als angehender geschichtslehrer möchte ich der debatte doch noch mal meinen senf dazugeben.
1. eine genauere beschäftigung, hinsichtlich militärischen operationen, strategien, technologien ist nicht erwünscht. der rahmenlehrplan legt darauf keinen wert. übrigens spielen wirklich harte militärische fakten an der uni auch kaum eine rolle.
ausnahmen sind wk I, der schlieffen-plan (weil er den weg in den krieg beeinflusst - deutschland wird unter zeitdruck gesetzt, der preußisch- österreichische krieg von 1866 (eisenbahn als innovatives transportmittel/ neuartige preußische gewehre... auch faktoren im deutsch-französische krieg von 1870/71-> da haben wir die franzosen übrigens auch hart gebasht) und dergleichen.
dort geht es aber um kriegsentscheidende militärische innovationen.
(übrigens, und nur nebenbei bemerkt. asymmetrische kriege sind absolut keine kinder des 20 und 21. jahrhunderts. schon der oben genannte napoleon kämpft in spanien einen asymmetrischen krieg - der name "guerilla" leite sich übrigens aus diesem konflikt her.)
wieso kein militär im unterricht? was sollte es denn nützen?
wieso sollte man einer horde neuntklässler auch was zur "rudeltaktik" deutscher u-boote, den vorzug von kombinierten und abgestimmten land- luftangriffen-mithilfe von sturzkampfbombern etc erzählen. im endeffekt sind das auf, dem abstraktionsniveau des schulunterrichts absolut nachrangige ereignisgeschichtliche fragestellungen, die für das ergebnis des krieges völlig irrelevant sind.
der weltkrieg II ist seit dezember 1941 entschieden. das wissen alle, außer uns deutschen. in solchen stunden würde ich vielleicht einfach eine folie mit truppenstärken, produktionszahlen von flugzeugen, panzern, schiffen etc zeigen. und dazu ein bild von einem ju87 stuka mit einer b-29 vergleichen. da sieht man dann sehr schön, dass die allierten sowohl quantitiv ungefähr 10:1 (abhängig vom kriegszeitpunkt) und auch mit zunehmender kriegsdauer qualitativ überlegen sind, weil die nazis nicht in der lage waren technisch mit der zeit zu gehen und auf wunderwaffen, statt auf technische evolution gesetzt haben.
wichtig für die anfangserfolge der wehrmacht ist die mangelhafte militärische und personelle ausrüstung der kriegsgegner in den frühen kriegsjahren. england, frankreich und russland haben einfach verschlafen, dass ein verrückter diktator (mit seinem ganzen land) selbstmord begehen will. die appeasement politik, die dieses problem hervorgerufen hat, wird thematisiert. wenn ein guter lehrer unterrichtet, dann kann man solche stunden sehr spannend machen.
2. schulunterricht ist immer politisch motiviert. seit es schulen gibt wird versucht den zöglingen bestimmte fertigkeiten und ein bestimmtes weltbild zu geben. (beispiel am gymnasialen unterricht)
in meinem fall (bayern) sind bildungs- und erziehungsziele sowohl in der bayerischen verfassung, als auch in den rahmenlehrplänen festgelegt.
dazu gehören "die liebe zu gott", und auch folgender spannender passus:
Artikel 131: (bayr. verf.)
(3) Die Schüler sind im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur
bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinne der Völkerversöhnung
zu erziehen.
wenn man sich vor augen führt, dass sowohl die verfassung, als auch der lehrplan in unmittelbarer ereignisgeschichtlicher nachbarschaft zum 2.weltkrieg geschrieben worden sind, erklären sich einige dinge.
a) der unterricht versucht normen zu vermitteln
b) völkerversöhnung meint hier eine perspektive, die an den westen orientiert ist. in den 40er und 50ern will man sich in bayern nicht mit den russen, sondern mit den amis versöhnen.
c) die fehlende aktualität des lehrplans.
dazu muss ich ein bisschen weiter ausholen:
gerade nach dem 2. weltkrieg fand in deutschland eine geistige restauration statt, die vor allem darauf abziehlt den klassischen deutschen bildungskanon wiederher zu stellen. dazu gehört eine orientierung an die griechen (bildungsideale von humboldt) -> ausgiebig griechenland, und griechische demokratie sowie römische antike im lehrplan (gerade griechenland betreibt kein land der welt so exzessiv wie wir).
dieser teil der geschichte hat eigentlich (zumindest meiner meinung nach) keine dermaßen hohe relevanz wie er an platz im lehrplan beansprucht. (entwicklung von demokratischen strukturen in stadtrepubliken findet im europäischen, besonders im deutschen mittelalter (und in der frühen neuzeit) exzessiv statt, wird aber kaum unterrichtet, obwohl das eigentlich ein netter anknüpfungspunkt für landes- und regionalgeschichte wäre.)
dafür wurden militärische abläufe gestrichen. diese lehrelemente gehen auf nationalistisch-chauvinistische anschauungen zurück, die man im zuge der gründung der bundesrepublik ausmerzen wollte.
nachdem man den geschichtslehrplan (orientiert an diesen idealen) so ausgearbeitet hat hat man lange zeit geschlafen. erst spät (60er/70er jahre) hat man erkannt, dass man eigentlich auch vermittlungskonzepte für den stoff braucht.
mnittlerweile ist man der meinung, man müsse vor allem kompetenzen vermitteln, ist aber (gerade im bereich der universitären didaktik) absolut ratlos warum die schüler die gut gemeinten ideen und konzepte nicht aufnehmen.
die geschichtsdidaktik (vermittler von geschichte) gehört zu den ratlosesten wissenschaften, die ich bisher kennen gelernt habe. momentan arbeiten sie an einer sinnvollen erneuerung von historischen lehrkonzepten. allerdings stellen sie gerade im austausch mit der empirisch arbeitenden psychologie fest, dass ihre lehrinhalte, so wie sie derzeit im lehrplan stehen (gerade in der unterstufe) gar nicht sinnvoll unterrichtet werden können. das dürfen sie aber niemals zugeben, weil sie sonst ihre eigene rolle als ein kern der bayerischen gymnasialen bildung gefährden würden.
die geschichtsdidaktik ist ferner eine wissenschaft von historikern, die der reguläre akademische betrieb nicht haben wollte. zusammenfassend sind sie in einem erbärmlichen zustand.
außerdem streiten sich die fachrichtung innerhalb der lobbyorganisationen immer noch um den stellenwert von historischen ereignissen. sprich man ist sich nicht einig was man weglassen könnte, damit geschichte nach 1945 auch in den lehrplan passt. meines wissens ist da noch keine einigung in sicht, weswegen wohl noch einige jahrzehnte lang fröhlich griechen, restauration - vormärz und ähnliche epochen im geschichtsunterricht ausgreifender behandelt werden als geschichte nach 1945.
bin mal gespannt wie ich das als lehrer lösen werde. mein alter geschichtslehrer hat immer zusatzseminare "politik- und zeitgeschichte" für interessierte 9-13. klasse angeboten. werd ich wohl auch machen müssen um mal was spannendes zu lehren.
edith: offtopic