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1

14.01.2007, 22:45

Gibt es universelle Werte?

...fragte sich nicht nur der Psychologe Shalom Schwartz.

Habe vor Kurzem mit jemandem da darüber sehr angeregt diskutiert und da hier im Masters sehr interessierte und interessante Leute sitzen, dachte ich, trag ich die Diskussion mal hier rein.

Mein Standpunkt war in etwa folgender:

These: Es gibt min. 1 moralisches Gesetz, was alle Gesellschaften gemeinsam haben.
"Moralisches Gesetz" ist dabei definiert als "Handlungsanweisung zum Erhalt einer Gesellschaft".
"Gesellschaft" ist über die Menge aller in ihr geltenten moralischen Gesetze eindeutig festgelegt.
D.h. also, wenn sich diese Menge ändert, ist es eine "andere Gesellschaft". Eine Gesellschaft ist aber bestrebt sich zu erhalten, d.h. auch auf die Einhaltung der "moralischen Gesetze" zu achten. Dieses Durchsetzen haben alle Gesellschaften gemeinsam. Es ist auch ein "moralisches Gesetz", da es dem Erhalt der Gesellschaft dient...

XaoMat

2

14.01.2007, 23:06

Diesen moralischen Wert würd ich gern hörn .
Den der *großteil* der Gesellschaft vertritt.
Is es : Lieber weiter gehn und Augen und Ohren schliessn ?^^

3

14.01.2007, 23:48

selbst wenn es diesen wert geben sollte, so kann man nicht davon ausgehen, dass er auch in zukünftigen gesellschaften geltung besitzt.

4

15.01.2007, 08:41

Nein, er wendet einen Trick an und definiert das annähernd tautologisch.
Eine Gesellschaft ist nach ihm ihrem Wesen nach ja schon etwas, was eine Beharrungstendenz hat und überleben sollte, da sie einen Wert für ihre Mitglieder darstellt. Als solches muss sie zumindest das eigene überleben sichern.

Zumindest implizit argumentiert Xaomat Gruppenevolutionsbiologisch. Da sich die Mitglieder einer Gesellschaft dadurch auszeichnen, daß sie untereinander homogener als zu allen anderen Gruppen sind und man dadurch sicher auch eine genetische Nähe feststellen kann, wäre es logisch den Gruppenerhalt zu sichern, wenn dessen Vorteile die Nachteile überwiegen (was anzunehmen ist, wenn keine Zwangsmitgliedschaften bestehen). Selbst wenn man von der Logik absieht, könnte es ein Verhalten des Altruismus bezüglich der Gesellschaftsmitglieder geben. Allerdings ist die Gruppengröße da problematisch. Deshalb denke ich, existiert dieses Verhalten nur in extremen Ausnahmesituationen (man rettet einen Menschen in Lebensnot).

€dit: Ansonsten gibt es in den Naturwissenschaften sogenannte Invarianzprinzipien, auf denen fast die gesamte Physik als Königin der Realwissenschaften aufbaut. Diese Invarianzprinzipien besagen z.B., daß es für das Ergebnis eines Experimentes unabhängig ist, an welchem Ort und zu welcher Zeit ich es durchführe, wenn die anderen Einflußgrößen gleich sind. Ohne dies könnte man Experimente nie wiederholen, es gebe keine allgemeingültigen Naturkonstanten.

Zumindest in ausreichend großer Entfernung um unsere Erde herum gelten diese Invarianzprinzipien, allerdings mögen in weit entfernten Teilen unseres Universums die Naturkonstanten nicht ganz konstant sein. Dies mögen Physiker klären. Empfehlen kann ich da "Symmetries and Reflections" von Paul Wigner (1967).

Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »AtroX_Worf« (15.01.2007, 08:46)


6

15.01.2007, 09:07

an eine solche these iws hätte ich u.a. folgende Fragen:

1) ich würde meinen, dass in fast allen menschlichen kulturen beispielsweise das gebot "du sollst nicht töten" ein moralisches gesetz in deinem sinne darstellt. indes bewegt man sich hier auf dem niveau (aller-)kleinster nenner, die - soweit dann gesellschaft ins spiel gebracht werden soll - kaum ausreichend sein dürften, eine solche als ganzes und gegenüber anderen gesellschaften zu integrieren (würde ein gesetz ausreichen und wäre dieses gesetz universell gültig, gäbe es ja nur eine gesellschaft). insofern scheint mir diese feststellung nirgends hinzuführen.

2) ich frage mich, ob "moral" derart definiert werden soll, als dass sie zur überlebensfähigkeit einer gesellschaft instrumentalisiert werden kann. eine "durchsetzung" von moral muss ja immer gegenüber anderen geschehen, was dann in die durchsetzung von (moralischen) werten mündet und historisch zu wenig "moralischen" beispielen geführt hat.

3) allerdings: wenn du moral als eigenprodukt sich unterscheidender gesellschaften definierst (als beispielsweise nicht als transzendenten / zB christlichen wert, den alle menschen praktischerweise quasi verbal-inspiriert zur kenntnis nehmen können - was zwar historisch auch nicht zu funktionieren scheint) und sich ja "gesellschaft" immer durch differenzierung kennzeichnet (sonst wäre sie keine entität, die man von anderem unterscheiden könnte), wird sich an diesen differenzen immer konflikt und damit im weiteren sinne amoralisches verhalten initiieren.

in jedem falle: zu deiner anlage des moralbegriffs würde ich meinen, dass er immer in amoral enden muss - da die durchsetzung der überlebensfähigkeit einer gesellschaft über moral dazu führen kann, in diesem durchsetzungprozess den kürzeren zu ziehen und damit gerade die eigene gesellschaft zu zerstören.

und das mehr oder weniger logischerweise, da du - mit gruss an worf - moral tatsächlich tautologisch, als das deine durch das andere et vice versa, begründest,

moral indes sollte ja - in ihrem ursprünglich ontischen sinne - an mehr apellieren können, als das letztliche gütdünken menschlicher gemüter.

(daneben: moraldiskussionen scheinen mir meist end- und sinnlos).

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »HKD_H_A_T_E« (15.01.2007, 09:10)


7

15.01.2007, 11:08

Zitat

Original von AtroX_Worf
Zumindest implizit argumentiert Xaomat Gruppenevolutionsbiologisch. Da sich die Mitglieder einer Gesellschaft dadurch auszeichnen, daß sie untereinander homogener als zu allen anderen Gruppen sind und man dadurch sicher auch eine genetische Nähe feststellen kann, wäre es logisch den Gruppenerhalt zu sichern, wenn dessen Vorteile die Nachteile überwiegen (was anzunehmen ist, wenn keine Zwangsmitgliedschaften bestehen). Selbst wenn man von der Logik absieht, könnte es ein Verhalten des Altruismus bezüglich der Gesellschaftsmitglieder geben. Allerdings ist die Gruppengröße da problematisch. Deshalb denke ich, existiert dieses Verhalten nur in extremen Ausnahmesituationen (man rettet einen Menschen in Lebensnot).


Die Gruppenselektionstheorie lässt sich jedoch mit ein paar recht netten Beispielen schnell widerlegen.

-=)GWC(RaMsEs

unregistriert

8

15.01.2007, 11:28

wenn man ein bisschen mit kritischem geist die unterschiedlichen weltreligionen und ihre gesetzt betrachtet, fällt auf dass sie genau solche regeln aufstellen. am einfachsten sind hier die 10 gebote, die nichts anderes sollen als das miteinander zu regeln. Gibt ja auch die Grundrechte, da steht das ganze mehr oder weniger genauso drin. Recht auf körperliche unversehrtheit, eigentum usw. Das sind die kleinsten gemeinsamen Nenner, auf die sich eine gemeinschaft einigen muss, um zu wachsen und sich zu entwickeln.

ZXK_Nimo

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9

15.01.2007, 12:57

Nur weil aber irgendwo steht wie du sich verhalten solltest, heisst dass noch lange nicht dass das universelle Werte sind an die sich alle halten.

Selbst soche Sachen wie "du sollst nicht töten" sind nicht allgemein gültig. Mal abgesehn von irgenwelchen Amokläufen, die eher als geisteskrankheit angesehn werden müssen, gibts es aber auch genug ausnahmen wo der tot eines Menschen ivon dieser Gesellschaft gedulted wird. (Islam zB, wenn die Tochter die Familie entehrt wird die, wenn die Familie streng taditionell lebt, mal eben abgemurkst)

Mir persönlich fällt jetzt eigentlich nix ein, was man als universell gültigen Wert definieren könnte, lässt sich eigentlich so ziemlich alles recht schnell widerlegen.
Das beste was mir noch eingefallen ist "Ehrgeiz"

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »ZXK_Nimo« (15.01.2007, 12:57)


10

15.01.2007, 13:14

Zitat

Original von AtroX_Worf
Zumindest implizit argumentiert Xaomat Gruppenevolutionsbiologisch. Da sich die Mitglieder einer Gesellschaft dadurch auszeichnen, daß sie untereinander homogener als zu allen anderen Gruppen sind und man dadurch sicher auch eine genetische Nähe feststellen kann, wäre es logisch den Gruppenerhalt zu sichern, wenn dessen Vorteile die Nachteile überwiegen (was anzunehmen ist, wenn keine Zwangsmitgliedschaften bestehen). Selbst wenn man von der Logik absieht, könnte es ein Verhalten des Altruismus bezüglich der Gesellschaftsmitglieder geben. Allerdings ist die Gruppengröße da problematisch. Deshalb denke ich, existiert dieses Verhalten nur in extremen Ausnahmesituationen (man rettet einen Menschen in Lebensnot).

Löasch den Teil. ?(

11

15.01.2007, 13:31

RE: Gibt es universelle Werte?

Zitat

Original von XaoMat
...fragte sich nicht nur der Psychologe Shalom Schwartz.

Habe vor Kurzem mit jemandem da darüber sehr angeregt diskutiert und da hier im Masters sehr interessierte und interessante Leute sitzen, dachte ich, trag ich die Diskussion mal hier rein.


Paar Gedanken zu deiner Argumentation.

Deine beiden "Axiome":

Zitat


"Moralisches Gesetz" ist dabei definiert als "Handlungsanweisung zum Erhalt einer Gesellschaft".
"Gesellschaft" ist über die Menge aller in ihr geltenten moralischen Gesetze eindeutig festgelegt.D.h. also, wenn sich diese Menge ändert, ist es eine "andere Gesellschaft".


Die Definition eines Moralischen Gesetzs ist imo ziemlich "praxisfern", bzw schon auf die weitere Argumentation "hingetrimmt". Ich glaub niemand würde im "Alltag" diese Definition akzeptieren. Du kannst natürlich für deine Argumentation definieren was/wie du willst, aber damit verliert dein "Moralisches Gesetz" die Eigenschaften der "ursprünglichen Definition". Ich glaub das ganze "Gesellschafterhaltendes Gesetz" zu benennen würd einiges an Verwirrung vermeiden.

Damit ändert sich dann auch deine These in:
"Es gibt mindestens 1 Gesellschafterhaltendes Gesetz, das alle Gesellschaften gemeinsam haben."
(Was jetzt nicht mehr viel mit der Frage nach universellen Werten zu tun hat, imo.)

Und auch das ist eigentlich noch zu vage, denn was du im weiteren meinst ist ja eigentlich keine Instanz eines Gesellschafterhaltenden Gesetz's, sondern "nur" sowas wie ein "Meta-Gesetz", dessen genaue Bedeutung sich erst aus den konkreten Gesetzen/Werten der jeweiligen Gesellschaft ergibt.

Zitat

Eine Gesellschaft ist aber bestrebt sich zu erhalten,...


Was ist mit Gesellschaften, deren Ziel Veränderung ist?

Beispiel: Unsere "Nachkriegs-Gesellschaft" nach WW2. Das Grundlegende Ziel war ja wohl, wieder aus der Misere herauszukommen. Die damalige Gesellschaft hatte also als oberstes Ziel eine Veränderung derselben?


Außerdem bleibt bei deiner Argumentation unklar, unter welchen Bedingungen ein "Moralisches Gesetz" in einer Gesellschaft gültig ist. Ist es nur gültig, wenn die Mehrheit der Bevölkerung es akzeptiert? Oder gilt es, sobald irgendjemand in der Bevölkerung es akzeptiert?

Den ersten Fall kann man leicht widerlegen: Die Bevölkerung beinahe jeder Diktatur ist wohl nicht an der Erhaltung der Diktatur interessiert.

Für den zweiten Fall verfällt die Aussage deiner Argumentation zu "In jeder Gesellschaft glaubt zumindest irgendwer an irgendwas". No na net. (Nach dieser Auslegung ist es dann auch ohne weiteres möglich, dass mehrere einander unmittelbar widersprechende Gesetze in derselben Gesellschaft gültig sind.)