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RAK
Zahllose Hinrichtungen
Seit vielen Jahren wird auf die Menschenrechtsverletzungen im Irak von amnesty international und den Vereinten Nationen hingewiesen: Hinrichtungen, Folter und Willkürhaft bestimmen den Alltag zwischen Euphrat und Tigris.
Soldaten klopfen an die Tür. Einer verzweifelten Mutter erklären sie, dass die Leiche ihres Sohnes nicht herausgegeben wird, wenn die Kosten für die Hinrichtung nicht bezahlt werden. „Wir sollen auch noch für die Kugeln zahlen, die unseren Sohn getötet haben“, schreit die Frau die Soldaten an. Der Mann sagt nichts, nimmt sie an der Schulter und schließt die Haustür.
Das ist keine Geschichte aus einem schlechten Roman, das ist Alltag im Irak. Vielen Menschen ist es schon so ergangen, seitdem Saddam Hussein als Präsident das Zweistromland regiert. Zu den wichtigsten Pfeilern seiner Macht zählt die Angst. Das Volk soll sich fürchten. Ob man nun Kurde oder Araber ist, einfacher Soldat oder Mitglied des Revolutionären Kommandorates spielt keine Rolle. Jeder, von dem auch nur vermutet wird, dass er gegen die Regierung ist, verschwindet - entweder spurlos oder im Gefängnis.
Die Zahl der „Verschwundenen“ im Irak geht in die Hunderttausende. Vor allem seit der al-Anfal-Kampagne Saddam Husseins gegen die Kurden Ende der Achtziger Jahre ist sie gestiegen. Anklagen der Vereinten Nationen oder von Menschenrechtsorganisationen verhallen weitgehend unbeachtet.
Der Irak zählt zu den Ländern, in denen sehr oft Todesurteile verhängt werden. Für eine Vielzahl von Vergehen – seien es kriminelle oder politische Delikte - kann sie verhängt werden. Betroffene haben kaum eine Chance, der Verurteilung zu entgehen. Wenn überhaupt ein Rechtsanwalt einen Angeklagten vertreten kann, erhält er keine Einsicht in Anklageschriften - wenn es denn eine gibt. Von Sondergerichtshöfen wird „Recht“ gesprochen - in Verfahren, die nicht annähernd anerkannten Grundsätzen der Fairness entsprechen. Delikte, die mit der Todesstrafe geahndet werden, sind neben anderen: Doppelte Mitgliedschaft in politischen Parteien - vor allem wenn man Mitglied in Saddam Husseins Baath Partei ist, politische Aktivitäten im Militärdienst oder der Handel mit importierten Luxusgütern. Auch die öffentliche Beleidigung des Präsidenten, Prostitution, Diebstahl, Desertion, Urkundenfälschung, Veruntreuung, Betrug oder Bestechung können die Tötung im staatlichen Auftrag nach sich ziehen. Die Zahl der bekannt werdenden Opfer ist wohl nur ein Teil der Realität.
Allein Ende 1997 wurden nach Recherchen der Vereinten Nationen in einer „Säuberungskampagne im Gefängnis“ mehr als 1.500 Gefangene in den Haftanstalten Abu Ghraib und al-Radhwaniya hingerichtet. Getötet wurden vor allem Oppositionelle, die zur Todesstrafe oder zu lebenslanger Haft verurteilt waren. Am 12. Oktober 1999 wurde aus dem Abu Ghraib-Gefängnis erneut die Hinrichtung von über hundert Menschen bekannt. Angesichts der irakischen Geheimhaltungspolitik ist es bei Hinrichtungen nicht immer möglich, zu überprüfen, ob den Hinrichtungen Todesurteile vorausgingen oder ob es sich um „extralegale“ Exekutionen handelte.
Trotz der Verankerung des Folterverbots in der irakischen Verfassung sahen sich die Insassen der Gefängnisse und Haftzentren des Landes systematischen Folterungen und Misshandlungen ausgesetzt. Politische Gefangene wurden besonders schwer gefoltert. Zu den geschilderten Methoden der körperlichen und psychologischen Folterungen zählten Elektroschocks an verschiedenen Körperteilen, das Ausreißen von Fingernägeln, das Aufhängen an den Gelenken über lange Zeiträume hinweg, Schläge mit Kabeln, Schläge auf die Fußsohlen, Verbrennungen mit Zigaretten, das Durchbohren der Hände, Scheinhinrichtungen sowie die Drohung, weibliche Angehörige der Gefangenen – insbesondere die Ehefrau oder die Mutter – abzuholen und vor den Augen des Häftlings zu vergewaltigen.
Mit Ende des Golfkrieges 1991 wurden zwei Flugverbotszonen - nördlich des 36. und südlich des 32. Breitengrades - eingerichtet, die von den USA, Großbritannien und Frankreich überwacht werden. Gedacht waren sie als Schutz für die irakischen Kurden im Norden sowie für die schiitische Bevölkerung im Süden des Landes. Im September 1996 wurde die südliche Flugverbotszone bis zum 33. Breitengrad erweitert. Grund dafür waren die Kämpfe im Norden des Landes, als die Kurdische Demokratische Partei Saddam Hussein um Unterstützung im Konflikt gegen die Patriotische Union Kurdistans bat. Daraufhin rückten irakische Panzerverbände in den Norden des Landes vor. Frankreich beteiligt sich seit Dezember 1996 nicht mehr an den Überwachungsflügen.
Seit Ende der Operation „Desert Fox“ im Dezember 1998 sind amerikanische, britische und irakische Streitkräfte in tägliche Konflikte in den Flugverbotszonen verwickelt. Verschärft wird die Situation dadurch, dass die US-Regierung im Januar 1999 die Befugnisse der Piloten erweitert hat - diese dürfen nun nicht nur in Notwehr, sondern auch präventiv auf Raketenstellungen feuern. Fernab der Tagespresse findet ein Krieg statt, den kaum noch jemand wahrnimmt.
Lediglich Menschenrechtsgruppen wie amnesty international fürchten um die Sicherheit der Zivilbevölkerung in diesen Gebieten, in denen durch die Angriffe eine erhebliche Anzahl an Todesopfern und Verwundeten unter der Zivilbevölkerung zu beklagen ist.
Helmut Salmhofer
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Zitat:
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ai-Journal Dezember 2000
Irak
Frauen öffentlich geköpft
Fast 50 Frauen, die der Prostitution beschuldigt wurden, sowie Männer, denen man Zuhälterei zur Last legte, sind nach Berichten der arabischen Zeitung „Al-Hayat“ öffentlich geköpft worden. Die Hinrichtungen waren offenbar Teil einer laufenden Kampagne gegen Prostitution und „unmoralische Verbrechen“ und wurden von „Kämpfern Saddams“ ausgeführt, einer paramilitärischen Gruppe unter Führung von ‘Uday Saddam Hussein, des ältesten Sohnes von Staatschef Saddam Hussein. Die öffentlichen Hinrichtungen fanden an mehreren Orten der Hauptstadt Bagdad und anderen Städten jeweils vor den Häusern der Opfer statt. Mitglieder der herrschenden Ba’th-Partei und der staatlichen irakischen Frauenorganisa-tion sollen dabei anwesend gewesen sein. Soweit bekannt, ist keine der hingerichteten Personen angeklagt oder vor Gericht gestellt worden. Die Hinrichtung durch Köpfen ist offenbar eine neue Praxis des irakischen Regimes zur Bekämpfung der seit den UNO-Sanktionen zunehmenden Prostitution im Land.
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"Todesstrafe für Saddam Hussein"
Der irakische Autor Najem Wali rechnet mit der "menschlichen Bestie" ab
DIE WELT: Ist es richtig, dass Saddam Hussein im Irak von Irakern abgeurteilt wird?
Najem Wali: Ja, es ist das Beste. Dadurch haben die Iraker die Chance zur Selbstreinigung und zur Aufarbeitung ihrer Vergangenheit. Hellmut Becker (leitete das Verteidiger-Team Ernst von Weizsäckers bei den Nürnberger Prozessen, d. Red.) hat einmal gesagt, es wäre besser für die Deutschen gewesen, wenn sie die Nürnberger Prozesse selbst geführt hätten.
DIE WELT: Aber damals waren die meisten deutschen Juristen doch selbst belastet ...
Wali: Das stimmt. Aber sicher hätte man - womöglich im Ausland - unbelastete Richter finden können. Wir haben im Irak eine ähnliche Situation. Wir wissen nicht, ob man wirklich saubere Hände dort gefunden hat. Die Richter im Irak waren Teil des Regimes.
DIE WELT: Durch den öffentlich geführten Prozess gegen Saddam Hussein könnten die Iraker also ihre Vergangenheit abstreifen und in eine neue Ära eintreten?
Wali: Ja, sofern man sich auf ihn als Verbrecher konzentriert. Es geht um Morde, Vergewaltigungen und Hinrichtungen. Viele Eltern wurden getötet, nur weil ihre Söhne Deserteure waren. Es galt das Prinzip der Sippenhaft. Auf dieser Anklageebene kann man einen sauberen Prozess führen. Saddam Hussein hat Kurden, Schiiten und Sunniten gleichermaßen umgebracht. Der Prozess gegen ihn gehört allen.
DIE WELT: Wird man ihn des Mordes überführen können?
Wali: Ja. Die Verbrechen wurden zum Teil gefilmt.
DIE WELT: Gibt es einen Foto- oder Filmbeweis, der Saddam Hussein als Mörder überführt?
Wali: Es soll diese Beweise geben. In jedem Fall ist sein Befehl zu einem Mord dokumentiert. Ich selbst besitze einen Film, in dem er kriegsunwilligen Funktionären droht: Ich werde euch mit meinen eigenen Händen vierteilen. Vom ehemaligen Premier Mohammed Hamza Al Zubeidi, der auch vor Gericht kommt, gibt es Filmaufnahmen, wie er mit seiner Pistole Schiiten nach dem Aufstand von 1991 hingerichtet hat.
DIE WELT: Glauben Sie, dass es auch einen Zeugen gibt, der sagen wird: Saddam Hussein hat vor meinen Augen einen Mord begangen?
Wali: Ich glaube schon. Es gab viele Leute im Apparat von Saddam, untergeordnete Offiziere etwa, die jetzt ihr Gewissen erleichtern werden - mit der Aussicht auf eine geringere Bestrafung.
DIE WELT: Saddam Hussein - eine menschliche Bestie?
Wali: Ja, er war und ist eine menschliche Bestie. Er ist ein Menschenfeind. Selbst Hannah Ahrendt, eine erklärte Gegnerin der Todesstrafe, kam in Bezug auf Adolf Eichmann zu dem Schluss, dass er hingerichtet werden müsse.
DIE WELT: Das gilt also auch für Saddam Hussein?
Wali: Ja. Saddam Hussein verdient nichts anderes.
DIE WELT: Das heißt also Todesstrafe ...
Wali: Todesstrafe, ja!
DIE WELT: Angenommen, Saddam Hussein erhält lebenslängliche Haft, ähnlich wie der Kurdenführer Abdullah Öcalan, dessen Todesstrafe ausgesetzt wurde. Würden die Iraker das begreifen?
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http://www.welt.de/data/2004/07/14/304930.html
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Blick in Saddams Folterkammern
Im Irak hätte es Menschenrechts-Inspektoren gebraucht und ein geschlossenes Vorgehen der Weltgemeinschaft.
Am 15. August 2001 veröffentlichte Amnesty International (AI) einen weiteren Bericht, worin Folterungen an Hunderten von politischen Gefangenen dokumentiert wurden. Im Irak würden politische Gefangene regelmässig grausam gefoltert, eröffnete die Gefangenenhilfsorganisation der Weltgemeinschaft. Ihre Dokumentation beruhte auf Interviews mit ehemaligen irakischen Gefangenen.
“Viele Opfer sind für ihr Leben von den Spuren der Folter gezeichnet und einige sind unter der Folter sogar gestorben”, erklärte Amnesty International damals und forderte die irakischen Behörden auf, die Folterpraxis sofort zu beenden und wirksame Massnahmen zu ergreifen, um die Menschenrechtslage im Irak zu verbessern. Konkret wurde beispielsweise darauf hingewiesen, dass im Gebäude des Irakischen Olympischen Komitees und seines Vorsitzenden Odai Hussein gefoltert und getötet werde. Das IOC reagierte nicht und pflegte weiterhin regen Briefverkehr mit Saddams Sohn in Bezug auf die sportlichen Voraussetzungen für die Olympiateilnahme irakischer Sportler. Das bezeugt die jetzt nach dem Krieg gefundene Korrespondenz.
Zu den Methoden der irakischen Folterer gehörten neben Schlägen und Elektroschocks auch das Ausstechen der Augen. In vielen Fällen wurden den Opfern Verbrennungen durch Zigaretten beigebracht. Zeugen berichten auch davon, dass ihnen Fingernägel gezogen wurden oder ihre Hände von elektrischen Bohrern durchbohrt wurden. Auch sexualisierte Gewalt gehörte zum Repertoire der Folterknechte. Darüber hinaus wurden im Irak Körperstrafen wie Amputationen von Händen oder Füssen, das Abschneiden der Ohren oder die Brandmarkung der Stirn verhängt. Das alles stand detailliert und dokumentiert im AI-Bericht, datiert mit dem 15. August 2001. Jahrelang haben AI und Human Rights Watch auf grausame Menschenrechtsverletzungen im Irak hingewiesen.
Doch seit Ende des Golfkriegs von 1991 war es punkto Irak immer nur ums Abrüsten von Massenvernichtungswaffen gegangen. Der von der Uno aufgebaute Druck bestand aus wirtschaftlichen Sanktionen und traf vor allem die Ärmsten. Schliesslich schickte die Uno im Jahr 2002 ein weiteres Mal Waffeninspektoren in den Irak. Sie hätte damals besser Menschenrechtsinspektoren gesandt.
Nach dem Fall des Saddam-Regimes wird der Amnesty-Bericht in allen Teilen bestätigt. Immer mehr Menschen wagen es jetzt, zu reden. Verstümmelte berichten über Folterungen. So der 31-jährige Amer Mokassin. Er wollte nicht in Saddams Armee dienen und tauchte unter. Doch das Spitzelsystem der Baath-Partei spürte ihn auf. Amer kam ins Gefängnis. Eines Tages wurde er in ein Krankenhaus gefahren – angeblich, um Blut zu spenden. Als er wieder aufwachte, fühlte er einen brennenden Schmerz am Ohr – es war ihm abgeschnitten worden. So stigmatisierte Saddam Kriegsunwillige und Deserteure. Es sind Hunderte, eher Tausende. “Es muss doch irgendwann Gerechtigkeit geben, wenn die USA und die Briten schon hier sind”, hofft nun Amer Mokassin.1
Bei Kerbala wurde ein Massengrab entdeckt. Die Hände der Opfer waren mit Kabeln gefesselt. Man geht davon aus, dass sie lebendig begraben wurden. Bei den Toten soll es sich um Schiiten handeln, umgebracht während des Aufstands nach dem Golfkrieg von 1991.2
Aufsehen erregend ist der Bericht von Latif Yahia3. Aufgrund seiner Ähnlichkeit mit Saddam Husseins Sohn Odai war er als 23-Jähriger ausgewählt und zu Odais Doppelgänger gemacht worden. Er war dessen Kopie und Sklave gleichermassen, durch psychische Folterungen abgestumpft und willenlos gemacht. Seine Position verschaffte ihm Einblicke in das grausame Zusammenspiel von Terror und zügelloser Machtausübung.
Latif Yahia schildert, wie die Iraker im überfallenen Kuwait wüteten, wie sie plünderten, brandschatzten, mordeten. Odai Hussein liess Tausende von teuren Autos in Kuwait stehlen und in Bagdad verkaufen. Als der Diebstahl ruchbar wurde und Odai unter Druck geriet, musste Latif Yahia öffentlich bekannt geben, dass nicht Odai, sondern er, als sein Doppelgänger, den Autodiebstahl organisiert habe. Dann kam der Angriff der Alliierten mit dem Aufstand der Schiiten gegen Saddam Hussein. Wie viele Menschen damals auf brutalste Art und Weise umgebracht wurden, weiss auch Latif nicht. Aber das, was er mitbekommt und beschreibt, ist an sich schon zu viel.
Latif Yahias 1993 erstmals erschienener Bericht wurde immer wieder als übertrieben verurteilt. Das mag in einigen Fällen möglich sein. Doch dass Saddams Sohn Odai ein machtbesessener, skrupelloser Sadist war, ist inzwischen belegt. Odai, der Sportminister, liess im Gebäude des Olympischen Komitees in Bagdad Sportler mit ungenügenden Leistungen systematisch foltern. US-Soldaten entdeckten neben anderen Foltereinrichtungen eine Art “Eiserne Jungfrau” mit eindeutigen Gebrauchsspuren.4 Irakische Fussballer berichten, wie sie von Odai höchstpersönlich mit Stromkabeln blutig geschlagen worden seien. Dass Odai dieses Strafmittel tatsächlich einsetzte, davon berichtet Latif Yahia, sein ehemaliger Doppelgänger, ebenfalls aus eigener Erfahrung.
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http://www.factum-magazin.ch/whats_...052235333.shtml
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und so weiter und so fort.
Das Vergleichen der Vorkommnisse in AbuGhoreib nach dem Sturz Saddams mit den Zuständen im Irak während der Diktatur ist eine abscheuliche und erbärmliche Lüge - ebenso wie die Relativierung von Opferzahlen - und ist ein Schlag ins Gesicht von jedem, der unter dieser Schreckensherrschaft zu leiden hatte.