Die Nachfrage bestimmt letztlich das Angebot. Wie viele Studenten haben wohl den Anspruch wissenschaftlich zu arbeiten? Mir kommt es so vor, vergleichbar mit all den Zertifizierungsmoeglichkeiten in meinem beruflichen Alltag, dass ein Studium überwiegend als "Kurs zur Prüfungsvorbereitung" verstanden wird. Was kann man mit geisteswissenschaftlichen Studiengängen anfangen? Wer Geld in der Privatwirtschaft verdienen will, ist dort denkbar schlecht aufgehoben, da solche Studiengänge in ihrem privatwirtschaftlichem Nutzen als wenig relevant eingestuft werden. Mein Eindruck ist, dass sowas überwiegend von Menschen studiert wird, die ohnehin keinen Plan haben, was sie mal machen wollen. Meine Freundin hat Theaterwissenschaften studiert. Weil es sie interessiert hat. Anfangen kann man damit praktisch nix, leider.
Subjektiv nimmt die Zahl der Studierenden, die sich diesen Anspruch zumindest im Laufe ihres Studiums zu eigen machen, stetig ab. Die meisten laufen mit einer gnadenlosen Verwertungslogik durch die Uni/das Leben: "Was bringt mir das für meinen CV?", ganz zu schweigen vom umgreifenden Narzismus. Das kann aber im Grunde auch nicht verwundern, wenn man das Szepter wissenschaftlichen Erkenntnisinteresses hochhält, dann aber mal einen Blick auf mögliche Karrieren in der Wissenschaft wirft, dann bekommt man das Schaudern. Wissenschaftskarriere ist nicht unwesentlich abhängig vom Geburtsjahr. Leider erneuern sich nur alle 20-25 Jahre die unbefristeten wissenschaftlichen Stellen (dann aber auf einen Schlag), entweder man hat großes Glück und bekommt mit Mitte 30 bis Mitte 40 nach Dr. und Habilitation direkt eine frei werdende Professur oder man braucht einen sehr langen Atem auf befristeten Stellen (wobei dann meiste mit Mitte 50 Schluss ist, weil mehr als 15 Jahre wiss. MA gehen nicht). Die Abschaffung der Wissenschaftlichen Assistenten rächt sich langsam aber sicher. Aber btt:
Ob man generell mit einem geistes- oder sozialwissenschaftlichen Studium etwas "anfangen" kann, im Sinne von "Karriere machen kann", hängt meiner Erfahrung nach wesentlich von der Person an sich ab als vom Abschluss. Genug meiner herausragenden ehem. Kommilitonen bekamen über kurz oder lang Angebote als "Quereinsteiger" in den Privatsektor zu rutschen, das lief dann aber ausschließlich über Vitamin B und die Art des Diploms/Magisters war nachrangig. Selbst mir(!) ist das schon passiert und ich suche gegenwärtig nicht einmal. Anzumerken ist allerdings auch, dass wenn man etwas "anspruchsloses" wie SoWi mit einem entsprechenden eigenen Anspruch studiert oder exzellente Dozenten hat, die einen anleiten und protegieren, dann schult man doch gewisse methodisch-analytischen Fähigkeiten oder auch die Kompetenz, komplexe Sachverhalte zu erfassen und wiedergeben zu können. Das kann auch in privatwirtschaftlichen Zusammenhängen ein "Wettbewerbsvorteil" sein. In den Geisteswissenschaften gibt es sicherlich Parallelen. Gibt ja genug Philosophen, die in For-Profit-Organisationen arbeiten. Theaterwissenschaften sind aber nochmal eine andere Qualität, befürchte ich

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Allerdings darf man auch nicht unterschlagen, dass auf jeden erfolgreichen Quereinsteiger wohl zig Andere kommen, die im ÖD auf eigens für sie geschaffenen Stellen landen (mit Entgeldgr. 13 lässt es sich auch schon nett leben) oder eben Taxi fahren.
Hinzukommt, dass traditionell einfach nicht die "Klügsten und Besten" Geistes- und Sozialwissenschaften studieren, das ist auch immer noch so. Die wirklich fitten Leute streben meistens gerade in jungen Jahren nach Reichtum und Status und studieren Entsprechendes (BWL/Dipl-Ing./Chemie/Medizin/Physik/Jura). Und eher die, die keinen Plan haben, studieren aus der Not heraus die vermeintlich "leichten" Fächer und das in Massen, entsprechend bescheiden ist dann die Ausbildung, und los geht die Abwärtsspirale und die zum Großteil zutreffenden Klischees. Zu allem Überfluss benötigt dann auch keine Gesellschaft diese schiere Zahl an Geistes- und Sozialwissenschaftler (08/15 - Betriebswirte explizit eingeschlossen), entsprechend werden nicht nur sinnlose Stellen geschaffen, sondern mit diesem "Überschuss" werden auch Stellen besetzt, auf denen andere, z.B. praxisorientierte Ausbildungen bedeutend sinnvoller wären (meine aktuelle Stelle ist z.B. genau so eine, aber was angenehmeres zum hauptberuflichen Promovieren gibt's einfach nicht

).