Irgendwie wusste ich doch dass ich hier mal so ein Diskussionsthema aufgemacht hatte, ich bin so frei das mal aus der Versenkung zu holen....
Thema Sicherheit Deutscher Kernkraftwerke unter den Aspekten die uns gerade in Japan begegnen:
Meine ernüchternde Antwort als erstes: Ich weiß nicht genau, wie die Japanischen Kraftwerke aussehen und kenne daher nicht die Details von dem, was dort passiert ist und wie es im Vergleich dazu in unseren Anlagen aussieht. Daher gibt es erstmal nur meine subjektiven Einschätzungen aus dem was ich den Nachrichten entnehmen kann.
Was passiert gerade in den Reaktoren von Fukushima I? Fukushima ist ein Siedewasser aus den frühen 70er Jahren. Die Konstruktionsbedingten Anforderungen an diese Anlagen haben sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt.
Generell gibt es zum Schutz der Bevölkerung aber auch bei diesem Kraftwerkstyp mehrere Barrieren:
1. Brennstoffpellet: Solange es nicht zur Kernschmelze kommt hält das Pellet den Großteil der Spaltprodukte zurück. Ausnahmen sind vor allem Cs und I, da diese flüchtige Verbindungen eingehen können
2. Hüllrohr: Die wohl "schwächste" Barriere. Bei hohen Temperaturen wird das Zirkaloy vom Wasser korrodiert und ist eine der Hauptquellen für Wasserstoff im System
3. Reaktordruckbehälter: Das System umschließt den radioaktiven Kern und ist für großen Druck ausgelegt. Allerdings gibt es sehr viele Rohrleitungen, die bei starkem Überdruck wohl versagen können. Ausgelegt ist das System auf 40-60 bar je nach Reaktor
4. Das Containement alias Sicherheitsbehälter. Dieser ist zumeist aus Stahl oder Beton realisiert und auch gegen einige bar Überdruck ausgelegt.
5. Das Reaktorgebäude als äußerste Hülle ist ein weiterer Schutzmechanismus, der aber im Zweifelsfall die schwächste Schicht ist.
Was passiert gerade in Japan? Nach übereinstimmenden Meldungen fällt es schwer, den Reaktorkern zu kühlen. Das Problem ist, dass auch nach Abschalten des Reaktors durch radioaktiven Zerfall weiter Energie erzeugt wird. Direkt nach Abschaltung sind dies ca 6% der Nennleistung, nach 48% Stunden bereits weniger als 1%. Kann man diese Wärme nicht wegführen erhitzt sich das Material und fängt an zu schmelzen. Dies hat zur Folge, dass die Barrieren 1 und 2 relativ schnell versagen. Im Falle eines "trockenen" Reaktorcores, also nach verlust des Kühlmittels ist der Zeitrahmen dafür wenige Stunden. Anschließend wird eine Kernschmelze nicht mehr auszuschließen sein bzw sehr wahrscheinlich. Dies wird im Zweifel auch den Boden des Reaktordruckbehälters zerstören, wenn nicht durch das Beben eh schon einige Leitungen geborsten sind. Um das Containment zu schützen muss immer mal wieder Druck abgelassen werden, dabei entweicht dann Radioaktivität, allerdings in "geringem" Umfang. Gleichzeitig scheint aber dabei Wasserstoff ins Reaktorgebäude gekommen zu sein, der dort detoniert ist und das äußere Gebäude zerstört hat.
Meine Vermutung ist, dass derzeit nur noch das Containment die Radioaktivität zurück hält. Allerdings wird mit jeder Stunde die vergangen ist die Wahrscheinlichkeit kleiner, dass es zerstört wird. Die Nachwärmeproduktion geht mit jeder Stunde zurück und produziert damit weniger Druck und weniger Wasserstoff. Die Anlagen werden vollständig zerstört sein, aber derzeit sieht es noch so aus, als ob das schlimmste im Gebäude zurück gehalten werden kann.
Um jetzt unter den Gesichtspunkten zu beurteilen, wie die Lage im Vergleich dazu in deutschen KKW aussieht stellt mich jetzt allerdings vor einige Probleme. Das erste Problem was sich in Japan ergeben hat ist der Verlust aller Nachkühlsysteme und aller Notsysteme. Bei einer klassischen "gelehrten" Auslegung von doppelt Diversitär und doppelt Redundant ist dies wohl nur einhergehend mit einer weitestgehenden Zerstörung der Anlage realisierbar, aber wir müssen wohl annehmen, dass auch der Fall eintreten kann. In diesem Fall werden auch wir irgendwann in die Kernschmelze kommen und die ersten 3 Sicherheitsbarrieren verlieren. Eine ganz entscheidene Frage wird dann sein, ob man das Wasserstoffproblem kontrollieren kann oder nicht. Stand der Technik in Deutschland sind hierzu sogenannte katalytische Rekombinatoren, die bei Zimmertemperatur und einer H2 Konzentration von 1% (Zündfähig ab 4%) bereits anfangen diesen wieder in Wasserdampf umzuwandeln. Allerdings haben die derzeit genehmigten und verbauten den Nachteil, dass sie sich recht stark erhitzen und Temperaturen erreichen können, bei denen eine Explosion ausgelöst wird. Die Forschung auf dem Gebiet wird derzeit in Jülich stark voran getrieben, aber es gibt mWn noch kein Modell, mit dem man die absolute Effizienz vernünftig simulieren könnte. Also insbesondere keines, das eine tendenzielle Aussage darüber erlaubt ob die H2 Produktion einer Kernschmelze Detonationsfrei wieder umgewandelt werden kann. Sollte die Rekombination allerdings wie gewünscht funktionieren, ist die Gefahr eines Containmentversagens deutlich verringert.
In der anstehenden Sicherheitsüberprüfung wird vermutlich vor allem auf die Containement Sicherheit eingegangen werden. Es ist die Barriere, die am stärksten gegen die Freisetzung schützt im Falle der Kernschmelze. Die Containments unterscheiden sich aber konstruktionstechnisch, die Frage ist ob sie aus Beton oder Stahl konstruiert sind. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um einen SWR oder DWR handelt. Die Auslegungen des Containments sind vor allem gegen Gefahren von Außen gerichtet, wie bspw. den berühmten Flugzeugabsturz. Unsere alten Anlagen sind dabei deutlich schwächer als die neuen KONVOI Kraftwerke.
Soweit eine erste Einschätzung von mir. Bei Fragen stehe ich hier im Thread auch weiter zur Verfügung, in den anderen werde ich mich aber nicht beteiligen.