Nachdem Disa hier ja schon ein wenig was aus Sicht der Auftraggeber geschrieben hat hier mal was aus Sicht eines Freiberuflers: 120 Euro die Stunde für einen normalen DB-Job ist Traumtänzerei. In der Realität wird man so was, wenn überhaupt, nur mit sehr viel Glück realisieren können, wenn man direkt beim Kunden unter Vertrag ist. Darüber hinaus müsste man schon eine Qualifikation haben, die das Unternehmen unbedingt braucht oder halt so dermassen gut über das Unternehmen und die Aufgabenstellung Bescheid wissen, dass es keinen Sinn macht jemand anderen als eben genau Dich einzusetzen. Bei einem stinknormalen DB-Admin (das ist nun wirklich nicht grad Raketentechnik) wird das nicht der Fall sein. Dazu kommt, dass 99% der Aufträge für Freiberufler heute über Vermittler wie Hays, Gulp, Götzfried usw. abgewickelt werden und der Großteil der Unternehmen eben diese Vermittler als Preferred Supplier nutzt und deshalb auch keine direkten Aufträge mit "kleinen" Freiberuflern abschliessen. Als ich mich selbstständig gemacht habe war das noch komplett anders, aber heutzutage stecken meistens besagte Vermittler dazwischen. Selbstverständlich wollen auch diese Vermittler am Auftrag verdienen und alles was sie verdienen verdienst Du weniger. Nehmen wir nunmal an die 640 Euro, die Disa nannte, sind ein Mittelwert (und für mich hört sich das nicht unrealistisch an) kannst Du Dir ausrechnen, was Du am Ende bekommen wirst - jedenfalls sicher keine 120 Euro die Stunde und schon garnicht als grüner Junge frisch von der Uni
Ansonsten hören sich die Stundensätze eines Freiberuflers natürlich erstmal super an aus Sicht eines Angestellten, aber was oft vergessen wird:
- Wenn Du Dich nicht verkaufen kannst (Entscheidungsträger in Unternehmen lassen sich nicht von Geschichten beeindrucken, wie man sie von Dir hier öfter zu lesen bekommt, Firefox
) wirst Du keinen Erfolg haben und maximal für irgendwelche Niedrigpreis Agenturen die als Vermittler x in der Kette zum Endkunden hängen tätig werden können.
- bezahlter Urlaub? Nix da, Du verdientst exakt dann, wenn Du arbeitest, wenn Du in Urlaub fahren willst gibt es keine müde Mark. Also nix mit 6 Wochen Urlaub im Jahr bei vollem Gehalt
- Urlaubsgeld gibt es natürlich schonmal garnicht, gleiches gilt für Weihnachtsgeld
- Du wirst krank? Dumm gelaufen, so lang Du krank bist gilt das Gleiche wie im Urlaub: Es gibt kein Geld
- Es gibt auch keinerlei soziale Absicherung. Arbeitslosenversicherung gibt es garnicht. Für Deine Rente musst Du komplett selber sorgen gleiches gilt für die Krankenversicherung (nix Arbeitgeberanteil)
- Zwischen den Aufträgen gibt es meistens Zwangsauszeiten von 1-3 Monaten. Die müssen also mit kalkuliert werden. Wenn es dann mal ganz schlechte Zeiten gibt (bspw. als die .Com-Blase geplatzt ist und die IT weltweit Probleme hatte) kann es auch mal ganz übel kommen und Du wurschtelst Dich da irgendwie durch oder gibst auf.
- Aufträge in Nähe von Familie und Freunden: Wenn man Glück hat ja, aber wenn der nächste passende Auftrag halt am andere Ende von Deutschland liegt, dann wirst Du dahin müssen, es sei denn Du brauchst das Geld eh nicht, weil Du letzte Woche die 20 Millionen im Lotto gewonnen hast
- Dem Auftraggeber geht es schlecht und Projekte werden vorzeitig beendet? Glückwunsch, Du bist der erste der gehen darf und zwar nicht mit der Vorwarnzeit von vertraglich festgesetzten Kündigungsfristen, sondern durchaus auch mal von heute auf morgen (mir noch nie passiert, aber ich habe Kollegen, die Morgens direkt wieder nach Hause geschickt wurden). Du hast auch keine Absicherung (Arbeitslosenversicherung etc.) ausser Deiner Rücklagen (kann also ein Problem sein, wenn sowas zu falschen Zeitpunkt geschieht)
- auch die üblichen Kosten, die der normale Angestellte nicht hat (Vermögensschadenhaftpflicht, gwerbliche Rechtsschutzversicherung, Steuerberater) musst Du einplanen
Und wenn Du das dann alles Bedacht hast und am Ende auf einen stolzen Stundensatz gekommen bist, dann wirst Du feststellen wieviele Idioten es unter den freiberuflich tätigen gibt, die sich zwar "selbständig und unabhängig" nennen aber all das nicht bedenken und für 40 Euro die Stunde, alle Kosten inklusive aller Nebenkosten am anderen Ende von Deutschland arbeiten. Natürlich zahlt der Kunde am Ende meist drauf, weil niemand, der zu blöd ist seine eigenen Kosten zu berechnen, ein IT-Projekt abwickeln kann. Dir selber hilft das aber erstmal nicht, weil Dein (realistischer) Stundensatz viel zu hoch ist
Also, auch wenn es sich nach einem Leben in Saus und Braus anhört: Es ist nicht alles Gold was glänzt. Wenn man mich jetzt fragen würde: "Warum machst Du es denn dann" - Weil ich es einfach mag einigermassen unabhängig zu sein und weil es mir Spass macht immer wieder in neuen Projekten tätig sein zu können. Außerdem gehöre ich wahrscheinlich zu den Freiberuflern, die (bei allen Rückschlägen, die natürlich auch ich hatte) verdammt viel Glück hatte, zum einen durch meinen Einstieg damals bei einem Weltkonzern (was nicht unbedingt normal ist, wenn man selbst noch im Studium ist) zum anderen weil ich in den letzten 20 Jahren für sehr viele sehr interessante Firmen in interessanten Projekten arbeiten durfte. Der finanzielle Aspekt ist, ehrlich gesagt, zweitrangig für mich.
PS: Zu dem erwähnten Professor - Wenn Du nicht grad vorhast zu promovieren und dann direkt einen Lehrauftrag an einer Uni bekommst, dann werden Dir die Unternehmen heutzutage nicht grade die Bude einlaufen. Ein Professor von einer angesehenen Uni mit entsprechenden Veröffentlichungen und Reputation darf selbstverständlich mit höheren Tagessätzen rechnen als irgendein 08/15 Datenbankadmin, von dem es 1000de in Deutschland gibt, die genau das gleiche genau so gut können. Wenn er von normalen DB-Admins gesprochen hat, dann hat er schlicht gelogen.
Achso, falls sich das frustriert anhört: Bin ich nicht, ich komme gut klar und mir macht das Ganze auch weiterhin Spaß. Aber durch eine rosarote Brille sollte man das ganze, grade als Neueinsteiger, auch nicht sehen