Ist zwar eine Woche alt (25.05.2005), aber immerhin.
Service: Die Positionen der Parteien (I)
Berlin (dpa) - Der SPD-Vorstoß für die vorgezogene Bundestagswahl hat alle
Parteien überrumpelt. Fertig ausformulierte Wahlprogramme gibt es noch
nicht. Große Unterschiede gibt es vor allem in der Gesundheits- und
Steuerpolitik. dpa gibt einen Überblick über die Konzepte:
ARBEITSMARKTPOLITIK:
SPD: An der Arbeitsmarktreform Hartz IV soll - bei Nachbesserungen im
Detail - grundsätzlich festgehalten werden. Die SPD will den weiteren Abbau
von Arbeitnehmerrechten verhindern, lehnt neuerliche Lockerungen beim
Kündigungsschutz ab. Sie setzt sich für den Erhalt von Flächentarifvertrag
und Betriebsverfassung ein.
CDU/CSU: Leistungen der Bundesagentur für Arbeit sollen für niedrigere
Beiträge (5,0 statt 6,5 Prozent) reduziert werden. Die Union will den
Niedriglohnsektor ausbauen, mehr Lohnsubventionen und mehr betriebliche
Bündnisse für Arbeit. Wenn Betriebsrat und Belegschaft zustimmen, soll
untertarifliche Bezahlung möglich sein. Die Mitbestimmung soll eingeschränkt
werden. Bei Neueinstellung soll der Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, auf
den Kündigungsschutz gegen Zahlung einer Abfindung zu verzichten. Die
Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I soll wieder verlängert und stärker an
der Dauer der Beitragszahlung ausgerichtet werden. An der Hartz-IV-Reform,
an der die Union mitwirkte, soll grundsätzlich nicht gerüttelt werden.
Grüne: Die von den Grünen geforderten Hartz-Nachbesserungen zielen auf
Verbesserungen bei den sozial Schwächsten. Die Klausel über zumutbare Arbeit
wollen sie ändern, aktive Arbeitsmarktpolitik stärken. Im Niedriglohnsektor
sollen die Sozialbeiträge zu einem größeren Teil aus der Steuerkasse bezahlt
werden.
FDP: Die radikalsten Vorstellungen vertreten die Liberalen, etwa beim
Tarifrecht oder beim Abbau von Mitbestimmung. Kündigungsschutz soll es nur
noch in Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten geben. Die Bundesagentur für
Arbeit in ihrer jetzigen Form soll abgeschafft werden,
Arbeitslosenversicherung stärker privatisiert werden.
KRANKEN- UND PFLEGEVERSICHERUNG:
SPD: Die Sozialdemokraten streben eine Pflichtversicherung für alle an, die
Bürgerversicherung. Die traditionellen Unterschiede zwischen Gesetzlicher
und Privater Kranken- und Pflegeversicherung gibt es dann nicht mehr. In die
Bürgerversicherung einbezogen werden auch Freiberufler, Beamte und
Gutverdiener. Beiträge müssen auch für Kapitaleinkünfte bezahlt werden. Aus
diesen Mehreinnahmen sollen Beitragssenkungen finanziert werden. Viele
Details sind noch offen.
Union: Die Krankenkassenbeiträge gesetzlich Versicherter sollen vom
Einkommen abgekoppelt werden. Dafür zahlt jeder eine Kopfpauschale oder
Gesundheitsprämie von 109 Euro im Monat; die Arbeitgeber steuern noch 60
Euro dazu. Sozial Schwache erhalten einen steuerfinanzierten Zuschuss, die
beitragsfreie Versicherung von Kindern wird aus der Steuerkasse bezahlt. Die
Kosten werden auf 17 Milliarden beziffert. Bei der Pflege wird mehr
Kapitaldeckung angestrebt.
Grüne: Die Grünen setzen wie die SPD auf die Bürgerversicherung und
reklamieren das Konzept für sich: Sie setzen dabei weiterhin auf das Prinzip
der paritätischen Finanzierung, also die Beteiligung der Arbeitgeber. Die
Grünen wollen auch mehr Möglichkeiten zu Direktverträgen zwischen
Krankenkassen, Ärzten und Krankenhäusern sowie mehr Wettbewerb für die
pharmazeutischen Industrie schaffen.
FDP: Die gesetzlichen Krankenkassen sollen privatisiert werden. Jeder Bürger
muss eine Grundsicherung vorweisen. Bedürftige erhalten einen
steuerfinanzierten Zuschuss. Der Arbeitgeberanteil wird ausgezahlt und muss
versteuert werden. Aus den Mehreinnahmen für den Fiskus sollen auch Kinder
krankenversichert werden.
STEUERPOLITIK
SPD: Weitere Einkommensteuersenkungen plant die SPD nicht. Ein umfassendes
Reformkonzept zur Einkommen- und Unternehmensteuer sowie zu den
Kommunalfinanzen wollte die SPD bis zum Herbst vorlegen, gestützt auf
Aussagen der «Wirtschaftsweisen». Unklar ist, ob die SPD eine duale
Einkommensbesteuerung anstrebt. Dabei würden international mobile
Kapitaleinkünfte geringer besteuert als weniger mobile wie Arbeitseinkommen.
Möglich ist auch, dass SPD- Linke sich mit der Forderung nach einer
stärkeren Besteuerung großer Vermögen und privater Erbschaften durchsetzen.
Geprüft wird eine rechtsformunabhängige Firmenbesteuerung. Wegfallen sollen
weitere Subventionen, was aber alle Parteien fordern.
Grüne: Auch die Grünen streben keine weiteren Tarifsenkungen bei der
Einkommensteuer an. Sie wollen - wie alle anderen Parteien auch - mehr
Transparenz und eine Vereinfachung des Systems. Dafür sollen Ausnahmen
gestrichen und Pauschalen eingeführt werden. Die Gewerbesteuer soll
ausgebaut werden zu einer Wirtschaftsteuer. Bei dieser neuen Gemeindesteuer
sollen auch Mieten, Zinsen und Pachten einbezogen werden. Kleine
Familienbetriebe sollen bei der Erbschaftsteuer entlastet, große
Privatvermögen aber stärker belastet werden. Mit Mehreinnahmen aus einer
Devisenumsatz- und einer Kerosinsteuer soll eine höhere Entwicklungshilfe
finanziert werden.
CDU/CSU: Das «Konzept 21» der Union ist noch unvollständig, es gibt noch
Differenzen. Zuletzt wollten CDU/CSU das Steuerrecht in zwei Stufen umbauen.
Zunächst sollen die Einkommensteuersätze auf 13 beziehungsweise 39 Prozent
gesenkt und der linear-progressive Tarif beibehalten werden. Im nächsten
Schritt soll zu einem Stufentarif mit den Sätzen 12, 24 und 36 Prozent
gewechselt werden. Ausnahmen sollen gestrichen werden, das Ausmaß ist noch
offen. Die Gewerbesteuer wollte die Union zuletzt abschaffen und Unternehmen
unabhängig von ihrer Rechtsform besteuern. Die Erbschaftsteuer für
Unternehmen soll praktisch abgeschafft werden. Teil des Steuerkonzepts
müsste auch die Finanzierung der Gesundheitsreformpläne der Union sein.
FDP: Die Liberalen wollen am stärksten umsteuern. Die FDP will Unternehmen
mit maximal 25 Prozent Körperschaft- und Einkommensteuer belasten. Bei der
Einkommensteuer soll ein Drei-Stufen-Tarif von 15, 25 und 35 Prozent gelten.
Die Gewerbesteuer soll abgeschafft werden, die Kommunen sollen dafür eine
höhere Umsatzsteuerbeteiligung erhalten. Wie bei der Union soll ferner ein
Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer samt Hebesatzrecht
gewährt werden - was die Kommunen bisher aber ablehnen.
Service: Die Positionen der Parteien (II)
Berlin (dpa) - Der SPD-Vorstoß für die vorgezogene Bundestagswahl hat alle
Parteien überrumpelt. Fertig ausformulierte Wahlprogramme gibt es noch
nicht. Große Unterschiede gibt es vor allem in der Gesundheits- und
Steuerpolitik. dpa gibt einen Überblick über die Konzepte:
RENTE:
Die Rentenfinanzen sind wegen schwacher Beitragseinnahmen extrem angespannt.
Zur nachhaltigen Stabilisierung der Kassenlage gibt es nur wenige
Stellschrauben. Dazu zählen Rentenkürzungen, Erhöhungen des Beitragssatzes,
höhere Bundeszuschüsse und/oder eine deutliche Heraufsetzung des
gesetzlichen Renteneintrittsalters von derzeit 65 auf 67 Jahre. Die
Möglichkeiten der Frühverrentung wurden bereits stark beschnitten. Ihre
rentenpolitischen Vorstellungen haben die Parteien noch nicht festgelegt.
Alle setzen aber - FDP und Union mehr, die SPD weniger - auf den Ausbau der
privaten Altersvorsorge.
ENERGIE- und VERKEHRSPOLITIK
SPD: Ökostrom soll weiter gefördert, und an der Verstromung von Kohle
festgehalten werden. Der beschlossene Atomausstieg soll fortgesetzt werden.
Planung und Bau von Verkehrswegen sollen per Gesetz beschleunigt und private
Investoren stärker beteiligt werden.
Grüne: Der Anteil erneuerbarer Energien soll deutlich ausgebaut werden. Der
Atomausstieg bis 2020 soll konsequent umgesetzt und Kohlekraftwerke weiter
modernisiert werden. Wettbewerbsnachteile des Schienenverkehrs gegenüber der
Luftfahrt sollen wegfallen.
CDU/CSU: Die Union will den Atomausstieg verzögern und die Laufzeiten
bestehender Atomkraftwerke je nach Technikstand verlängern. Die Planung und
der Bau von Verkehrswegen sollen per Gesetz beschleunigt und private
Investoren stärker beteiligt werden.
FDP: Die FDP will den Energiemix erhalten, die Kernkraft soll über 2020
hinaus bestehen bleiben. Erneuerbare Energien sollen nicht stärker gefördert
werden. Auch die Liberalen streben eine stärkere Beteiligung Privater bei
Verkehrsprojekten an.
AUSSENPOLITIK
SPD/Grüne: Die größten Differenzen zwischen den Parteien gibt es über den
EU-Beitritt der Türkei. SPD und Grüne sind starke Verfechter der Erweiterung
und verweisen auf jahrzehntelange Versprechungen an die Türkei. Rot-Grün
kämpft für einen ständigen deutschen Sitz im UN- Sicherheitsrat. Beim
China-Waffenembargo ist die SPD in weiten Teilen dafür, Sanktionen
aufzuheben, die Grünen sind mehrheitlich dagegen.
CDU/CSU: In der Außenpolitik sind sich CDU und CSU relativ einig. Beide
lehnen eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU ab. Die CDU befürwortet
stattdessen nur eine «privilegierte Partnerschaft». Die CSU kündigte an,
einen Beitritt mit allen Möglichkeiten zu verhindern. Die Union unterstützt
auch geschlossen die deutsche Forderung nach einem Sitz Deutschlands im
UNO-Sicherheitsrat.
FDP: Die Liberalen wollen die im Oktober 2005 beginnenden Verhandlungen über
einen EU-Beitritt der Türkei «ergebnisoffen» führen. Wie die Union ist die
FDP wegen der Menschenrechtslage in China strikt gegen eine Aufhebung der
Sanktionen. Ein deutscher UN- Sitz ist für die FDP die «zweitbeste Lösung»,
sie will einen EU-Sitz.
BILDUNG
Alle Parteien wollen für Bildung und Forschung mehr Geld bereitstellen. SPD
und Grüne sind klar gegen Studiengebühren für das Erststudium, Union und FDP
sind dafür. Die SPD will an der bisherigen Bafög-Förderung festhalten. Die
Union strebt hingegen bei der Studienfinanzierung einen Mix aus Gebühren, zu
verzinsenden Privatdarlehnen, Zuschüssen und «Freiplätzen» für Bedürftige
und besonders Begabte an.