bereiten wird.

KDE4 ist für mich in Sachen Abstraktionsschichten und Undurchschaubarkeit ein trauriger Höhepunkt. Entweder ich finde eine Option in einer der GUIs oder ich kann es sein lassen, da irgendwo manuell Hand anzulegen. Seien es Phonon, GStreamer oder Pulseaudio - funktioniert mit Glück, bei Problemen auf neue Version warten oder eine der Alternativen antesten. Darunter trifft man auf consolekit und HAL. HAL ist so großartig, dass Xorg nach seiner großflächigen Einführung schon darüber nachgedacht hat, es direkt wieder abzuschaffen. Mit all den Schichten und Frameworks hält natürlich auch die Bloatsuppe XML fleißig Einzug, denn es ist ja so toll maschinenlesbar (und grenzenlos ineffizient, sowie für Menschen nur schwer zu lesen). Der Linux-Kernel hat einen dicken Bug (oder eine Kombination aus mehreren, niemand weiß es), weshalb die I/O-Performance von x86-64-Systemen in den Keller sinkt, sobald die Platte linear eine größere Datenmenge lesen muss. Ist seit über einem Jahr bekannt, steht auf der Kernel-Mailingliste zur Diskussion und füllt Foren mit hunderten von Beiträgen, jedoch sehen die Macher in ihrem monolithischen Bloatkernel selbst nicht mehr durch und geben sich ratlos.

Ich weiß nicht, nennt mich altmodisch, aber ich habe mehr und mehr den Eindruck, dass in der FOSS-Welt gerade einiges gegen den Baum gefahren wird. Linux hält Einzug auf dem Desktop, viele haben bereits davon gehört oder benutzen es sogar (hin und wieder). Was stirbt, ist die Nutzergeneration, die noch Spaß am Basteln hatte und sich die Mühe machte, tief ins System einzutauchen und es perfekt auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Denn wenn ich das versuche, werden die nächsten drei Abstraktionsschichten zwei ältere ersetzen, meine individuellen Optionen nicht mehr bereitstellen, denn wer braucht Option X schon? "Friss oder stirb - benutze dein Ubuntu/Fedora/SuSE/... wie du es geliefert bekommst und beschwere dich nicht, wenn du die Standardkonfiguration anpasst und danach etwas nicht mehr funktioniert, denn wir sehen da selbst auch nicht mehr so richtig durch."

Oder wie es Tuomo V., Autor des genialen Fenstermanagers ion3, FOSS-Kritiker und inzwischen Windowsnutzer, zusammenfasste:

Quoted

Tuomo Valkonen
In 1995, Linux was almost a bicycle; an alternative way of live to the Windows petrol beasts that had to be taken to the dealer for service.
By 2008, Linux has bloated into a gas-guzzler, and the cycle paths have been replaced with polluted motorways.


Wie seht ihr das? :(

Achja: Bevor hier jemand fragt, warum nicht einfach Windows nutzen - zum Arbeiten brauche ich einfach effizientes Fenstermanagement, meinen vim und eine Shell mit all ihren kleinen Tools, mit denen Alltagsaufgaben zum Kinderspiel werden.
sylence.cc

DRDK_Fragman

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2

Friday, January 29th 2010, 1:14am

Tja, es ist halt schwierig (unmoeglich?) beides zu erreichen: Volle Kontrolle und einfache Bedienbarkeit. Und die wenigsten fanden das Linux von 1995 einfach zu bedienen. Ich habe mehrere Anlaeufe gemacht Linux zu nutzen, immer mit einigen Jahren Abstand, und habe es erst jetzt und mit dem Umweg ueber OSX geschafft damit anstaendig zurecht zu kommen. Mein Eindruck ist das man (frueher mehr, heute aber immernoch) sehr viel Wissen und Erfahrung haben muss um ein Linux ueber die absoluten Basics hinaus zu bedienen. Leute die seit 95 (oder frueher) dabei sind haben einfach einen riesigen Fundus an Problemloesungen, und Wissen uber alle moegliche Teil des Systems, die sie alle ueber die maechtige Shell anwenden koennen und denn Eindruck haben (wie du), das "Alltagsprobleme zum Kinderspiel" werden. Fuer jeden der neu kommt ist das ein einziger Witz. Ich kann mich sehr gut erinnern als ich ganz unschuldig mal wenn gefragt habe wie ich vi wieder beende und voellig verdutzt war als der mir sagte: Escape, Dopplepunkt w q Enter. Heute kommt es mir vielleicht voellig logisch vor, aber wenn du mal ehrlich bist ist es keineswegs intuitiv zum beenden des scheiss programms 5 Tasten druecken zu muessen. Und selbst wenn du nicht saves musste Escape Doppelpunkt q ! Enter druecken, damit hat das also nichts zu tun.

3

Friday, January 29th 2010, 1:14am

ich habe Linux das erste mal 1998 verwendet, spricht zuhause auf meine pc installiert. damals hab ich einfach gar nichts zu laufen gebracht, weder netzwerk noch sound, mehr als ne festplatte mounten war für einen einsteiger + anleitung nicht wirklich drin^^

seit einem jahr benutze ich es täglich an meinem arbeitsplatz und muss sagen: es stinkt. es befindet sich meiner meinung nach ca. auf dem entwicklungsstand von win98 ohne service pack. in den letzten 12 monaten ist es mir häufiger abgestürzt als windows im neuen jahrtausend. also wirklich abgestürzt, da war nichts mehr mit konsole wechsel und prozess killen, kein zugriff übers netzwerk, kein gar nichts, nur strom aus ging noch.
benutzerfreundlich ist es auch nicht, ständige grafikfehler für die im internet keiner eine lösung kennt, um den sound zum laufen zu bringen habe ich fast einen tag verschwendet.

im gegensatz zu dir sylence bin ich nur anwender, ich will mich nicht wirklich mit dem system auseinandersetzen, zumindest nicht soweit, dass ich tiefer eingreife oder selbstständig konfigurationsdateien umschreibe.

kleine nebenfrage:
du weisst nicht zufällig wie ich dem emacs (oder anderen programmen) beibringen kann automatisch in einem neuen fenster zu starten, also
> emacs DATEI &
das & will ich nicht immer eintippen. habe auch schon gegoogelt aber nichts gefunden.

DRDK_Fragman

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4

Friday, January 29th 2010, 2:09am

Mhhh so negativ sind meine Erfahrungen mit Linux nicht. Ich verwende es deutlich lieber als Windows XP und Vista (Win7 muss ich bei Zeiten mal testen) und das es staendig abstuerzt kenne ich von mir auch nicht. Ich schraube allerdings auch kaum daran rum und freu mich immer wie ein Schneekoenig wenns ich aptitude laufen lassen und es fuer tausend sachen Patches gibt :) Das geht mir allerdings auch bei Windows Update und OS X update so :-P Ich mag den Fortschritt.

Zum Thema Konfigurationsdateien: Was mit an XML gefaellt ist das es irgendwie ein Standart ist. Besser waere natuerlich etwas schoeneres, lesbareres und weniger Tippintensives. Aber es geht mir auf die Nerven das unter Linux jedes Programm sein eigenes Konfigurationsformat rollt. Ich wuerde sowas HAML maessiges cool finden. Aber das ist wohl Wunschdenken.

p.s.: Wenigstens fuehlt sich Raider als Linuxer angesprochen :-P

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5

Friday, January 29th 2010, 7:52pm

Quoted

Original von Erg_Raider
> emacs DATEI &
das & will ich nicht immer eintippen. habe auch schon gegoogelt aber nichts gefunden.


Würde ich über n Shellscript probieren das als Parameter die Datei erhält und es dann in /usr/bin schieben und Rechte zum Ausführen geben.

Dass Linux instabiler geworden ist kann ich eigentlich auch nicht bestätigen. Wenns mal bei mir abgestürzt ist, dann hats meist an propietären Treibern gelegen.

Schwerer zu durchschauen ist es auf jedenfall. Aber das ist etwas was man bei der wachsenden Gemeinde wohl in Kauf nehmen muss. Wobei ich das auch für den Hauptgrund halte - denke nicht dass sich einfache Bedienbarkeit und techn. Durchschaubarkeit zwangsläufig beißen.

zZ hat Linux für mich aber erstmal ausgedient. Auf Arbeit wo ich es für die Auswertung von riesigen Datenmengen (dank der besseren Tools) brauchen könnte kann ichs nich verwenden, weil das Unternehmen dafür keinen Support bietet - und privat bin ich mit Win7 sehr zufrieden.

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6

Friday, January 29th 2010, 8:37pm

Dass es für Bastler immer schwieriger wird das zu erreichen was man möchte ohne dass es nach dem nächsten update wieder neu gemacht werden muss (bzw. dann irgendwie nicht mehr zurecht gefrickelt werden kann) kann ich gut nachvollziehen. Ärgere mich auch des öfteren, dass etwas nach nen update nicht mehr so will, wie man es zusammengebastelt hat. Geht schon bei einfachen Konfigurationen über die GUI los, die komplett zerstört werden. Das mit den Stabilitätsproblemen kann ich ebenfalls nicht bestätigen. Meine Linux-Kiste ist mir, abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen an denen ich aber selbst Schuld hatte, noch nie richtig abgeschmiert.

7

Friday, January 29th 2010, 9:28pm

Ich hab mehrfach ernsthaft versucht auf Linux zu programmieren. Es war furchtbar. Ich habe nie einen Editor gefunden, der auch nur annährend mit Visual Studio & Visual Assist mithalten kann. Intellisense und autovervöllständigen waren bei allen katastrophal, sowie man ein paar libs eingebunden hat. Entweder es funktionierte sehr fehlerhaft, oder mit grottiger Performanz (eclipse z.B.... das ist sowas von lahm, der erlegt sich regelmäßig selbst beim parsen des Quellcodes um intellisense hinzubekommen).

Bin mit hängenden Ohren wieder zu Windows zurück. Für mich einfach unbrauchbar. Schon das hinbekommen vernünftiger Schriften ( nicht dieses häßliche Wischi-Waschi mit AA) war bei jeder Version eine neue herausforderung. Das war schon fast ein running-gag. Sound war so lala. Mal gings sehr einfach, mal wars total nervig.

zZ nutze ich unter win7 in einer VM Ubuntu (zum Surfen auf potentiell unsicheren seiten). Bin zu frieden. Alles geht out of the box. Sogar Sound kommt via Virtual-Box zu Win7 durch. Aber für mehr werd ich es vorerst nicht nutzen. War ewig bei XP und bin jetzt mit Win7 einigermaßen zu frieden.